Für rasche Entscheidungen seitens der Bundesregierung, wie der Umbau der Tierhaltung finanziert werden soll, hat sich auf dem Agrarkongress erneut der Vorsitzende des Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, Jochen Borchert, ausgesprochen. „Es reicht nicht aus nur die Investitionen zu fördern“, sagte er in Richtung Bundesregierung. Finanzierungsbedarf gebe es auch für die laufenden Kosten, damit die Tiere auch tierwohlgerecht gehalten werden könnten, so Borchert weiter.
Borchert: "Wir brauchen eine politische Entscheidung"
Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass höhere Preise für Fleisch aus höheren Haltungsstufen am Markt nur für hochwertige Teile zu erzielen seien. „Finanziert werden müssen die Kosten für den ganzen Schlachtkörper, daher brauchen wir staatliche Unterstützung und dafür die politische Entscheidung“, sagte Borchert. Dafür seien die Vorschläge der Borchert-Kommission weiterhin umsetzbar. Er nannte die Finanzierung über eine höhere Mehrwertsteuer für tierische Produkte sowie eine Tierwohlabgabe als alternative Möglichkeiten. „Wir warten darauf, dass das jetzt umgesetzt wird“, so Borchert weiter.
Schwarz: "Klar ist, das Geld kommt vom Verbraucher"
Das es mit der neuen Bundesregierung vor allem noch an einer Aussage über die Finanzierung der vielen Vorhaben zum Umbau der Landwirtschaft fehle, machten viele Beteiligte am Agrarkongress des Bundesumweltministeriums deutlich. „Es kocht sich alles ein auf die Frage, woher das Geld kommt“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Werner Schwarz. Die Betriebe, vor allem die mit Tierhaltung, stünden mit dem Rücken zur Wand. „Es ist mit der ASP und der Geflügelpest nicht genug Geld auf den Höfen, das auch noch zu stemmen“, so Schwarz. Es sei nun wichtig, dass diskutiert werde, woher das Geld für den Umbau der Landwirtschaft kommt. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) sei nicht demokratisch legitimiert und habe nur einen Leitfaden vorgegeben, dem jetzt politische Entscheidungen folgen müssten. „Eins ist klar, das Geld kommt vom Verbraucher“, so Schwarz.
Bentkämper: "Betriebe sind sonst unwiederbringlich weg"
Landfrauenpräsidentin Petra Bentkämper warnte davor, zu lange zu warten. „Die Betriebe die aufhören, sind unwiederbringlich weg“, so Bentkämper. Die Landwirtschaft stehe genau vor dem gleichen Problem wie die regionalen und mittelständischen Verarbeitungs- und Schlachtunternehmen. Wenn die erstmal weg sind, sei es schwierig da wieder etwas aufzubauen, so Bentkämper.
Müller: "Der bisherige Weg ist der teuerste"
Ähnlich äußerte sich der Chef der Verbraucherzentralen Klaus Müller: „Ich erwarte von dieser Bundesregierung, dass sie das Geld zur Verfügung stellt. In dieser Legislaturperiode muss mehr Geld fließen, um die Gemeinwohlleistungen auf den Höfen zu finanzieren“, so Müller. Der Verbrauchervertreter warnte vor einer Diskussion, ob sich Verbraucher das leisten können. „Der bisherige Weg ist der teuerste, denn ich sehe die vielen Kosten, die er verursacht nicht am Preisschild, aber ich zahle ihn ja mit“, sagte Müller.
Lemke und Özdemir für gemeinsamen Kurswechsel in der Agrarpolitik
Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundesagrarminister Cem Özdemir hatten am Mittwochmorgen zur Eröffnung des Agrarkongresses ihre Zusammenarbeit für einschneidende Veränderungen in der Landwirtschaft in Deutschland angekündigt. Agrarminister Özdemir will noch in diesem Jahr eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung vorlegen. Zudem sollen Investitionshilfen für den Stallumbau an eine Verringerung der Gesamttierbestände geknüpft werden.
Umweltministerin Lemke kündigte bis Ostern ein Aktionsprogramm für den Klimaschutz an, in dem auch der Moorschutz geregelt werden soll. Für die Landwirtschaft will sie alternative Bewirtschaftungsmöglichkeiten auf Moorflächen attraktiv machen. Zudem will sie eine deutliche Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes erreichen.
Die Finanzierung der Maßnahmen ließen beide offen. Dazu sei die neue Bundesregierung in Gesprächen. Allerdings versprachen beide, dass ihnen bewusst sei, dass Geld für die Honorierung von Umwelt-, Klimaschutz- und Tierschutzleistungen auf den Höfen ankommen müsse. Die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) hatte im Sommer 2021 einen jährlichen Bedarf von sieben bis elf Millarden € pro Jahr ausgerechnet, damit die Landwirtschaft mit mehr Klimaschutz, Biodiversität und Tierwohl auch Geld verdienen könne.