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Argentinien: „Wir könnten die Produktion von Getreide und Soja verdoppeln!“

Argentinien will deutlich mehr Getreide und Soja produzieren. Exporteure fordern dafür mehr freien Markt von der Regierung. Europa verliert als Abnehmer an Bedeutung.

Lesezeit: 5 Minuten

Als Präsident Javier Milei im Dezember 2023 sein Amt antrat, versprach er eine Öffnung der Wirtschaft, Steuersenkungen, den Abbau von Exportbeschränkungen und ein Ende des chronischen Haushaltsdefizits. Das war Musik für den Agrarsektor, der immerhin zwei Drittel aller argentinischen Exporte ausmacht.

Und tatsächlich gab es gleich nach Amtsantritt konkrete Fortschritte, wie die Aufhebung des Exportverbots für bestimmte Rindfleischsorten oder die Auflösung der Weizen- und Öltreuhandgesellschaften, die vor allem mehr Bürokratie für die Produzenten bedeuteten. Da sich Argentinien jedoch in einer tiefen Wirtschaftskrise mit hoher Inflation und hoher Verschuldung befindet, blieben die gravierendsten Beschränkungen bestehen:

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  • hohe Exportsteuern auf wichtige ­Agrarprodukte,

  • niedrigere Dollar-Wechselkurse für Agrarexporte,

  • importierte Betriebsmittel werden ­zusätzlich besteuert.

Bis zu 33 % Exportsteuer

Den größten Schaden für Farmer und Exporteure richten die Ausfuhrzölle an. Sie liegen zwischen 7 % und 33 % für Sojabohnen, Weizen, Mais, Sonnenblumen oder auch Mehl, Öle. Rindfleisch wird mit 9 % besteuert. „Die Exportsteuer ist eine Katastrophe, die es so nirgendwo auf der Welt gibt“, sagt José Martins, Präsident der Getreidebörse von Buenos Aires und Vertreter des argentinischen Agrarindustrierates, in dem mehr als 60 Branchen zusammengeschlossen sind. Er kritisiert die unsichere Agrarpolitik der Regierung und fordert neben der Senkung der Exportzölle auch endlich einen einheitlichen Wechselkurs zum Dollar.

Farmer Elvio Guía erklärt, wie das funktioniert: „Wenn ein Händler beim Export von Soja einen Dollar einnimmt, muss er ihn zum offiziellen Kurs von derzeit 999 Peso tauschen. Auf dem freien Markt würde er aber 1.385 Peso bekommen, also fast 40 % mehr.“ Das trifft die Agrarbranche hart, denn Händler sind verpflichtet, Devisen bei der Zentralbank immer in Peso zu tauschen, um die Währung zu stützen, erklärt Guía.

Die Landwirte sind überzeugt, dass Argentinien durch die Beschränkungen sein landwirtschaftliches Potenzial bei Weitem nicht ausschöpft. Die vielen staatlichen Hürden ärgern auch den Produzenten und Präsidenten der argentinischen Landwirtschaftsverbände Carlos Castagnani: „In den letzten 20 Jahren hat unser Sektor 200 Mrd. US-Dollar an Steuern eingebracht. Wo ist das Geld geblieben?“ Die Infrastruktur sei kaputt und es fehlten Häfen und ordentliche Landstraßen. „Ohne Exportzölle könnten wir die Getreideproduktion in einigen Jahren verdoppeln“, behauptet er.

China first, EU second?

Ob diese Steigerungen wirklich kommen, ist offen. In diesen Zukunftsplänen spielt Europa als Abnehmer von Agrarrohstoffen jedenfalls nur noch eine Nebenrolle: „Europa verliert für Argentinien im Vergleich zu Indien oder China an Bedeutung“, sagt Marcelo Elizondo, Präsident für Argentinien und Generaldirektor für Lateinamerika der Internationalen Handelskammer. Er erklärt das u. a. mit den „anspruchsvollen Umweltanforderungen“, die Europa stellt und den Handel verkomplizieren.

Die ehemalige Außenhandelsministerin Marisa Bircher sieht das differenzierter: „Wir brauchen mehr Produktion, um sowohl Asien als auch Europa zu bedienen.“ Argentinien könne die Umweltvorschriften durch den Green Deal der EU und die entwaldungsfreien Lieferketten erfüllen, müsse diese aber auch zügig zertifizieren lassen. Länder wie Brasilien hätten da deutlich mehr Schwierigkeiten, meint sie.

Dem pflichtet auch der ehemalige argentinischer Botschafter in der EU Diego Guelar bei: „Wir könnten sofort deutlich mehr in den asiatisch-pazifischen Raum exportieren, wenn wir wollten!“ Europa sei zwar kein Wachstumsmarkt, aber es gebe verlässliche Kontingente für Rindfleisch von 29.500 t pro Jahr und eine stabile Sojanachfrage, erklärt er.

Optimistisch für Ernte 2024/25

Generell blicken die argentinischen Farmer derzeit optimistisch auf die Saison 2024/25. Die Winterkulturen Weizen und Gerste wurden nach Schätzungen der Börse von Rosario auf einer Fläche von 6,7 Mio. ha unter guten Bedingungen ausgesät. „Wir haben etwa 400.000 ha mehr Weizen und 50.000 ha mehr Gerste ausgesät“, bestätigt Eugenio Irazuegui, Marktanalyst bei der Getreidehandelsfirma Zeni. Bei der Ernteprognose ist er noch zurückhaltend:

„Das hängt vom Wetter ab. Bei durchschnittlichen Erträgen von etwa 30 dt/ha können wir zwischen 19 und 21 Mio. t Weizen ernten.“ Das wäre weniger als die 23 Mio. t von 2022/23, aber fast 6 Mio. t mehr als die 14,5 Mio. t der letzten Ernte (siehe Übersicht). Für den Export verblieben somit 13 bis 14 Mio. t Weizen.

Kommt La Niña?

Beim Mais laufen die Planungen noch. Die Aussaat beginnt erst Ende August und viele Landwirte haben noch die Zikaden-Plage „La Chicharrita“ aus dem Vorjahr in Erinnerung, die das Bakterium Spiroplasma verbreitete und mehr als 10 % der Ernte vernichtete. Kein Wunder also, dass die Farmer in der neuen Kampagne mehr Sorghum anbauen wollen. Auch die Anbaufläche von Soja könnte steigen, weil die Bohne weniger Kapital erfordert. Beides ginge zulasten der Maisfläche.

Die argentinischen Landwirte tun sich 2024 mit ihrer Entscheidung besonders schwer, weil sehr gleich mehrere Dinge verunsichern:

  • Die Witterung steht auf der Kippe. Meteorologen sehen das Wetterphänomen La Niña aufziehen, das das Dürrerisiko erhöht. Die Börse von Rosario beziffert die Wahrscheinlichkeit bisher noch auf knapp unter 50 %.

  • Die internationalen Preise für Mais und Soja sind derzeit volatil und fallend. Argentinien ist am Weltmarkt nicht preisbestimmend und die Landwirte können nur mit aktuellen Preisen von 390 US-Dollar pro t Soja und etwa 160 US-Dollar pro t Mais kalkulieren.

  • Es gibt keine klaren Signale der Regierung zu den Ausfuhrzöllen und Wechselkursen.

Der Farmer Elvio Guía sagt: „Wir warten im Moment ab, ob die Regierung die Zölle auf Mais senkt oder wir auf Sorghum umsteigen.“

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