Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (B‘90/Die Grünen) ist es nicht ausgemacht, dass die EU-Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden (sustainable use regulation; SUR) noch vor der EU-Wahl verabschiedet wird.
Am Montagmittag sagte er auf einer Veranstaltung in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Brüssel: „Es wird sehr schwer bei der SUR in dieser Legislatur noch was hinzukriegen.“ Die Verantwortung dafür sieht er vor allem bei der Union aus CDU und CSU und ihrer europäischen Parteienfamilie der Europäischen Volkpartei (EVP).
Kritik an CDU
Die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen (CDU) habe in ihrer Behörde einen handwerklich schlechten Vorschlag ausarbeiten lassen. Die aktuellen Vorschläge würden dazu führen, dass der Anbau von Sonderkulturen in Deutschland „massiv Schaden nehmen würden“.
Özdemir will Neubewertung der SUR
Die Fragen nach Referenzjahren, Sensiblen Gebieten und Bürokratie, müssten „alle einer Neubewertung unterzogen werden“, so Özdemir am Rande des EU-Agrarministerrates in Brüssel.
„Das eigentlich Anliegen darf man nicht durch die handwerklich schlechte Arbeit diskreditieren“, so Özdemir. Er bekannte sich in Brüssel zum Ziel, 50 % der eingesetzten Pflanzenschutzmittel bis 2030 einzusparen. „Der vorgeschlagene Weg enthält jedoch viele Fehler“, resümierte der Minister.
Für diejenigen, die sowieso keine Reduzierung wollten, sei der Vorschlag der EU-Kommission eine „super Vorlage“ gewesen, so Özdemir. Das führe nun dazu, dass von der Leyens eigene Parteifreunde – die EVP-Gruppe – im Europäischen Parlament fordere, man brauche gar keine SUR-Verordnung.
Özdemir isoliert
Im Rat der EU-Agrarminister führe Özdemir nun viele Gespräche, um bei der Pflanzenschutzreduktion doch noch „eine gute Sache“ hinzubekommen. Er räumte in Brüssel ein, im Kreise seiner EU-Amtskollegen immer weniger Gleichgesinnte vorzufinden. Bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren seien mehr Minister mit ähnlichen Positionen wie Özdemir in der Runde gewesen.
Europäische Zukunftskommission?
Für den von von der Leyen angekündigten strategischen Dialog zur Landwirtschaft erhoffe sich Özdemir eine Art europäische Zukunftskommission Landwirtschaft.
„Es macht Sinn sowas zu machen. Vielleicht wäre es gut, die Kommission hätte das schon früher gemacht. Dann wäre der ein oder andere Fehler bei der Sustainable Use Regulation vermieden worden“, so Özdemir.
Worum geht es?
Um die neue Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln – die sustainable use of pesticides regulation (SUR) – ringen die EU-Institutionen schon seit mehr als einem Jahr. Das Ziel ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 zu halbieren.
Damit ein Gesetz in Kraft tritt, müssen sich die EU-Mitgliedstaaten mit dem Europaparlament und der EU-Kommission auf eine Beschlussfassung einigen. Die Verhandlungen der drei Institutionen heißen in Brüssel Trilog. Und der kann erst starten, wenn sowohl die Mitgliedstaaten als auch das Parlament eine jeweils eigene Position zum Gesetzesvorschlag der EU-Kommission formuliert haben.
Zur SUR haben weder die Parlamentarier noch die Mitgliedstaaten bislang Stellung bezogen. Das Parlament hat seine finale Abstimmung erst kürzlich nach hinten verschoben. Die ist nun frühestens im November, heißt es in Brüssel. Im EU-Parlament ist es Wieners Aufgabe, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Gruppen herzustellen.