Ob aus wirtschaftlichen oder Tierwohl-Gründen: Der Neu- und Umbau von Ställen macht in Deutschland schon lange keine Freude mehr.
Bürgerinitiativen sind da meist das kleinere Problem. Schwerer wiegen in der Regel überbürokratische und viel zu lange Genehmigungsverfahren, teure Gutachten und die politischen Unsicherheiten, die neue Ställe und ihre Finanzierung zum Glücksspiel machen. Von den explodierenden Baukosten ganz zu schweigen.
Kein Wunder, dass der Stallneubau in den vergangenen Jahren regelrecht eingebrochen ist. Nach Erhebungen der Landwirtschaftliche Rentenbank haben im vergangenen Jahr gerade einmal 10 bis 15 % der Landwirte überhaupt in ihre Ställe investiert – ein extrem niedriger Wert.
Hennies: Völliger Stillstand beim Stallbau
Für Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies ein unhaltbarer Zustand. Beim Berliner Forum 2024 ging er deshalb am Dienstag hart mit Politik und Behörden ins Gericht. „Wir haben seit vier bis fünf Jahren einen völligen Stillstand im Bauwesen der landwirtschaftlichen Tierhaltung“, konstatierte der DBV-Vizepräsident. Selbst im Emsland seien die Schreibtische der Bauämter leer.
„Das ist eine Gefahr“, warnte Hennies, denn inzwischen redeten viele Halter nur noch von ihren „29er oder 34er Ställen“ und meinten damit das Ende ihrer Laufzeit. Der niedersächsische Bauernpräsident fürchtet, dass dies in einer neuen Aufgabewelle resultieren wird, sollte sich nicht grundlegend etwas an den Rahmenbedingungen ändern.
Landwirt Schürmann: Immer neue Hürden beim Stalumbau
Und daran krankt es gewaltig, wie Landwirt Bernhard Schürmann bestätigen kann. Er betreibt im Landkreis Cloppenburg in siebter Generation einen Agrarbetrieb und hält dort Schweine, Pferde und Puten. Schürmann will seine Putenhaltung gern tierwohlgerecht ausbauen und den Tieren über Wintergärten 20 % mehr Platz, Stroh und Außenklimareize und damit Haltungsform 3 bieten – alles mit unverändertem Tierbestand.
Im Genehmigungsverfahren trifft der Mäster allerdings immer wieder auf neue Hürden, das Projekt tritt seit zwei Jahren praktisch auf der Stelle. „Ich habe als Landwirt das Gefühl, das ist eine Zermürbungstaktik“, meint Schürmann. Er hatte sich selbst das Ziel gesetzt, seinem Sohn zur Hofnachfolge fertig genehmigte, zukunftsträchtige Ställe bieten zu können. Aktuell sehe das aber leider nicht so aus, konstatiert der Landwirt.
Er macht dafür aber auch den aktuellen gesetzlichen Rahmen im Tierhaltungskennzeichnungsgesetz verantwortlich. Hier seien bisher eben nur die Mastschweine integriert. „Mein Nachbar kann seine Erweiterung auf Haltungsform 3 mit Mastschweinen machen, wir mit Mastputen nicht“, so Schürmann.
Wenig Neues von Bauministerin Geywitz
Die Ampel ist hier im vergangenen Jahr aber ebenso wenig weitergekommen wie im Bau- und Immissionsrecht. Umso gespannter konnte man sein auf die Ausführung von Bundesbauministerin Klara Geywitz, die zum Berliner Forum eingeladen war. Viel hatte die Ministerin in dieser Hinsicht allerdings nicht mitgebracht. Stattdessen verwies Geywitz auf längst bekannte „Erfolge“ wie die Anpassung von Artikel 245 a, Absatz 6 des Baugesetzbuches, der seit Herbst 2023 den tierwohlgerechten Umbau von Ställen erleichtern soll, ohne dass dies zu sinkenden Tierzahlen führt.
„Von der baurechtlichen Erleichterung des Stallumbaus profitieren konkret die drei besten Haltungsformen, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio“, stellte die Ministerin fest. Dabei könnten Grundfläche und Höhe der Anlage soweit vergrößert werden als das zur Erhaltung des vorher zulässigen Tierbestandes nötig ist. „Wir wollen nicht, dass der Bauer weniger verdient, wenn er in Tierwohl investiert“, betonte Geywitz. Aus dem Grund sei auch ein Ersatzneubau im räumlichen Zusammenhang mit den zurückzubauenden Altanlagen zulässig.
„Grundsätzlich sehr kompliziert“
Die Bauministerin räumte dennoch ein, dass landwirtschaftliches Bauen in Deutschland nach wie vor überreguliert und „grundsätzlich sehr kompliziert“ ist. Das liege auch daran, dass Bauregelungen des Bundes und Bauordnungen der Länder, kommunale Planungsverfahren sowie das Bau- und Immissionsrecht sowie auf Bundes- und Landesebene alle mit hineinspielen.
Aber wie kann das verträglicher gestaltet werden? Geywitz plädiert für Vereinfachungen wie Typengenehmigungen, gegenseitige Anerkennung von Genehmigungen aus unterschiedlichen Ländern und den Verzicht auf Standards, die nicht zwingend notwendig sind. Nötig sei eine Anpassung dieser Regelungen, „dass es wieder Spaß macht, in Deutschland zu bauen“.
Planungssicherheit muss wieder her
Diesen Spaß verspüren die meisten bauwilligen Landwirte aber nicht, was laut Schürmann viel mit der kaum noch vorhandenen Planungssicherheit zu tun hat. Die habe 1989, als er begonnen habe, noch bei rund 15 Jahren gelegen. Heute könne man kaum noch für die nächsten zwei Jahre vorausplanen.
Hennies schlug in die gleiche Kerbe. Es könne nicht sein, dass die Anforderungen an die Haltungsbedingungen ständig weiter nach oben angepasst werden. Die Bauern müssten auch darauf vertrauen können, dass die Bedingungen für den eben aufgewerteten Stall auch dauerhaft gelten. Wenn aber Haltungsform 3 binnen zwei Jahren zu „Haltungsform 2,5 wird, dann bin ich raus“, verdeutlichte der Landvolkpräsident. Er wünscht sich daher von der Politik den „großen Wurf“ und weniger Sand im Getriebe des Tierwohlumbaus, sonst seien in den nächsten fünf Jahren weitere 20 oder 25 % der Tierhaltung aus Deutschland verschwunden.