Die Landwirtschaft ist der „problematischste“ Bereich in den Gesprächen um ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union. Das hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck durchblicken lassen. Er schlägt daher vor, den Bereich zunächst auszuklammern und sich auf den Industriesektor zu konzentrieren.
Habeck war in Indien zu einer regionalen Wirtschaftskonferenz und Teil einer hochrangigen Delegation, die bessere Handels- und Geschäftsbeziehungen zwischen zwei der größten Volkswirtschaften der Welt aufbauen will, berichtet Reuters.
Agrarsektor beider Regionen nicht vergleichbar
Die Landwirtschaft ist jedoch ein problematischer Bereich, da es in Indien und Deutschland große Unterschiede hinsichtlich der Zahl der im Agrarsektor tätigen Menschen gibt, sagte er Reportern. Während in Deutschland nur noch 2 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig sind, sind es in Indien etwa 60 %.
„Man kann die beiden Agrarsysteme also nicht vergleichen. Wenn man die Märkte vollständig öffnen würde, wäre die Störung des indischen Marktes enorm“, sagte Habeck. Es wäre schneller, reibungsloser und praktischer, sich stattdessen auf den Industriesektor zu konzentrieren.
Obwohl dies „nicht im Einklang“ mit dem steht, was die EU normalerweise tut, könnte eine „Abkürzung“ der richtige Weg sein, da die Zusammenlegung von Landwirtschaft, Dienstleistungen und Industrie dies erschwert, fügte Habeck hinzu.
Indien besorgt wegen möglicher Folgen
Indien scheut eine Öffnung der landwirtschaftlichen Märkte. Die Sorge der Regierung in Neu-Delhi, bei Fragen der Ernährungssicherheit die Souveränität zu verlieren, zeigte sich auch bei der 13. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die ohne maßgebliche Ergebnisse zu Ende ging. Indien war in Abu Dhabi maßgeblich am Scheitern einer Initiative zur Ernährungssicherheit beteiligt. Dabei war es um Fragen der staatlich subventionierten Vorratshaltung von Agrarprodukten gegangen.
Riesiges Potenzial
Exporteure von Agrarprodukten und Lebensmitteln schauen mit Interesse auf den indischen Markt. Er bietet aufgrund der großen Bevölkerungszahl von schätzungsweise rund 1,4 Mrd. Menschen zwangsläufig ein großes Potenzial. Derzeit schrecken hier aber vor allem die Komplexität der Vorschriften und erhebliche Tarifnachteile ab, berichtet AgE.
Nach Angaben des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) belief sich der Gesamtumsatz des indischen Lebensmitteleinzelhandels im Jahr 2023 auf umgerechnet schätzungsweise 660 Mrd. €. Er dürfte Marktexperten zufolge in den nächsten Jahren im Schnitt um jeweils 10 % zulegen.
Indiens Ernährungsindustrie erwirtschaftete dabei im vergangenen Jahr laut FAS einen geschätzten Gesamterlös von umgerechnet rund 310 Mrd. €. Dieser soll allein bis 2028 auf mehr als 500 Mrd. € steigen.
Abkommen sollte längst stehen
Indien und die EU einigten sich im Jahr 2022 darauf, die Gespräche über ein Freihandelsabkommen wieder aufzunehmen, mit dem ursprünglichen Ziel, die Gespräche bis Ende 2023 abzuschließen. Bislang haben sie jedoch keine nennenswerten Fortschritte bei dem Abkommen erzielt, wobei Indien die von der EU festgelegten „irrationalen“ Standards als einen der Gründe dafür anführt.
Wir müssen ambitionierter sein
Der Besuch der Delegation kommt zu einem heiklen Zeitpunkt für Deutschland, dessen exportorientierte Wirtschaft vor einem zweiten Jahr der Rezession steht und das sich Sorgen über einen Handelsstreit zwischen der Europäischen Union und China macht, der auf deutsche Unternehmen zurückfallen könnte.
Bundeskanzler Olaf Scholz, der mit den meisten seiner Kabinettsmitglieder reist, wird am Freitag Gespräche mit dem indischen Premierminister Narendra Modi führen, bevor er die siebte Runde der indisch-deutschen Regierungskonsultationen leitet.
Beide Seiten wollen ein Abkommen
Bei seinem letzten Besuch in Indien im Februar 2023 sagte Scholz, er und Modi seien entschlossen, ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU abzuschließen.
Das Indien für im Agrarsektor tätige Firmen trotz seiner Größe kein leichtes Geschäft ist, zeigt das Beispiel Claas: