Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) und Bundesnetzagentur Präsident Klaus Müller haben den Verbänden der Agrar- und Lebensmittelbranche zugesichert, dass sie sie bei der knapper werdenden Gasversorgung auf Berücksichtigung hoffen können.
„Wir haben die Situation im Blick“, schrieben das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) und Müller am Donnerstag im Anschluss an ein Treffen mit den Verbänden der Agrar- und Lebensmittelbranche beim Nachrichtendienst Twitter.
Für die Bundesnetzagentur stehe die Lebensmittelversorgung und der Tierschutz weit vorne, sagte BNetzA-Präsident Müller laut Teilnehmerangaben in dem Gespräch. Zusagen für eine Priorisierung bei der Gasversorgung im Falle weiterer Versorgungsengpässe habe er jedoch nicht gegeben, heißt es.
BM @cem_oezdemir und @Klaus_Mueller (BNetzA) informieren die Verbände der Agrar- u. Lebensmittelbranche über die aktuelle Lage zur #Gasversorgung. Die steckt in einer schwierigen Lage, weil derzeit weniger #Gas nach Deutschland gelangt. Wir haben die Situation im Blick. pic.twitter.com/mRSktIw5Im
— BMEL (@bmel) June 30, 2022
Das BMEL äußert sich daher nur vorsichtig. Die Bundesnetzagentur habe in Bezug auf bestimmte Branchen weder eine feste Abschaltreihenfolge entworfen, noch könne sie zusagen, dass bestimmte Branchen von Gasverbrauchsreduktionen ausgenommen werden können, antwortet das BMEL auf Anfrage von top agrar. Allerdings werde bei den Abwägungsentscheidungen Berücksichtigung finden, ob ein Unternehmen einer sog. kritischen Infrastruktur zum Beispiel der Ernährung zuzuordnen ist, sagte eine BMEL-Sprecherin. Auch die verfassungsrechtlich legitimierten Belange des Tierschutzes sollen danach eine "angemessene Berücksichtigung" erfahren.
Netzagentur kann ab Stufe 3 Gasversorgung regeln
Sobald die dritte Notfallstufe ausgerufen wird, wird die zur Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Bundeslastverteiler und kann industrielle Verbraucher vom Bezug ausschließen, falls das Gas nicht mehr für alle reichen sollte. Schon im Mai hatte die BNetzA dazu Handlungsoptionen für die Lastverteilung beim Gas formuliert. Darauf verweist die Behörde auf Anfrage von top agrar auch jetzt. Danach kann die BNetzA im Falle der Notfallstufe Maßnahmen für ganze Branchen ausrufen. Einzelverfügungen für bestimmte Letztverbraucher seien mit den aktuell verfügbaren Daten nicht möglich. Daran habe sich nichts geändert, hat es beim Treffen im BMEL geheißen, berichten Teilnehmer. Zudem steht in dem Dokument: „Die Bundesnetzagentur wird sich bemühen, dem Tierschutz besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Hierbei ist allerdings jetzt schon absehbar, dass in diesem Bereich die Eigenvorsorge der tierhaltenden Betriebe und öffentlichen Einrichtungen entscheidende Bedeutung haben wird“.
Landwirtschaftliche Betriebe relativ sicher
Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen sich wohl am wenigsten Sorgen machen, von einer Gasdrosselung betroffen zu werden. Denn sie liegen zumeist am gleichen Netz, an dem die privaten Wohnungen angeschlossen sind, erwarten Beobachter. BNetzA-Präsident Müller hatte zudem bereits in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gesagt, dass landwirtschaftliche Betriebe zum Kreis der „geschützten Kunden“, die bei der Gaszuteilung bei einer Knappheit bevorzugt versorgt werden, zählen.
Wirtschaftsministerium sendet Signal an Düngemittelhersteller
Geladen hatten Özdemir und Müller am Donnerstag nach Informationen von top agrar vor allem Verbände aus der landwirtschaftlichen Urproduktion, Fleisch- und Milchwirtschaft, Mühlen, Gartenbau und Futtermittelproduktion sowie der Lebensmittelhersteller. Nicht dabei war hingegen die Düngemittelwirtschaft.
Diese war allerdings Anfang der Woche vom Bundeswirtschaftsministerium adressiert worden. Die Stickstoffwerke Piesteritz (SKW) in Wittenberg in Sachsen-Anhalt hatten am Montag Besuch vom Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner (Grüne) aus Berlin. Dabei sagte Kellner, SKW sei systemrelevant. „Es muss und soll hier weitergehen“, so Kellner laut der Mitteldeutschen Zeitung (MZ).
Auch bei einem russischen Gasstopp soll das große Düngemittelwerk SKW in Wittenberg weiter versorgt werden. „Klar ist, es muss und soll hier weitergehen“, sagt @MiKellner. Klares Statement. Was das für andere Industriebetriebe in Sachsen-Anhalt bedeutet. https://t.co/DkmASN4p76
— Steffen Hoehne (@steffen_hoehne) June 27, 2022
Zeichen stehen überall auf Energiesparen
Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur rufen aktuell vor allem zum Gas- und Energiesparen auf. Dies gilt auch für die Wirtschaft. Auf Grund der hohen Gaspreise ist dies auch in der Lebensmittelproduktion sowieso Thema. „Sparen ist ganz wichtig und alle sind bemüht, den Verbrauch runterzufahren“; sagte Heike Harstick Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischwirtschaft gegenüber top agrar. Sie erwarte, dass der Gasverbrauch allein schon wegen der Preissignale zurück gehen werde.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte am 23. Juni die zweite Stufe des Notfallplans Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Das heißt, aktuell ist die Versorgungssicherheit gewährleistet, die Lage aber angespannt. Der Notfallplan Gas hat drei Stufen, die dritte ist die Notfallstufe.