Eine erweiterte nationale Nutztierstrategie schlägt der Präsident des Thünen-Instituts, Prof. Folkhard Isermeyer, vor. In einem Papier sagt der Wissenschaftler voraus, dass die Forderung nach einer Reduzierung der Tierhaltung immer stärker in den Fokus der Klimapolitik rücken wird.
Ein Beleg dafür sei, dass die Ernährungswirtschaft weltweit intensiv an pflanzlichen Ersatzprodukten für tierische Lebensmittel arbeite und ihre Werbekampagnen entsprechend ausrichte. Damit sei absehbar, dass der Verbrauch tierischer Lebensmittel zwar langsam, aber stetig sinken und die Wettbewerbsfähigkeit der Tierhaltung durch klimapolitische Maßnahmen zunehmend belastet werde.
Für Isermeyer folgt daraus, dass eine Nutztierstrategie nicht allein die Tierwohlfrage lösen müsse, wie es mit den Vorschlägen der Borchert-Kommission erfolgt sei. Stattdessen gehe es darum, das Zielbündel zu erweitern: „Weniger Tiere, an den richtigen Standorten, mit deutlich mehr Tierwohl, gut planbar für die Landwirte, außerdem eine deutliche Verringerung des Verbrauchs tierischer Produkte“, beschreibt der Thünen-Präsident die Herausforderung für eine umfassende nationale Nutztierstrategie.
Nahtlos an Borchert anknüpfen
Für die Tierwohl-Komponente brauche das Rad kein zweites Mal erfunden zu werden. Vielmehr könne hier nahtlos an die Arbeiten der Borchert-Kommission angeknüpft werden, so Isermeyer, der maßgeblich am Borchert-Konzept beteiligt war.
Bislang noch keinen Plan gebe es jedoch für die Komponente „weniger Tiere, standortgerecht“. Der Thünen-Präsident schlägt vor, analog zum „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“ eine Kommission einzurichten, die sich mit einem klaren, zeitlich eng bemessenen Auftrag dem Thema „Künftige Landnutzung“ zuwendet.
In seinem Papier zur Jahrestagung des Dachverbands wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär- und Umweltforschung (DAF) Anfang Oktober in Frankfurt bedauert Isermeyer, dass sich die Politik in der laufenden Legislaturperiode nicht habe verständigen können, das Borchert-Konzept konsequent umzusetzen:
„Offenbar konnte das Ziel, den gesamten Nutztiersektor auf ein hohes Tierwohlniveau zu bringen, im politischen Raum nicht genügend Zustimmung auslösen, geschweige denn Begeisterung.“ Die Probleme für den Tierschutz und für die Landwirtschaft blieben damit weitgehend ungelöst, betont der Agrarökonom.