Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Unter anderem steigende Energiepreise, wegfallende Pflanzenschutzwirkstoffe und hohe Arbeitslöhne setzen Landwirte in NRW unter Druck. Mit der Corona-Pandemie erlebte aber zumindest der Absatz regionaler Produkte einen Boom. Dieser ist spätestens mit der Inflation der vergangenen Jahre wieder abgeflacht – auch wenn Konsumenten weiter großes Interesse an Regionalität haben.
LEH sieht starkten Trend zur Regionalität
Dr. Leif Balz, Bereichsleiter für Agrar- und Ernährungsthemen bei der Schwarz-Gruppe – also Lidl und Kaufland –, bestätigte im Wochenblatt-Branchengespräch vergangene Woche die hohe Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass Verbraucher zwar viel Regionalität fordern, aber nicht dafür bezahlen wollen, meint er: „Der Trend im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ist ungebrochen und er ist stark. Das ist ein knallharter Wettbewerbsfaktor.“
Dr. Balz sieht den LEH dabei nicht als Konkurrenz zu Hofläden oder Märkten, sondern als sicheren Absatzmarkt für Landwirte: „Wir helfen dabei, mehr Kunden für Produkte der regionalen Landwirte zu gewinnen“ – auch solche, die nicht in Hofläden einkaufen möchten.
Landwirt bemängelt fehlende Flexibilität im LEH
Andreas Engemann, Bioland-Landwirt aus Willebadessen, bemängelt allerdings die fehlende Flexibilität des LEH. Zwar sorgten die zuvor verhandelten Preise für Planbarkeit, aber er kann seine zu spät geerntete Ware nicht mehr über den LEH vermarkten. Aktuelles Beispiel: „Wir haben noch Suppengemüse bis zur zwölften Kalenderwoche, liefern dürfen wir aber nur bis Woche zehn.“
Preisgestaltung im LEH Risiko für junge Landwirte
Susanne Schulze Bockeloh, konventionelle Landwirtin und Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes, kritisiert zudem die Preisgestaltung des LEH. Dieser bezahle zwar so, dass die Landwirtschaft noch liefert, gleichzeitig bestünde aber die Gefahr, dass junge Landwirte große Investitionen nicht mehr riskieren. Damit würden auch dem LEH langfristig die so wichtigen regionalen Produkte fehlen.
Gibt es genug regionale Ware?
In dieselbe Kerbe schlug auch Markus Röser, Leiter Kommunikation und Nachhaltigkeit bei BASF: „Wir reden viel über die Vermarktung von regionalen Produkten, aber wir müssen uns auch die Frage stellen, ob wir überhaupt genug vermarktbare Ware anbieten können.“ In Deutschland und NRW seien wir bei vielen Produkten weit entfernt von einer Deckung der Selbstversorgung.
Um die von Verbrauchern gewünschten, regionalen Produkte überhaupt produzieren zu können, brauche es wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. Dazu zählen seiner Meinung nach zum Beispiel ausreichend wirksame Pflanzenschutzmittel und weniger Bürokratie.
Was macht die nächste Regierung mit dem Mindestlohn?
Mit Blick auf diese Wettbewerbsfähigkeit bei den Produktionskosten plädierte Christina Stumpp, stellvertretende Generalsekretärin der CDU, unter anderem für eine „Eins zu Eins“-Umsetzung der EU-Verordnungen. Deutsche, strengere Sonderwege hätten bislang zu Wettbewerbsnachteilen – auch innerhalb der EU – geführt.
Die Politikerin kündigte darüber hinaus an, sich in einer möglichen Koalition mit der SPD gegen die von den Sozialdemokraten geforderte Anhebung der Mindestlöhne einzusetzen, „denn hiermit würde es noch schwerer werden, zum Beispiel Obst und Gemüse aus der Region zu bekommen.“
Regionale Vermarktung ist aufwendig
Diese Kostensenkungen sind unbedingt nötig, weil die kleinstrukturierte, regionale Vermarktung von Produkten aufwendig ist – gerade wenn es sich um Weltmarktprodukte wie Weizen handelt, die im Ausland zum Teil deutlich günstiger produziert werden können.
„Das ein oder andere Programm, das die regionale Mehlvermarktung unterstützt hat, verlor in den vergangenen Jahren an Umsatz“ – vor allem wegen des Preisunterschiedes, berichtete Dr. Thomas Böcker, Referatsleiter Markt bei der Landwirtschaftskammer NRW.