Vorläufigen Berechnungen zufolge produzierte die österreichische Landwirtschaft 2022 Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 10,4 Mrd.€. Der starke Anstieg zum Vorjahr (+22 %) resultierte aus höheren Erzeugerpreisen (+22,7 %), während das Produktionsvolumen leicht rückläufig war (-0,7 %), wie die Statistik Austria am Donnerstag bekannt gab. Das landwirtschaftliche Faktoreinkommen je Arbeitskraft stieg dabei, wie aus der zweiten Vorschätzung der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung hervorgeht, gegenüber dem Vorjahr real um fast ein Fünftel (+19,6 %).
Kein Grund zum Jubeln
Einen sprunghaften Anstieg verzeichneten auch die Aufwendungen der Landwirtschaft für Vorleistungen, welche auf rund 6,1 Mrd. € geschätzt wurden (+24,3 %). Das durchschnittliche Preisniveau der eingesetzten Vorleistungen stieg dabei um 27,5 %, mit massiven Preissteigerungen insbesondere bei Düngemitteln, aber auch bei Futtermitteln und Energie.
"Das Einkommensplus 2022 war dringendst notwendig und ein kurzfristiges Luftholen, es ist aber keinerlei Indiz dafür, wie es um die aktuelle Situation und das Verdienstniveau der Bauern wirklich bestellt ist. Dass laufend Betriebe ihre Hoftüren für immer schließen, zeigt, wie sehr die Branche unter Druck steht und welch finanzieller Aufholbedarf existiert", betont Landwirtschaftskammer (LK) Österreich-Präsident Josef Moosbrugger.
Landwirtschaftliches Einkommen auf dem Niveau von 2007 und 2011
Das Einkommen in der Landwirtschaft liege auf dem Niveau der Jahre 2011 oder 2007. "Damit waren die letzten 15 Jahre von Stagnation geprägt. Die Kaufkraft je Einwohner ist hingegen kontinuierlich gestiegen", erklärt Bauernbund-Präsident Georg Strasser.
Beide Bauernvertreter verweisen darauf, dass andere Berufsgruppen auf monatlich stabile Löhne vertrauen können, die in Abhängigkeit von Inflation und Wirtschaftswachstum jährlich angepasst werden. Bauern hätten nicht nur die Unsicherheiten der Witterung, sie seien auch im entscheidendem Maße den internationalen Marktentwicklungen und einer ständigen Achterbahnfahrt von Kosten und Preisen ausgesetzt. "Seit Ausbruch von Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine haben viele bäuerliche Familienbetriebe dramatische Absatzeinbrüche und Kostensteigerungen erlebt und wir hatten alle Hände voll zu tun, diese Höfe in der Produktion zu halten", sagt Moosbrugger.
Landwirtschaft nicht für Preissteigerungen verantwortlich
Während landwirtschaftliche Erzeugerpreise, etwa bei Getreide, bereits wieder um ein Drittel gesunken sind, bleiben die Kosten, die sich auf alle Bereiche der Wertschöpfungskette niederschlagen, dauerhaft hoch. "Zudem betragen die Rohstoffkosten etwa bei Brot und Gebäck nur wenige Prozent. Wenn ein Kilo Weizen 0,25 € kostet, ein Kilo Brot aber 3,50 €", rechnet Moosbrugger vor: "Wir bräuchten in der Landwirtschaft, wie es für andere Berufsgruppen selbstverständlich ist, eine den Kosten angepasste Entwicklung der Erzeugerpreise, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Klar ist nämlich auch, dass die Anforderungen der Gesellschaft an die Landwirtschaft ständig steigen."