„Die Welt hat sich stark entwickelt – und doch sind wir am gleichen Punkt." Dieses Fazit zog Medien- und Social- Media-Expertin Jutta Zeisset bei der dritten Ausgabe vom top-Talk mit dem Titel "Was braucht es für ein cooleres Image der Branche?". Die Talkshow vom 12.12.24 wurde unterstützt von Fendt und Claas und setzte sich unter anderem mit dem Medienverhalten und dem Arbeitsaufwand für kreative Köpfe auseinander, die sich über Social Media für das Thema Landwirtschaft begeistern.
Doch wie schaffen es Agrarinfluencer aus ihrer Medienblase? Was können auch Agrarunternehmen aus modernen Werbekonzepten für die Branche mitnehmen? Und nicht ganz unwichtig – muss das viel kosten?
Video top-Talk
Person, Gemeinschaft, Berufsstand – je größer desto komplexer
Um eine breite Masse von sich zu überzeugen, gibt es verschiedene Ansätze: Man hat eine sympathische, unterhaltende oder spannende Persönlichkeit. Man macht durch eine gute Tat oder ein innovatives Projekt auf sich aufmerksam. Man spricht provokative oder konstruktive Inhalte an und berichtet über Missstände. Man unterhält durch einfache und niederschwellige Inhalte. Oder man ist bereits so lange bekannt, dass jeder einen mehr oder weniger positiven Bezug zu einem entwickelt hat. Soweit die Theorie.
Doch eine breite Masse von sich zu überzeugen, ist nicht einfach. Noch schwerer wird es, wenn man nicht als physische Person, sondern als Unternehmen oder Konzern von sich überzeugen möchte. Dreht man das Rad weiter und denkt an eine Image-Kampagne einer gesamten Berufsgruppe, wie der Landwirtschaft, wird es noch abstrakter.
Aber muss es kompliziert sein, der Allgemeinheit den Alltag und die Bedeutung einer Berufsgruppe wie Landwirten zu vermitteln? Und wie könnten Konzepte zur Umsetzung einer solchen Image-Kampagne aussehen?
Die Blase muss platzen – nur wie?
Aus einer „Blase“, also einer Gruppe an Zuschauern oder Interessenten, auch die Allgemeinheit zu erreichen, ist für kein Format, Künstler oder Themenschwerpunkt einfach. Ein Modedesigner hat, vereinfacht gesagt, wenig Berührungspunkte mit der Produktion von Batterien, ebenso wie ein Jurist, der seltener über die Zahlenlehre oder Probleme der Mathematik philosophiert. Gleiches könnte man über „den Verbraucher“ und „den Landwirten“ behaupten, doch es gibt einen zentralen Unterschied:
Während sich der Jurist wenig Meinung über Dynamiken der Zahlenlehre macht, gibt es in der breiten Masse durchaus ein verfestigtes Bild über die Landwirtschaft – und das ist nicht immer positiv. Zum Teil lässt sich das negative Bild auf unser allgemeines Konsumverhalten und die Art, wie wir Medien konsumieren, zurückführen. Kurz gesagt: Negatives verkauft sich gut. In Kombination mit wenig Hintergrundwissen, komplexen Inhalten und wenig niederschwelliger Vermittlung kann es dann schnell zu Missverständnissen kommen. Doch wie können auch positive Inhalte spannend vermittelt werden?
Viele Wege führen zur Reichweite
„Landwirtschaft ist in den sozialen Medien immer noch ein Nischenthema“, erklärte Landwirtin und Agrarinfluencerin Marie Hoffmann zu Beginn der Podiumsdiskussion. Die Frage von WDR-Moderatorin Steffi Neu, ob das Themenfeld „Landwirtschaft“ eine Strategie sei, um sich von der Masse abzuheben, beantwortete Hoffmann mit einem klaren „Nein“. Sie lebe für die Landwirtschaft und es sei ihr wichtig, ihre Zuschauer zu inspirieren und in einfachen Worten zu informieren. Nach eigenen Aussagen bestehe nur die Hälfte von Hoffmanns Followern aus Menschen mit Agrarbezug. Von ihrer zusätzlichen Reichweite durch Nicht-Follower, aber Zuschauer, ganz abgesehen.
YouTuber Hannes Kuhnwald erklärte, dass der Beruf Landwirt zu seiner Lebensgrundlage gehöre und daher nicht alles aus Spaß passiere. Doch durch das Streamen seiner Arbeit auf z. B. Twitch kann er seinen Zuschauern Themenschwerpunkte einfach und authentisch vermitteln. Die Inhalte sollen sich sowohl an interessierte „Normalbürger“ ebenso wie Ackerbau-Profis richten. „Ich glaube, ich kann damit was bewegen“, antwortete Kuhnwald auf die Frage, was ihn persönlich antreibt.
Blogger Willi Kremer-Schillings, bekannt als „Bauer Willi“, erreichte mit seinen Texten bereits mediale Aufmerksamkeit im breiteren Mainstream. Durch einen Verbraucherbrief, den er über den damaligen Blog seines Nachbarn veröffentlichte, erreichte Bauer Willi in kurzer Zeit mehr als 60.000 Klicks und eine Einladung in die Sendung von Günther Jauch.
Wann ist die „Reichweite“ groß genug?
Ihre Inhalte filmen Hoffmann und Kuhnwald auf ihren Handys. Das Drehbuch, den Schnitt, den Ton und die Regie mache Hoffmann selbst. Kuhnwald arbeitet mit einer Agentur zusammen. Nach Aussagen der beiden Agrarinfluencer brauche es erstmal nicht viel, um im Internet bekannt zu werden. "Wir haben nicht mit viel angefangen - und trotzdem hat es funktioniert", fasste Kuhnwald zusammen.
Wir haben nicht mit viel angefangen - und trotzdem hat es funktioniert.
Dass Hoffmann und Kuhnwald erfolgreich sind, lässt sich anhand ihrer Followerzahlen nicht bestreiten. Etwas über 822.000 Follower auf Instagram und 464.000 Follower auf TikTok für Hoffmann und 97.000 Follower über Twitch und 132.000 Abonnenten auf dem YouTube-Hauptkanal für Kuhnwald. Auch Bauer Willi erreicht über Facebook seine ca. 37.000 Leser und betreibt einen erfolgreichen Agrarblog.
Doch um mehr als 80 Millionen Menschen in Deutschland erreichen zu können, braucht es noch mehr. Zudem gibt es viele Alternativen bzw. Vorgänger von Twitch, YouTube und Co., mit deutlich höheren Zuschauer- und Lesezahlen. Wie erreicht man auch diese Konten?
Braucht es eine große Kampagne?
Diese Frage griff Medien- und Social-Media-Expertin Jutta Zeisset auf. Dass Personen aus der Praxis wie Hoffmann oder Kuhnwald nur mit ihrem Handy eine große Reichweite aufbauen konnten, sei schön und gut, doch um langfristig und bundesweit etwas zu verändern und viele Menschen zu erreichen, brauche es eine größere Kampagne – und das kostet.
Die Kosten bezog Zeisset dabei auch auf menschliche Ressourcen und eine Zusammenarbeit des vor- und nachgelagerten Bereichs. Verantwortung legt Zeisset ebenfalls in die neue Bundesregierung, die durch rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Unterstützung einen wichtigen Hebel der landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit darstellt.
Wie genau eine solche Kampagne aussehen könnte, welche Medien und Inhalte vermittelt und verwendet werden müssten und wie sich das umsetzen ließe, bleibt weiter zu diskutieren. Für Zeisset ist war dennoch klar, auch für Influencer müssen sich die Rahmenbedingungen verbessern. Man sollte den Aufwand nicht unterschätzen und der aktuell starke „Verschleiß an Menschen“, die sich kreativ mit den Inhalten auseinandersetzen, sei nicht hinnehmbar.
Wird der Influencer Alltag über- oder unterschätzt?
Hoffmann erwiderte, dass sie neben der Arbeit auf dem Betrieb eines Freundes durchaus Zeit für Social Media gefunden habe. Es gäbe bessere und schlechtere Tage, doch insgesamt habe sie Spaß an ihrer Arbeit. Dass sie nicht selten auch noch bis in den Abend hinein ihre Kommentarspalte moderiert und mit ihren Leser interagiert, sieht Hoffmann nicht als starke Belastung.
Auch Kuhnwald äußerte sich zu dem Thema und berichtete über fast tägliche Streams auf dem Traktor mit einer durchschnittlichen Laufzeit von sechs bis sieben Stunden. Das Streamen sei für den gelernten Landwirt kein großer Mehraufwand – und auch für ihn stehen das Interesse und die Freude im Vordergrund.
Auch Bauer Willi interagiert mit seinen Lesern, vor allem über seinen Blog. Er freue sich, dass die Unterhaltungen häufig konstruktiv verlaufen. Dennoch betonte er den zeitlichen Aufwand. Wenn jedoch immer wieder dieselben fachlichen Fehler oder Missverständnisse angesprochen werden und sich trotz seiner Bemühungen nichts ändert, stellt auch er sich die Frage „Was mache ich hier eigentlich?“
Fazit: Was wäre eine sinnvolle Medienstrategie?
Zwischen Verschleiß, finanziellen Engpässen, kostengünstigen Alternativen und dem Problem der „Medienblase“ war das Fazit an diesem Abend: Es gibt nicht nur den einen Weg. Nicht jeder Verbraucher möchte sich tiefergehend mit dem befassen, was gerade im Kühlschrank liegt.
Es braucht niedrigschwellige Angebote sowie bundesweite Kampagnen und Menschen mit landwirtschaftlicher Fachkompetenz in den Entscheidungspositionen dieser Kampagnen. Ebenso braucht es rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Mittel, um alles angemessen umzusetzen.