Eine durchwachsene Bilanz der Großen Koalition zieht der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Seiner Einschätzung nach hat Schwarz-Rot im Agrarbereich zwar einige Erfolge vorzuweisen; in wesentlichen Themen sei die Regierungskoalition jedoch hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Im Interview mit AGRA-EUROPE macht Rukwied dafür in erster Linie die SPD verantwortlich. Sie sei im Bund bei der Landwirtschaft „Verhinderungs- und Blockadepartei“. Zu den unbefriedigenden Ergebnissen dieser Legislaturperiode zähle das Insektenschutzpaket, das trotz einiger Verbesserungen mit dem fehlenden gesetzlichen Vorrang für kooperativen Naturschutz nach wie vor ein gravierendes Defizit aufweise, ferner die Novelle der Düngeverordnung und deren Umsetzung sowie die ausstehenden Entscheidungen für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung. Hier sei die Politik insgesamt ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
Der DBV-Präsident bescheinigt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gute Ansätze, die sie jedoch nur teilweise mit der SPD habe umsetzen können. Erfolgreiche Arbeit habe sie insbesondere auf europäischer Ebene geleistet. Insgesamt habe Klöckner für die Bauern und Bäuerinnen einiges auf den Weg gebracht, „wenn sie nicht blockiert wurde“.
Ausdrücklich betont Rukwied die wichtige politische Rolle des DBV: „Wir sind Ansprechpartner Nummer eins, wenn es um die Vertretung der landwirtschaftlichen Belange in Berlin geht.“
Landwirtschaft im Transformationsprozess nicht überfordern
Große Erwartungen setzt Rukwied in eine künftige Regierungskoalition. Sie müsse ein klares Signal in Richtung Landwirtschaft geben und die Empfehlungen der Borchert-Kommission umsetzen. Das bedeute vor allem eine schnelle Lösung der Finanzierungsfrage. Das Borchert-Konzept bezeichnet der Bauernpräsident als Schlüssel für einen erfolgreichen Umbau der Tierhaltung.
Gut aufgestellt sieht Rukwied die Landwirtschaft in der immer wichtiger werdenden Klimapolitik. In diesem Bereich erwartet er, dass die nächste Koalition das Investitions- und Zukunftsprogramm fortführen und ausbauen wird. Dieses Programm sei entgegen aller Kritik sinnvoll und richtig, weil es die Entwicklung in eine noch nachhaltigere Landwirtschaft unterstütze.
Gut beraten sei die nächste Bundesregierung, wenn sie sich mit neuen Anforderungen an die Landwirtschaft zurückhalte. Wenn man möglichst viele Betriebe halten wolle, „darf man Landwirtschaft im Transformationsprozess nicht überfordern.“
Gelassen steht Rukwied einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen im Bund gegenüber. Die Erfahrungen im Baden-Württemberg zeigten, dass eine gute Zusammenarbeit mit den Grünen in der Agrarpolitik möglich sei. Für unabdingbar hält der DBV-Präsident die Beibehaltung eines eigenständigen Bundeslandwirtschaftsministeriums.