Unser Autor: Dr. Andreas Möller ist Buchautor und hat unter Anderem das Buch "Zwischen Bullerbü und Tierfabrik – Warum wir einen anderen Blick auf die Landwirtschaft brauchen" veröffentlicht. Zudem ist er Kommunikationschef beim Maschinenhersteller TRUMPF.
Gibt es eine „Zeitenwende“ im Meinungsbild? Auch wenn es zu Beginn der Corona-Pandemie so aussah, dass wir die Bedingungen, unter denen Landwirte produzieren, wieder stärker beachten, haben sich die öffentlichen Muster des „Status quo ante“ verfestigt.
Selbst die für viele Menschen neue Erfahrung leerer Supermarkt-Regale, also die psychologisch eingängige Rückkopplung von Weltpolitik und persönlichem Alltag, hat dies kaum verändert.
Die Landwirtschaft wird heute nicht mehr primär für ihre Leistungen in der Nahrungsmittelproduktion honoriert (die nimmt man gesellschaftlich als gegeben hin), sondern vor allem nach ihren Beiträgen zu Klimaschutz, Artenschutz, Tierwohl beurteilt, wenn man so will: eine Art bäuerliche Corporate Responsibility. Und das, obwohl wir angesichts der Mehrfach-Krisen aus Lieferkettenengpässen, Ukraine-Krieg, Inflation eigentlich diskutieren müssten, wie sich Landwirtschaft neben ihren Gemeinwohl-Leistungen noch auf ihre Kernaufgabe konzentrieren kann: die sichere Bereitstellung von Lebensmitteln nämlich.
Ähnlichkeiten zu anderen Branchen
Bei allen Unterschieden kann man darin Parallelen zu jenen Debatten erkennen, die derzeit auch in Chemie, Automobilindustrie oder Maschinenbau mit großer Vehemenz geführt werden, was die Vorgaben bei Klima, Materialien oder Lieferkettentransparenz anbelangt.
Ins Auge sticht vor allem die Diskrepanz, dass Politik einerseits versucht, die heimische Wirtschaft „zukunftsfähig“ aufzustellen, um sie im Zweifel vor den eigenen Versäumnissen zu bewahren – defacto aber einiges dafür tut, dass Produktion durch steigende Auflagen oder hohe Energiekosten unter Druck gerät.
Die entscheidende Frage, hier wie dort, lautet darum: Möchte Deutschland in Zukunft noch ein souveräner, leistungsstarker Produktionsstandort sein, der seine Abhängigkeiten überschaubar hält? Oder möchte unser Land immer mehr von dem, was es täglich konsumiert, importieren? Wohlwissend, dass Klima-, Umwelt- und Arbeitsschutz im Ausland nicht selten geringere Standards aufweisen als bei uns?
Rahmen für konkurrenzfähige Produktion
Wenn wir Produktionsland mit der bisherigen Wertschöpfungstiefe bleiben wollen, müssen wir die Voraussetzungen dafür erhalten – und die regulatorischen Vorgaben von Pflanzenschutz und Tierhaltung bis hin zur Kreditvergabe so gestalten, dass Produzenten mit Optimismus in die Zukunft blicken können. Mehr als jedes Lippenbekenntnis wäre dies auch ein konkretes Zeichen der Unterstützung des ländlichen Raums und seiner Menschen.
Vielleicht braucht es neben einer täglich heraufbeschworenen Energie- oder Nahrungswende deshalb vor allem eines: die Wende hin zu mehr Realismus im ohnehin härter werdenden globalen Wettbewerb.
Der Blick von außen zeigt, wie die Landwirtschaft von außen gesehn wird und ist nicht die Meinung der Redaktion. Wie stehen Sie dazu? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in die Kommentare oder per Mail an redaktion@topagrar.com