In der vergangenen Woche haben die Abgeordneten im Umweltausschuss des Europaparlamentes ihre Position zur EU-Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (sustainable use regulation, SUR) beschlossen. Wir haben uns den Standpunkt des EU-Umweltausschusses genauer angeschaut.
Wo steht das Verfahren zur EU-Pflanzenschutzverordnung?
Was soll in den sensiblen Gebieten gelten?
Wo liegen die sensiblen Gebiete?
Gibt es Ausnahmen in sensiblen Gebieten?
Was könnten Landwirte tun, wenn es nicht zu generellen Ausnahmen kommt?
Was planen die Umweltpolitiker zum integrierten Pflanzenschutz?
Welche Reduktionsziele plant der EU-Umweltausschuss für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln?
Wer hat für den Kompromiss gestimmt und wer dagegen?
Sind noch Änderungen an der EU-Pflanzenschutzverordnung möglich?
Wie geht es jetzt weiter?
Was ist Sarah Wieners Aufgabe mit Bezug zur EU-Pflanzenschutzverordnung?
Wo steht das Verfahren zur EU-Pflanzenschutzverordnung?
Vor dem Umweltausschuss hatten bereits der Ausschuss für Landwirtschaft sowie der Ausschuss für Entwicklung eigene Stellungnahmen verabschiedet. Die Hauptverantwortung für die SUR liegt jedoch beim Umweltausschuss. Im Umweltausschuss stimmte eine klare Mehrheit von 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Kompromissvorschläge der Berichterstatterin Sahra Wiener (Grüne).
Damit ist der Weg frei für die Abstimmung im Plenum, also unter allen 705 Europaabgeordneten. Die sollen am 22. November über die finale Position des Europaparlamentes zur SUR abstimmen.
Was soll in den sensiblen Gebieten gelten?
Der ursprüngliche Plan der EU-Kommission war es in sogenannten sensiblen Gebieten jeglichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln aller Art zu untersagen. In einem nicht offiziellen Papier machte die Kommission nach heftigem politischem Widerstand Zugeständnisse: Die EU-Behörde deutete an, vom Totalverbot abzurücken.
Das will nun auch der Umweltausschuss des EU-Parlaments. Allerdings sollen Landwirte lediglich biologische Pflanzenschutzmittel (biologicals) und alle Pflanzenschutzmittel, die für den Öko-Landbau zugelassen sind, in sensiblen Gebieten nutzen dürfen.
Der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel ist laut der Stellungnahme des Umweltausschusses in sensiblen Gebieten verboten.
Die klassische „Notfallzulassung“ nicht mehr zugelassener Wirkstoffe soll in sensiblen Gebieten verboten sein.
Wo liegen die sensiblen Gebiete?
Folgende Gebiete sollen laut dem Umweltausschuss als „sensible Gebiete“ gelten:
- Alle Gebiete, die von der Allgemeinheit genutzt werden. Gesondert genannt sind zum Beispiel Parks, Gärten und Erholungsgebiete, aber auch die Flächen um Krankenhäuser und Kindergärten,
- Flora-Fauna-Habitat-, Vogelschutz- und Natura 2000-Gebiete,
- Wasserschutzgebiete,
- Sogenannte Gebiete zur Überwachung der Bestäuberpopulation, die jedoch noch nicht ausgewiesen sind. Eine Flächenkulisse könnte über das EU-Gesetz „zur Wiederherstellung der Natur“ festgelegt werden.
- Auch die Flächen aus dem CDDA-Naturschutzregister sollen weiterhin als sensibles Gebiet vom Verbot chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel betroffen sein. In Deutschland sind das unter anderem Landschaftsschutzgebiete.
Gibt es Ausnahmen in sensiblen Gebieten?
Einen generellen Freifahrtschein gibt es nur für Eisenbahnbetriebe. Die können laut dem Vorschlag des EU-Umweltausschusses „zur Gewährleistung der Sicherheit des Eisenbahnbetriebs […] Pflanzenschutzmittel auf Bahngleisen in empfindlichen Gebieten“ anwenden.
Von den strengen Auflagen für die sensiblen Gebiete planen die Umweltpolitiker des EU-Parlamentes mögliche Ausnahmen, die die EU-Mitgliedstaaten einzeln beschließen könnten. Dazu müssten sie nachweisen, dass es „keine wirtschaftlich und technisch vertretbaren Alternativstoffe zur Verwendung eines Pflanzenschutzmittels gibt“ und dass mindestens eines dieser Ziele erreicht wird:
Was könnten Landwirte tun, wenn es nicht zu generellen Ausnahmen kommt?
Würde ein Mitgliedstaat keine generellen Ausnahmen für bestimmte Pflanzenschutzmittel und bestimmte sensible Gebiete schaffen, sehen die Umweltpolitiker auch Lösungen für den Einzelfall vor.
Landwirte, die zukünftig chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel in den sensiblen Gebieten ausbringen wollen, sollen dann nicht nur einen Einzelfall-Antrag bei einer Behörde stellen müssen, sondern den Einsatz des Pflanzenschutzmittels am Feldrand kenntlich machen.
Was planen die Umweltpolitiker zum integrierten Pflanzenschutz?
Angelehnt an den Vorschlag der EU-Kommission fordert auch der EU-Umweltausschuss den integrierten Pflanzenschutz als Pflicht für EU-Landwirte. Dazu gehört laut dem Verordnungsvorschlag etwa eine Dokumentationspflicht zu den Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes sowie zum Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln.
Welche Reduktionsziele plant der EU-Umweltausschuss für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln?
In den Landstrichen, die nicht als sensible Gebiete gelten, sollen Landwirte weiterhin chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel einsetzen können.
Doch auch hier sollen die Mitgliedstaaten Mengen reduzieren. Die Frage ist jedoch, welche Mengen an Pflanzenschutzmitteln sie einsparen sollen. Die Kommission will eine Halbierung „von Verwendung und Risiko chemischer Pflanzenschutzmittel“ bis 2030 mit separaten nationalen Zielen.
Wer hat für den Kompromiss gestimmt und wer dagegen?
Der von Wiener ausgehandelte Kompromiss zur SUR-Verordnung fand im Umweltausschuss eine klare Mehrheit von 47 zu 37 Stimmen bei zwei Enthaltungen.
Ein in Teilen gegensätzlicher Antrag zur SUR bekam jedoch vor wenigen Wochen im Agrarausschuss des Europaparlamentes ebenfalls eine klare Mehrheit von 26 zu 9 Stimmen bei drei Enthaltungen.
So stimmten etwa alle Sozialdemokraten im Agrarausschuss dafür, die SUR deutlich abzuschwächen, im Umweltausschuss folgen die Sozialdemokraten hingegen geschlossen Wieners Linie. Ein gleiches Bild zeigt die liberale Renew-Gruppe (u.a. FDP und Freie Wähler).
Sind noch Änderungen an der EU-Pflanzenschutzverordnung möglich?
Dass es im Laufe des EU-Gesetzgebungsverfahrens noch zu Änderungen am Vorschlag des EU-Umweltausschuss ist nicht nur möglich sondern sogar wahrscheinlich. Im EU-Parlament gehen die Meinungen zur SUR auseinander.
Wie geht es jetzt weiter?
Klar ist, dass die EU-Abgeordneten am 22. November über ihre finale Position zur SUR abstimmen werden. Vermutlich wird der hier beschriebene Vorschlag des EU-Umweltausschuss jedoch nicht ohne weiteres eine Mehrheit finden.
Damit ein EU-Gesetz in Kraft tritt, muss das Parlament einen Kompromiss mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten aushandeln. Auch in den sogenannten Trilogverhandlungen könnte es noch zu größeren Änderungen kommen.
Was ist Sarah Wieners Aufgabe mit Bezug zur EU-Pflanzenschutzverordnung?
Wiener kommt als Berichterstatterin die Aufgabe zu, mit den politischen Gruppen im Umweltausschuss mehrheitsfähige Änderungsvorschläge am Verordnungsentwurf der EU-Kommission auf den Weg zu bringen. In diesen sogenannten Kompromissvorschlägen hat Wiener eine Reihe der insgesamt 2959 Änderungsanträge der Abgeordneten im Umweltausschuss zusammengefasst.
Steht die Position des EU-Parlamentes nach der Plenarabstimmung (vrs. Ende November), wird Wiener als Chefverhandlerin des Parlaments im Trilog mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission einen finalen Kompromiss zur SUR aushandeln, der dann in Kraft tritt.