In Frankreich hat das Ringen um die Nutzung der knapper werdenden Wasserressourcen ein neues Eskalationsniveau erreicht. Im Département Deux-Sèvres in der Region Nouvelle-Aquitaine versammelten sich kürzlich trotz eines Demonstrationsverbots mehrere tausend Personen, um gegen den Bau von Wasserspeichern in der Gemeinde Sainte-Soline zu protestieren.
Die Behörden sprachen von etwa 6.000 Teilnehmern, die Organisatoren hingegen von rund 30.000. Der Staat setzte mehr als 3.000 Sicherheitskräfte - vorwiegend Gendarmen - ein, um die Baustelle eines Beckens zu schützen.
Sachliche Ebene längst verlassen
Bei der Protestaktion wurden zahlreiche Menschen zum Teil schwer verletzt. Medienberichten zufolge mussten fünf Personen auf der Intensivstation behandelt werden, darunter auch Gendarmen. Noch Tage später schwebten zwei Demonstranten in Lebensgefahr und lagen im Koma. Nach offiziellen Angaben wurden insgesamt 47 Beamte und sieben Demonstranten von Rettungskräften versorgt. Die Organisatoren des Protests meldeten hingegen 200 Verletzte und 40 Schwerverletzte.
Neben linken Politikern waren offenbar auch radikale Kräfte unter den Teilnehmern. Nach Einschätzung der Behörden waren mindestens 1.000 gewaltbereite Aktivisten vor Ort, die zum Teil aus dem Ausland angereist sein sollen. Aus ihren Reihen wurden die Beamten mit Feuerwerkskörpern und Wurfgeschossen angegriffen; Fahrzeuge gingen in Flammen auf.
Abgeordnete abgehört
Ein Nachspiel werden die Proteste auch auf anderen Ebenen haben. Innenminister Gérald Darmanin kündigte an, die Organisation „Soulèvements de la terre“ zu verbieten. Sie war an der Organisation der Demonstration beteiligt und ruft dazu auf, das bestehende Wirtschaftssystem zu Fall zu bringen, um die globale Erwärmung und das Artensterben zu stoppen.
Bewässerung für Genossenschaft
Der Wasserspeicher von Sainte-Soline ist Teil eines Projekts, dass den Bau von insgesamt 16 Becken mit einer Gesamtkapazität von 6 Mio. m3 vorsieht. Die Speicher sollen im Winter gefüllt werden, um im Sommer einer Genossenschaft von 450 Landwirten zur Bewässerung zu dienen.
Die Kosten in Millionenhöhe werden zu 70 % vom Staat getragen. Während die Unterstützer das Überleben der Betriebe sichern wollen, wenden sich die Kritiker gegen die „Monopolisierung“ der Wasserressourcen. Sie fordern einen Baustopp und ein Moratorium für alle weiteren Planungen.
Auch zahlreiche Landwirte waren bei den Protesten dabei. Der kleinbäuerlich orientierte Verband Confédération Paysanne (Conf‘) gehört ebenfalls zu den Organisatoren. Aus ihren Reihen ist immer wieder zu hören, dass Junglandwirte im ganzen Département insbesondere im Gemüseanbau Schwierigkeiten haben, sich niederzulassen, da ihnen der Zugang zum Wasser fehlt.
Die lokalen Ableger des französischen Bauernverbandes (FNSEA), der Organisation der Junglandwirte (JA) und des kleineren Landwirtschaftsverbandes Coordination Rurale (CR) kritisierten die Beteiligung der Conf‘ scharf. Es sei eine „Schande für die Republik“, dass Gewalt und ziviler Ungehorsam Unterstützung fänden. Ähnliche Töne waren von FNSEA-Präsidentin Christiane Lambert zu hören. Sie warf der Conf‘ vor, die Werte der französischen Republik nicht zu respektieren.