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Warsteiner wirbt um junge Käufer – aber die Kundschaft bleibt alt

Viel Fernsehwerbung sollte den Abstieg von Warsteiner stoppen. Doch der Effekt droht zu verpuffen. Die Käuferschaft bleibt vergleichsweise alt und preissensibel. Ein Standort steht vor der Schließung.

Lesezeit: 6 Minuten

Es ist eine Szene, wie sie sich Fernsehwerber eben erdenken: Ein junger Mann steigt in einen Kühlschrank voller Warsteiner-Bier. Wie durch ein Portal zu einer anderen Welt landet er erst auf einer Kostümparty, dann auf einem Grillfest, lässt aus einer Konfettikanone Glitzer regnen. Man spürt Jugendlichkeit, Modernität, eine Leichtigkeit, wie sie zum Beispiel Jägermeister wieder in Mode gebracht hat.

Der Fernsehspot hatte zum Super Bowl im vergangenen Jahr Premiere. Er ist Teil einer beispiellos teuren Werbeoffensive der Warsteiner-Brauerei: Daten von Nielsen zeigen, dass das Unternehmen allein in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres vor Rabatten 45 Mio. € für Werbung ausgegeben hat. Der Zweitplatzierte im Werberanking, Krombacher, kommt gerade mal auf 26,5 Mio. €.

Absatzsteigerung 2023 war nur Momentaufnahme

Warsteiner-Geschäftsführer Helmut Hörz will mit all dem Geld offenkundig Aufbruchstimmung vermitteln, letztlich zurück zu alter Stärke: zurück in den Olymp der großen Fernsehbiere in Deutschland. Und der Glitzer und die Leichtigkeit verfangen zunächst durchaus: Der Absatz der Marke Warsteiner steigt im vergangenen Jahr gegen den Trend.

Mittlerweile aber wirkt es, als könnte der Effekt verpuffen: Im ersten Halbjahr 2024 rutscht die Stammmarke Warsteiner laut Nielsen IQ wieder ins Absatzminus (− 1,2 %). Vom Volumen der mit 6 Mio. Hektolitern jährlichem Ausstoß einmal stärksten deutschen Biermarke ist ohnehin nur noch rund ein Drittel übrig.

Verjüngungskur gescheitert

Was dem Management in Warstein mit Blick auf die Zukunft noch mehr Sorgen bereiten dürfte: Die Verjüngungskur ist offenbar gescheitert. Aktuelle Daten des Marktforschungsunternehmens GfK zeigen, was Getränke- und Lebensmitteleinzelhändler aus ihrem Arbeitsalltag längst wissen: Jeder zweite Kasten Warsteiner geht an einen Kunden im Alter von mehr als 60 Jahren. Unter den großen Biermarken hat nur Radeberger eine ähnlich alte Kundschaft.

Bei Warsteiner kommt die Sparsamkeit der Käufer noch hinzu: 81 % aller Halbliterkästen der Biermarke kauften die Kunden laut GfK im ersten Halbjahr 2024 zu Promotionpreisen. Und der Durchschnittspreis solcher Aktionen liegt bei nur rund 10 €, manchmal sogar darunter – also an einer Preisschwelle, die Brauer schon vor den Kostensteigerungen durch Corona und Ukraine-Krieg als toxisch bewerteten. Bei preisaggressiven Aktionen konkurriert Warsteiner mittlerweile mehr mit der Marke Beck’s als mit Krombacher, Veltins oder Bitburger, die sich ein besseres Preisniveau erarbeitet haben.

Und beim regulären Regalpreis hinkt Warsteiner auch Beck’s weit hinterher, wie aktuelle Daten des Preisvergleichsanbieters Smhaggle zeigen. Problematisch, auch wenn sich der 0,33-Liter-Kasten positiv entwickelt: Dessen Aktionshäufigkeit nahm seit dem ersten Halbjahr 2022 um mehr als 10 Prozentpunkte ab.

Nach der Wende: Warsteiner wurde überhöht wahrgenommen

Dass die Warsteiner-Brauerei nach ihrer Rolle im Markt sucht, ist keine neue Geschichte. Die goldene Ära der 1990er-Jahre ist lange vorbei. Einer der dabei war, beschreibt es so: „Es gab Jahre mit einer halben Million Hektoliter Plus bei Warsteiner. An den Rampen haben die Lkw 36 Stunden auf Ware warten müssen. Alle waren heiß auf diese Marke.“ Auch in den neuen Bundesländern waren Westbiere nach der Wiedervereinigung gefragt. „Man könnte sagen, dass Warsteiner überhöht wahrgenommen wurde“, sagt der erfahrene Brauereimanager.

Doch irgendwann kam der Abstieg. Werte änderten sich. Die Werbung des Brauers wirkte im Vergleich zur Konkurrenz altbacken und verfehlte ihre Wirkung bei jüngeren Konsumenten: Das glänzende Gold der Warsteiner-Welt passte nicht mehr zur „Geiz ist geil“-Mentalität der Nullerjahre.

Führungspersonal oft ausgetauscht

Seit dem Tod des einflussreichen Firmenpatriarchen Albert Cramer im Jahr 2012 versucht Tochter Catharina Cramer als alleinige Gesellschafterin das Ruder herumzureißen. Ganze vier Mal hat sie das Führungspersonal ausgetauscht: Weder der Red-Bull-Manager Martin Hötzel noch die GfK-Vorständin Alessandra Cama oder der Roland-Berger-Berater Christian Gieselmann lenkten Warsteiner nachhaltig in die Erfolgsspur.

Immerhin schon seit dem Jahr 2021 setzt Cramer auf den früheren Homann-Feinkost-Chef Helmut Hörz als CEO. Unter ihm kehrte zeitweise Kontinuität ein. Mittlerweile aber herrscht wieder viel Kommen und Gehen: Kürzlich kehrte mit Uwe Albershardt der Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der Brauerei den Rücken. Auch die kaufmännische Leiterin Manuela Hemp und die Personalleiterin Dagmar Borren gehen.

Berater leiten Finanzen und Controlling

Vor allem auf den Weggang von Hemp blicken Beobachter sehr interessiert. Hörz nämlich hatte die Finanzexpertin selbst von Homann zu Warsteiner geholt. Sie gilt als seine Vertraute. Und nun führen ausgerechnet Berater kommissarisch die Abteilungen Finanzen und Controlling – Experten des Unternehmens RSM Ebner Stolz, das auch Restrukturierung beherrscht.

Mittlerweile wirkt es, als würden die Berater nicht lange fackeln: Gerade ist bekannt geworden, dass Warsteiner einen Standort im schwäbischen Thannhausen aufgibt. Der Betrieb gehört zur König-Ludwig-Schloßbrauerei Kaltenberg, ein Joint Ven­ture mit dem Unternehmer Luitpold Prinz von Bayern.

Mit Marken wie Postbräu ist Thannhausen eher ein kleines Licht im Warsteiner-Universum. Und doch löst die Schließung in der Branche hämische Kommentare aus: Hörz’ Turnaround-Mission sei gescheitert, glauben Insider aus dem Schritt ablesen zu können. Und es keimt der übliche Verdacht: Hörz, der neben seiner Tätigkeit bei Homann und Alete auch drei Jahre im Edeka-Vorstand vorweisen kann, fehle es an Erfahrung in der Brauindustrie.

Basisabsatz wächst

Das Warsteiner-Management selbst will von Untergangsstimmung nichts wissen. Und tatsächlich steht beispielsweise Albershardt-Nachfolger Raphael Rauer für Aufbruch. Der ehemalige AB-Inbev- und Paulaner-Manager fasst den Zustand seines neuen Arbeitgebers gegenüber der Lebensmittel Praxis so zusammen: „Wir wollen nicht wegdiskutieren, dass es der Marke Warsteiner nicht gut geht. Wir sind aber fest entschlossen, diese Entwicklung zu verändern.“

Und es gebe positive Signale, sagt der Vertriebs- und Handelsgeschäftsführer der Haus-Cramer-Gruppe, wie sich die Warsteiner-Brauerei mittlerweile nennt. So sei Warsteiner derzeit die einzige Biermarke, die im Basisabsatz wachse. Gemeint ist damit der Abverkauf, der nicht mit Aktionen realisiert wird.

Logistiktochter läuft

Rauer sieht außerdem Chancen durch neue Geschäftsmodelle, die beispielsweise Warsteiners Logistiktochter Boxx Intermodal Logistics erschließt: Das Unternehmen bietet Bahnstrecken für containerfähige Güter an.

Auch durch die eigenständige Einkaufsgesellschaft EBSA mit dem Wettbewerber Karlsberg oder Kooperationen mit der Paderborner Markenschmiede MBG (unter anderem Salitos, Effect) sieht Rauer die Haus-Cramer-Gruppe gestärkt. „Wir werden in zehn Jahren viel weniger abhängig sein von Bier“, sagt der Manager. Wie genau die Produktwelt der Unternehmensgruppe dann aussehen wird, könne man noch nicht sagen. Aber alkoholfreie Getränke und bierähnliche Produkte bieten nach Ansicht von Rauer viele Chancen.

Markt schrumpft

Bislang aber ist das Kerngeschäft der Bierverkauf – ein Geschäft mit einem schrumpfenden Markt: „Auffallend ist, dass die Käuferreichweite von Pils bei den unter 30-Jährigen massiv eingebrochen ist. Es gibt viele Haushalte, die überhaupt kein Bier mehr kaufen“, sagt ein ehemaliger Warsteiner-Manager. Die Frage sei, wie weit es noch nach unten gehe.

Um im schwindenden Markt seine Betriebe auszulasten, setzt Warsteiner-Chef Hörz auch auf das Lohnabfüll- und Lizenzgeschäft. Viel Wert bringt das nicht ein, wissen Kenner der Branche. „Das ist ein schönes Zubrot, das aber das Markengeschäft nie ersetzen wird“, sagt denn auch Rauer.

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