Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hat am 26. November 2024 einen umfassenden Katalog an Vorschlägen für die Agrarpolitik vorgelegt. Die Empfehlungen und Maßnahmen sollen laut den ZKL-Mitgliedern ein Leitfaden für die Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2025 sein und möglichst auch in das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung einfließen.
Doch was schlägt die ZKL im Detail vor? Ein Überblick mit den wichtigsten Themen und Empfehlungen:
Neue Finanzierungsquellen erschließen
„Die ZKL ist entschieden der Auffassung, dass die bisherige Finanzierung der Agrar-, Umwelt, Klima- und Tierschutzpolitik nicht ausreicht. Selbstverständlich nimmt die ZKL die erschwerte Krisenlage wahr. Es müssen deshalb gleichzeitig mehrere Stellschrauben gedreht werden“.
Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollen neue Gelder erschließen.
Die vorhandenen Gelder, insbesondere die in der GAP, sollen „zukunftsfest ausgerichtet“ werden.
Die Impulse vom Strategische Dialog auf EU-Ebene für einen neuen einheitlichen Bewertungsmaßstab von Nachhaltigkeit sollen weiterentwickelt werden.
Neue Kultur der Zusammenarbeit etablieren
Statt der großen Zukunftskommission sollen zukünftig Verhandlungen in verschiedenen kleineren Formaten ablaufen.
Sie sollen stärker auf einzelne Themenbereiche fokussieren und
unter Einbindung von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gestaltet sein.
Als erfolgreiche Beispiele nennt die ZKL den Strategiedialog Landwirtschaft in Baden-Württemberg und den Niedersächsischen Weg.
Mit steuerlichen Maßnahmen Risiken absichern
Die ZKL schlägt folgende Maßnahmen vor:
Ermöglichung einer steuermindernden Bildung von Rücklagen (Risikoausgleichsrücklage) für Unternehmen der Landwirtschaft und des Gartenbaus als zentralem Instrument der Gewinnglättung und betrieblichen Krisenvorsorge;
Agrardiesel mit europäischem Durchschnittssatz besteuern und alternative Kraftstoffe entsprechend ihrem Beitrag zum Klimaschutz steuerlich entlasten;
Staatliche Förderung einer Absicherung für existenzgefährdende Risiken (vor allem Dürre und Überschwemmungen).
Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) weiterentwickeln
Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) bezieht sich die ZKL auf ihre Empfehlungen im Bericht von 2021, sie hätten „ an Aktualität nichts eingebüßt“. Folgende Forderungen schließt sie daran an:
Mit dem verbindlichen und vollständigen Abbau der Direktzahlungen müssen auch die Konditionalitäten (GLÖZ-Regeln) entsprechend abgebaut werden.
Durch eine attraktivere Ausgestaltung der Öko-Regelungen und Agrar-, Umwelt-, und Klimaschutzmaßnahmen (AUKM) sollten die Anliegen der Konditionalitäten (GLÖZ) durch einkommenswirksame Honorierung der Leistungen der Betriebe erreicht werden.
Es soll eine bessere Abstimmung zwischen den Öko-Regelungen und den AUKM der 2. Säule erfolgen. Zudem sollte der Fokus auf mehrjährige Maßnahmen gelegt werden.
Zur Abfederung von Auswirkungen des Klimawandels werden die Honorierung einer Diversifizierung hin zu vielfältigen Fruchtfolgen und eine Unterstützung von Gefahrenabsicherungen empfohlen.
Junge Menschen sollten bei ihrem beruflichen Einstieg in die Landwirtschaft (Hofnachfolge und Existenzgründung) im Rahmen der GAP weiter unterstützt werden. Hierbei sollten Betriebsentwicklungs- und Existenzgründungskonzepte sowie eine professionelle Betriebsbegleitung zu Beginn der Hofübernahme bzw. -gründung im Mittelpunkt stehen.
Position im Wettbewerb und Marktorganisation erneuern
Die Kompromissformel der ZKL in der Marktpolitik lautet, dass verbindliche Lieferverträge mit konkreten Angaben über Menge, Qualität, Preis und Laufzeit empfohlen werden. Den Genossenschaften bleibt ihre Satzungsautonomie bei dem Thema gewährt. Wörtlich heißt es:
„Die ZKL empfiehlt, den in der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) geschaffenen Rahmen zur Unterstützung der landwirtschaftlichen Erzeuger:innen zielgerichtet zu nutzen.
Um die Planungssicherheit für Erzeuger:innen zu erhöhen, sollten verbindliche Lieferverträge mit konkreten Angaben über Menge, Qualität, Preis und Laufzeit des Vertrages umgesetzt werden.
Bei Genossenschaften ist die Satzungsautonomie dabei unbedingt zu beachten, die auch die Vereinbarungen von Milchlieferordnungen umfasst.
Die Entwicklung und mögliche Umsetzung von neuen Mechanismen und Instrumenten zur Stabilisierung der Märkte und Unterstützung der Erzeuger:innen sollte mit allen Beteiligten der jeweils betroffenen Wertschöpfungskette abgestimmt werden.“
Bürokratie abbauen
In Landwirtschaft und Gartenbau sei inzwischen eine Regelungsdichte erreicht, die landwirtschaftliche Betriebe und Behörden überfordert. Dagegen schlägt die ZKL folgende Maßnahmen vor:
Die ZKL empfiehlt der Bundesregierung, bundesweit einheitliche digitale Dokumentationslösungen zu schaffen und damit verbunden Redundanzen im Melde- und Dokumentationswesen zu beseitigen.
Ziel ist es, dass jede Information von den landwirtschaftlichen Betrieben nur einmalig eingegeben werden muss.
Dies sollte unter Nutzung der bewährten Meldestrukturen (z. B. Vermeidung neuer Betriebsnummern und neuer Meldewege) geschehen und für alle behördlichen Vorgänge gelten.
Umbau der Tierhaltung finanzieren
Bei der Weiterentwicklung der Tierhaltung sieht die ZKL weiteren Handlungsbedarf. Die zwischenzeitlich vollzogenen politischen Maßnahmen, das staatliche Tierhaltungskennzeichen und das Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der landwirtschaftlichen Tierhaltung seien unzureichend. Der Markt werde diese Aufgabe nicht allein stemmen können, es brauche massive Unterstützung des Staates, heißt es in dem Bericht. Dabei bezieht sich die ZKL weiterhin auf die Empfehlungen des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung („Borchert-Kommission“).
Der Finanzierungsrahmen muss unter Beteiligung von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft überarbeitet und verbindlich über den Planungszeitraum fixiert werden. Dabei unterstützen die Mitglieder der ZKL die Finanzierung des Umbaus auf Basis gesicherter langfristiger Vereinbarungen mit den Tierhalter:innen.
Die ZKL betrachtet eine schrittweise, moderate Anhebung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf tierische Produkte als das geeignetste Instrument, um mit diesen Mitteln in den Haushalten von Bund und Ländern die notwendigen Spielräume für den Umbau der Tierhaltung zu generieren.
Die ZKL empfiehlt die Ausweitung der Kennzeichnungspflicht auf die Außerhausverpflegung (Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie, System- und Schnellgastronomie, Erlebnis- und Freizeitgastronomie) und im zweiten Schritt eine konstruktive Weiterentwicklung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes.
Kooperationen für Biodiversität in der Agrarlandschaft fördern
Wegen der gestrichenen Konditionalitäten in der GAP (Abschaffung der verpflichtenden Stilllegung in GLÖZ 8) spricht sich die ZKL für ein Aktionsprogramm „Biodiversität in der Agrarlandschaft” mit einer Neuorientierung auf Basis kooperativer Modelle aus.
Gleichzeitig sehen wir Bundes- und Landesregierungen auch in der Pflicht, dafür die entsprechenden dauerhaften Finanzierungsinstrumente bereit zu stellen.
Die ZKL empfiehlt die Entwicklung und Organisation von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen durch gemeinsam getragene Kooperationen auf regionaler und lokaler Ebene. Ziel sollte sein, innerhalb der nächsten Förderperiode in ganz Deutschland entsprechende Kooperativen zu ermöglichen.
Reduktionsziele im Pflanzenschutz anpassen
Die ZKL empfiehlt eine Weiterentwicklung der Indikatoren, die zur Bewertung des Risikos des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln herangezogen werden.
Sie sollen einheitlich auf europäischer Ebene verankert und rechtsfähig sein, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird.
Zudem soll die Formulierung der Zielvorgaben für die Reduktionsziele an die jeweilig genutzten Indikatoren angepasst werden.
Düngepolitik handhabbar machen
Die ZKL empfiehlt die Weiterentwicklung einer praxisgerechten gesamtbetrieblichen Nährstoffbilanzierung – im Sinne einer Hoftorbilanz.
Es ist eine deutliche Verschlankung der Düngeregelungen notwendig. Abstandsregelungen und Ausbringungszeiträume sollen hiervon unberührt bleiben.
Betriebe sollten statt einer kleinteiligen und nicht kontrollierbaren Düngebedarfsermittlung sowie schlagspezifischen Düngedokumentationen nur noch dazu verpflichtet werden, jährlich eine praktikable, transparente und überprüfbare gesamtbetriebliche Nährstoffbilanzierung für Stickstoff und Phosphor umzusetzen und nur diese meldepflichtig zu machen.
Es wird empfohlen, Anpassungen beim Umgang mit Roten Gebieten in der Düngeverordnung vorzunehmen, die von pauschalen Vorgaben für alle Betriebe in dem Gebiet zu einer Bewertung des individuellen Düngeverhaltens der Betriebe führt.
Grünland ist von der Düngereduktion in den Roten Gebieten auszunehmen, wenn von dort keine signifikante negative Beeinflussung des Grundwassers zu erwarten ist.
Forschung zur Pflanzenzüchtung ausbauen
Um das Potenzial der Pflanzenzüchtung in Zukunft noch besser zu nutzen, empfiehlt die ZKL Maßnahmen zur Förderung von Forschung und Innovation:
Einen Ausbau der staatlichen Förderung der Pflanzenzüchtungsforschung durch BMEL und BMBF.
Einen erheblichen Ausbau der Forschungsmittel für konventionelle und ökologische Projekte, die konsequent auf die Züchtung und Erforschung von umwelt- und klimaschonenden Sorten und Anbausystemen ausgerichtet sind.
Flächenzugang erleichtern
Die ZKL empfiehlt für den Flächenzugang folgende Maßnahmen und Instrumente :
Anhebung der Freigrenze bei der Grunderwerbsteuer, insbesondere für Betriebsgründungen oder Erstattung der Grunderwerbsteuer bei Neugründungen.
Abschaffung der doppelten Erhebung der Grunderwerbsteuer bei Flächenbevorratungsmaßnahmen der Landgesellschaften.
Konsequente Durchsetzung der Genehmigungsregelungen nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.
Verringerung der Flächenneuversiegelung.
Weltweite Ernährungspolitik und Agrarhandel
Die ZKL unterstreicht daher ihre Empfehlungen für einen Regel-basierten internationalen Agrarhandel, der bei steigenden Nachhaltigkeitsstandards faire Wettbewerbsverhältnisse („level playing field“) sicherstellt und Produktionsverlagerungen („Leakage-Effekte“) vermeidet.
Zu diesen Regeln gehört auch eine verbindliche Herkunftskennzeichnung.
Die ZKL empfiehlt, entsprechende Regelungen in internationalen Handelsabkommen umzusetzen.
Den kompletten Bericht mit dem Titel "Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in schwierigen Zeiten – Strategische Leitlinien und Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft" kann man hier lesen.