Deutliche Kritik an der Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) hat der Wettbewerbs- und Kartellrechtsexperte Prof. Rainer Lademann geübt. Aus seiner Sicht verfügen die „Big Four“ - Edeka, Rewe, Lidl und Aldi - über eine marktbeherrschende Stellung.
Bereits 2021 habe ihr Gesamtumsatzanteil im LEH bei 85,5 % gelegen. Diese Konzentration habe dazu geführt, dass es keinen reellen Wettbewerb mehr gebe, erklärte Lademann bei einer Veranstaltung des Agrar- und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland (AEF) in Essen.
Lieferanten hätten so gut wie keinen Spielraum mehr. Der Wettbewerbs- und Kartellrechtsexperte verwies dazu auf Zahlen aus der Studie „Marktbeherrschung im Lebensmitteleinzelhandel?“, in der 156 Unternehmen zu den Auswirkungen der Konzentration im LEH befragt wurden. Darin hätten rund 90% der Hersteller angegeben, dass der Verlust eines dieser großen Handelsunternehmen für sie existenzgefährdend sein könnte.
Als „perfide“ wertete Lademann Berichte, wonach der Lebensmitteleinzelhandel vorgestellte innovative Produktionsansätze einzelner Unternehmen auf die lange Bank schiebe, zwischenzeitlich die Innovation kopiere und über seine Handelsmarken dann in den Verkauf gebe.
Marktbeherrschung anerkennen
Gleichzeitig übte der Experte deutliche Kritik am Bundeskartellamt. Dieses habe bis heute die Marktbeherrschung nicht anerkannt und gehe nicht dagegen vor. Auch von einer gerichtlichen Klage habe die Behörde bislang abgesehen, kritisierte Lademann.
Aus seiner Sicht funktioniert das 2021 in Kraft getretene Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG), das unfaire Handelspraktiken verhindern solle, „eher nur eingeschränkt“. Der Hochschulprofessor mahnte hier Anpassungen beziehungsweise eine Korrektur an. Aus Angst vor einer Auslistung verzichteten viele Lieferanten auf eine Klage, obwohl sich der LEH nicht rechtskonform verhalte.
Der AEF-Vorsitzende Sven Guericke befürchtet für die Zukunft aufgrund des vom Handel ausgeübten Preisdrucks und dessen Erwartungen an die Lieferanten eine noch stärkere Konzentration auf Erzeugerseite. „Der Strukturwandel der Branche ist auch hier bedauerlicherweise durch Konsolidierungsprozesse bestimmt. Eine immer kleiner werdende Zahl von Handelsunternehmen übe damit immer größeren Einfluss auf die Wertschöpfungsketten des Agribusiness-Sektors aus, sagte Guericke. Er monierte, dass hohe Auflagen sowie Einkommens- und Sozialstandards hierzulande dann häufig zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland führten.