Den Mitgliedern der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist anzumerken, dass sie um den zweiten Bericht mit den Empfehlungen für die Agrarpolitik der nächsten Bundesregierung gerungen haben. Mehrmals waren sie gescheitert. Das war allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Ampel noch regierte. Mit ihrer Einigung jetzt Ende November 2024 wollen Sie auch ein Zeichen setzen, dass in einer Zeit, in der vor allem die Zuspitzung und Polarisierung populär ist, auch noch eine Einigung zwischen ganz unterschiedlichen agrarpolitischen Interessen möglich ist.
Am 26. November 2024 hat die ZKL eine Aktualisierung ihrer Vorschläge, den sogenannten ZKL-Bericht 2.0, veröffentlicht. Darin enthalten sind u.a. die Wiedereinführung der Steuerermäßigung für Agrardiesel zum europäischen Durchschnittssatz, eine höhere Mehrwertsteuer für Fleisch zur Finanzierung von mehr Tierwohl, mehr Geld und Anreize für Öko-Regelungen bei den GAP-Agrarzahlungen, die steuerfreie Risikoausgleichrücklage und verbindliche Lieferverträge bei Gewährung der Satzungsautonomie von Genossenschaften.
ZKL-Berichte müssen sich in Wahlprogrammen wiederfinden
Sie freue sich sehr, dass die ZKL „mit Beharrlichkeit und starken Nerven“ eine Weiterentwicklung geschafft habe, sagte die Präsidentin der Landfrauen, Petra Bentkämper vor Journalisten.
Deutlich formulierte Bentkämper ihre Erwartung an die Parteien und zukünftige Bundesregierung: „Die Themen und Schwerpunkte der ZKL-Berichte müssen sich nicht nur in den Wahlprogrammen wiederfinden, sondern selbstverständlich auch in einem zukünftigen Koalitionsvertrag“, sagte sie.
Umweltmaßnahmen nur noch kooperativ
Der Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), Hubertus Paetow, weist dem neuen ZKL-Bericht 2.0 ein „Maximum an Konkretisierung“ zu, der in solchen großen Verhandlungsrunden möglich sei. Die neuen Empfehlungen fußten auf denen aus dem ersten Bericht von 2021. Heraus hebt Paetow, den Schwerpunkt darauf, dass die Umsetzung von Umweltmaßnahmen vor allem kooperativ, also in einer Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Umweltgruppen laufen müsse.
Nachweispflichten überflüssig machen
Den Ansatz der ZKL, die Nachhaltigkeit von Betrieben anhand von überprüfbaren Indikatoren wie beim Betriebsvergleich vergleichbar zu machen, bezeichnete Paetow als „Weihnachtsgeschenk für die Landwirte“. Dann dadurch könnten die vielen bürokratischen Nachweispflichten entfallen. Ihm war es zudem wichtig zu betonen, dass sich die ZKL weiterhin geschlossen für eine vollständige Umwandlung der flächengebundenen Direktzahlungen hin zu gerichteten Zahlungen ausspreche.
Wegfall der GLÖZ-Vorgaben in der GAP
Der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Holger Hennies, betonte den Wert, auch mit anderen Interessengruppen, um Lösungen für die Zukunft der Landwirtschaft zu ringen. „Es ist gut, dass wir vom ‚Wir sind, dagegen Modus‘ weg sind“, sagte er. Ihm sind die Vorschläge und Ideen für den Regulierungsabbau im ZKL-Bericht 2.0 wichtig. Er betonte zudem die Empfehlung für Anreize und Kooperationen für Naturschutzleistungen. Und bei den GAP-Agrarzahlungen ist er froh um den Konsens zum Wegfall der GLÖZ-Vorgaben, den Konditionalitäten. „Die sind meist gehasst unter den Betrieben“, sagte er.
Außerdem hofft Hennies auf Umsetzung der Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Düngeverordnung und den Ausnahmen bei der Bewirtschaftung in den Roten Gebieten. Daran müsse eine nächste Bundesregierung anknüpfen, sagte Hennies.
Erst Baurecht dann Mehrwertsteuer auf Fleisch
Für den Umbau der Tierhaltung ist Hennies wichtig, dass eine künftige Regierung zuerst die Rahmenbedingungen im Baurecht angeht und vertragliche Details für die Tierwohlzahlungen klärt. Erst damit sei eine Basis dafür geschaffen, dass die von der ZKL vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch am Ende auch als Tierwohlzahlung bei den Landwirten ankomme, erläuterte er.
Risiko absichern und alternative Kraftstoffe begünstigen
Die junge Generation setze nun darauf, dass die Politik es der ZKL gleich tue und sich auf Kompromisse in der Agrarpolitik einige, sagte Theresa Schmidt, die Bundesvorsitzende der Landjungend. „ Wir brauchen den Rückhalt aus der Branche und der Politik und der Gesellschaft und müssen am Ende auch Geld verdienen können“, sagte sie.
Schmidt betonte, dass es neben der Steuerermäßigung für Agrardiesel künftig auch eine Förderung für alternative Kraftstoffe zum Agrardiesel geben müsse. Zudem betonte sie die ZKL-Empfehlung für eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage, die wichtig sei für Krisen. „Das bildet einen Puffer, das sind keine Luxusinvestitionen, sondern existenzielle Hilfen damit wir Landwirtschaft erfolgreich machen können“, sagte sie.
Der ZKL-Bericht hat zu vielen Reaktionen in sämtlichen Verbänden und Interssensgruppen geführt. Eine Auswahl der weiteren Reaktionen:
Agrarminister Cem Özdemir:
„Es ist gut, dass sich die ZKL nach wie vor zu dem verbindenden Angebot bekennt, das sie in ihrem Abschlussbericht gemacht hat: Ein nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem, das die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte für mehr Tierwohl, die Umwelt und das Klima honoriert. Ich sehe die Aufgabe der Politik darin, partnerschaftlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen."
DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp:
"Wir sind der einzige Vertreter in der ZKL, der die gesamte Wertschöpfungskette im Blick hat und vertritt, oder anders ausgedrückt: Wir sind die Stimme der Wirtschaft über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Nach wie vor geht es in der ZKL um einen ganzheitlichen Ansatz für die Zukunft der Landwirtschaft. Es geht um das große Zielbild. Daher gibt es nach wie vor bei einzelnen Fragen und Themen sehr unterschiedliche Auffassungen unter den ZKL-Mitgliedern. Auch wir als DRV tragen nicht jede Einzelposition im Abschlussbericht vollumfänglich mit. Bei diesen Themen werden wir daher weiterhin in unserer täglichen Verbandsarbeit und im Rahmen konkreter Gesetzesinitiativen unseren Überzeugungen folgen, um die Interessen unserer Mitglieder mit aller Kraft zu vertreten."
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:
„Knapp ein Jahr nach den Bauernprotesten bekräftigen die ZKL-Mitglieder erneut ihren Konsens: Landwirtschaft ist systemrelevant, doch sie muss sich grundlegend ändern, um Klima und Natur zu schützen und die Zukunft der Betriebe selbst zu sichern. Dabei geht die Einigung der ZKL über viele aktuelle agrarpolitische Lösungsvorschläge hinaus. Sie zeigt, dass auch nach den emotionalen Agrar-Debatten der vergangenen Monate die Gräben überwunden werden können, wenn gemeinsam nach Lösungswegen und Kompromissen gesucht wird."
BÖLW-Vorständin Tina Andres:
„Ich bin froh, dass die ZKL die Notwendigkeit bekräftigt hat, den Einsatz umweltgefährdender Pestizide zu mindern. Richtig ist auch, dass wir die Tierhaltung umbauen müssen – nicht allein wegen des unermesslichen Leids der Tiere, sondern auch, um der Überlastung der Böden und Gewässer durch Gülle-Einträge vorzubeugen. Wir begrüßen, dass sich alle ZKL-Mitglieder dafür einsetzen, dass die Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte erfolgen soll. Richtig ist auch, dass die Mitglieder der ZKL die Zahlungen von Agrargeldern stärker an ökologische Leistungen der Höfe koppeln und die sogenannten Direktzahlungen abschaffen wollen.“
Bundegeschäftsführerin der AbL Xenia Brand:
"Die Ergebnisse dürfen nicht erneut liegen gelassen und müssen nun umgesetzt werden. Gut ist, dass wir uns erneut auf einen vollständigen Umbau der GAP-Zahlungen hin zu einkommenswirksamer Finanzierung von Umweltleistungen der Bäuerinnen und Bauern verständigt haben. Dringend geboten ist auch eine verlässliche Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung. Geeinigt haben wir uns auf das Umsetzen von Verträgen zwischen den Landwirt:innen und der abnehmenden Hand vor der Lieferung sowie weitere Maßnahmen. Wir brauchen mehr junge Menschen in der Landwirtschaft. Daher ist die Empfehlung, Existenzgründer:innen und Betriebe ohne oder mit wenig Eigenland den Zugang zu Land über einen Freibetrag der Grunderwerbsteuer zu erleichtern wichtig."
LSV Deutschland:
"LSV D betont die Wichtigkeit dieser Ergebnisse, die durch die aktive Beteiligung und Interessenvertretung der Landwirte maßgeblich geprägt wurden. Der ZKL-Bericht 2.0 umfasst zentrale Themen von LSV D wie Planungssicherheit, Bürokratieabbau und gerechte Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen der Landwirte. Die ZKL empfiehlt die Einführung verbindlicher Lieferverträge mit klar definierten Parametern zu Menge, Qualität, Preis und Laufzeit. Diesen Baustein, den LSV D lange fordert, schafft eine dringend benötigte Sicherheit für die landwirtschaftlichen Betriebe, insbesondere in Zeiten stark schwankender Märkte. Dieser Erfolg trägt dazu bei, faire Verhältnisse zwischen Erzeugern und Abnehmern zu schaffen und langfristig Stabilität zu gewährleisten."
BDM-Sprecher Hans Foldenauer:
„Ein sehr wichtiger Aspekt ist ein eigenes Kapitel für eine „Zukunftsorientierte Gemeinsame Marktorganisation (GMO)“. Dieses trägt unseren Überlegungen Rechnung, dass die Agrarmarktpolitik zukünftig viel stärker darauf ausgerichtet werden muss, den Betrieben durch eine deutliche Anhebung des Preisniveaus für die von uns erzeugten Agrarprodukte wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen. Mehr Wertschöpfung für den Sektor Landwirtschaft über den Markt – das ist ein wichtiger Punkt“.
WLV-Präsident Hubertus Beringmeier:
„Der Umbau der Tierhaltung soll nach Empfehlungen der ZKL über die gesamte Wertschöpfungskette reichen. Unsere Betriebe sind grundsätzlich bereit, in mehr Tierwohl zu investieren. Dies funktioniert aber nur, wenn man die Tierhalter im Prozess mitnimmt. Langfristige Planungssicherheit und finanzielle Unterstützung müssen für die Betriebe gesichert werden. Das Bundesförderprogramm ist ein erster Schritt, um die Betriebe hierbei zu unterstützen. Es handelt sich aber nur um einen ‚Anschub‘“ für einen geringen Anteil der deutschen Bäuerinnen und Bauern. Erst mit einer umfassenden Übernahme von Investitionen und laufenden Kosten, die grundsätzlich alle Betriebe in Anspruch nehmen können, kann die heimische Nutztierhaltung dauerhaft gestärkt werden. Die ZKL wertet die von der Borchert-Kommission vorgeschlagene moderate Anhebung der Umsatzsteuer als geeigneten Ansatz, um die Finanzierung langfristig zu sichern, wenn die Einnahmen zu 100 Prozent den Tierhaltern zugutekommen“.
Den kompletten Bericht mit dem Titel "Zukunft Landwirtschaft. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe in schwierigen Zeiten – Strategische Leitlinien und Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft" kann man hier lesen.