Dieser Artikel erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Leere Ställe, geschlossene Schlachthöfe: Man könnte meinen, die drastische Reduktion der Fleischwirtschaft in Deutschland wäre besiegelt. Doch die Branche tritt die Flucht nach vorne an – trotz erneuter politischer Nackenschläge: Brüssel zwingt jetzt sogar kleinere Schweinehalter zu teurem Immissionsschutz.
Berlin hat zwar das Baurecht beim Stallbau vereinfacht, beim Umweltrecht hakt es aber weiter. Zudem dürfte nach dem Aus der Borchert-Kommission und dem 60-Mrd.-€-Haushaltsloch klar sein, dass der Staat nicht für mehr Tierwohl zahlt. Und die meisten Verbraucher auch nicht. Die politischen Zeichen stehen somit auf Bestandsabbau und Schlachthofschließungen.
"Gutes aus Deutscher Landwirtschaft"
Gepaart mit Anfeindungen von Fleischgegnern hat das insbesondere Schweinehalter sowie Verarbeiter in Schockstarre versetzt. Sie wirkten hilflos. Das scheint sich gerade zu ändern. Getreu dem Motto „Selbst ist die Branche“ bäumt sie sich auf. Sie stemmt sich gegen den drohenden Strukturbruch. Und geht dabei mutig mit Eigeninitiative voran – und zwar ganz ohne Politik:
Mit dem Logo „Gutes aus Deutscher Landwirtschaft“ soll es im kommenden Jahr ein Herkunftskennzeichen Deutschland auf Lebensmitteln geben. Das fordern Landwirte schon lange, die Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft hat sich jetzt darauf verständigt. So sollen Verbraucher auf einen Blick erkennen, welche Produkte aus Deutschland stammen.
Klimaplattform für CO2-Standarts
Mit einer „Klimaplattform“ will das Unternehmen Tönnies die gesamte Fleischbranche beim Megathema Klima in eine Vorreiterrolle manövrieren. Das ist die Chance, beim CO2-Fußabdruck selbst Standards zu setzen, bevor es – wie in der Vergangenheit – andere tun.
Mit der „Branchenkommunikation Fleisch“ könnte ein gut gefüllter Geldtopf entstehen, um Verbrauchern ein realistisches sowie wahres Bild von der Produktion bis zum Konsum von Fleisch zu zeigen und Anti-Fleisch-Kampagnen zu erwidern. Das kam zuletzt viel zu kurz.
Mut für die Branche
Diese drei Punkte machen Mut. Allerdings ist keiner davon gesichert: Für das „Deutschland-Logo“ muss der Lebensmittelhandel voll mitziehen und sich keine Hintertür für (günstigere) Auslandsware offenhalten. Die „Klimaplattform“ gelingt nur, wenn die ganze Branche mitmacht und Landwirte am Ende auch finanziell profitieren. Und die „Branchenkommunikation“ wird nur zum Erfolg, wenn alle in der Kette vom Erzeuger über den Verarbeiter bis zum Handel in den Geldtopf einzahlen – und nicht wie so oft nur die Bauern.
Letzte Chance?
Fazit: Landwirte und Verarbeiter nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Vielleicht sehen sie es als letzte Chance. Daher müssen sie und der Handel jetzt zeigen, dass sie es ernst meinen – und eine starke Fleischbranche in Deutschland erhalten wollen, die aber auch zu Veränderungen bereit ist. Unterstützung von der Politik dürfte es kaum geben. Es wäre schon etwas, wenn es keine weiteren politischen Nackenschläge gibt.