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topplus Speiseöl-Vermarktung

Betriebsziel: Öl-Multi

Die Hofnachfolger Wilhelm und Henrik Behn setzen aufs Öl. Statt in die Erde zu bohren, pressen sie es aus Sonnenblumen, Lein, Hanf oder Mohn. Die Brüder denken die Direktvermarktung groß.

Lesezeit: 8 Minuten

Auf dem Betrieb der Familie Behn fließen buchstäblich Wein und Honig: Hofnachfolger Wilhelm (26) betreibt auf dem Ackerbaubetrieb auch noch einen Weinhandel. Sein Bruder Henrik (24) vermarktet als Imker Honigprodukte. Als Wilhelm nach Abschluss der Ausbildung entscheiden musste, ob er seine Zukunft auf dem Hof oder in der Industrie sieht, wurde klar: Die Brüder haben eine eigene Vision für den 700ha Betrieb in Rümmer am östlichsten Rand von Niedersachsen – eine, die sie zusammen umsetzen könnten. Mit Rückendeckung ihrer Eltern und stabilen Hauptstandbeinen im Ackerbau und bei Lohnarbeiten setzen sie diese Vision nun schrittweise um. Erste sichtbare Neuheit: Ab jetzt fließt bei Behns auch Öl.

Schnell gelesen

  • Kaltgepresste Speiseöle aus Raps, Sonnenblumen, Mohn, Hanf, Lein und Leindotter sind ein neuer Betriebszweig auf dem Hof Behn, Niedersachsen. 

  • Förderprogramme erleichterten die Investitionen von bisher rund 450.000 €.

  • Die Vermarktung über die drei Kanäle Einzelhandel, Online und Gastronomie soll die Abhängigkeit vom Handel reduzieren.

  • Die Öle sollen der Anfang eines neuen Betriebskonzepts sein. Langfristig sollen Ackerbau und Lohnarbeit wegfallen.

Neben Rüben, Getreide und Leguminosen finden sich am Betrieb nun also Ölsaaten. Jedes Jahr ein bisschen mehr. Aktuell wachsen Raps, Sonnenblumen, Leindotter, Mohn, Senf, Öllein und Hanf auf rund 65 ha. In einer eigenen Produktionsanlage stellen die Brüder kalt gepresste Speiseöle her. Mit einer 2024 eigens gegründeten Gesellschaft (GmbH & Co. KG) vermarkten sie sie im Einzelhandel, an die Gastronomie und über Online-Shops. Auch Honig, Mehle, Senf und Körnerware gehören zum Sortiment. Die Hofprodukte sollen nicht in der Nische verharren. Vielmehr will Wilhelm Behn als Anbieter für nachhaltige und regionale Öle, Fette und Proteine wie ein Großhändler auftreten und Masse produzieren.

„Irgendwann wollen wir 100% der Hofprodukte direkt vermarkten und vertrieblich unabhängig sein“, sagt der 26-Jährige. „Raus aus der landwirtschaftlichen Tretmühle. Hin zur eigenen Preisgestaltung.“

Rund 450.000 € investiert, davon 40% Fördergelder

Da der neue Betriebszweig auf einer alten Hofstelle der Familie einziehen sollte, musste sie zunächst in den Umbau einer alten Scheune und einer Halle inkl. Ölpresse und HACCP-Hygienekonzept für die Verarbeitung von Lebensmitteln investieren. Kostenpunkt rund 150.000 € netto. Eine zweite Investitionsrunde in z. B. Reinigungstechnik, umfasste rund 100.000 €. In beiden Budgets sind Kosten für den Markenaufbau mit eigener Website, Logo und Corporate Design enthalten. Ein dritter Schritt steht noch aus. Für den Umbau einer weiteren Lagerhalle planen Behns noch einmal rund 200.000 €.

Schätzungsweise 40% der Gelder konnten die Brüder über größere und kleinere Förderprogramme querfinanzieren, z.B. LEADER. Mal wird die Technik gefördert, mal das Marketing. Aber immer stehen Ideen im Fokus, die regionale Lieferketten aufbauen, den Selbstversorgungsgrad mit heimischen Lebensmitteln steigern und die Abhängigkeit vom Ausland in Sachen Lebensmittelimporte reduzieren. „Wir bewerben uns auf vorhandene Förderprogramme und gucken, was funktioniert“, sagt Wilhelm Behn. „Je nachdem, welcher Topf uns nimmt, ist dann das nächste Projekt, das wir umsetzen.“

Ölsaaten anbauen und veredeln

Mit Sonnenblumen auf 7 ha, Leindotter auf 2,5 ha und Lein auf 2 ha fing es 2020 an. Große Gedanken um die Sortenwahl musste sich der Junglandwirt nicht machen. Denn die Sortenzucht habe bestimmte Ölsaaten jahrelang nicht in den Blick genommen und maximal als Teil einer Zwischenfruchtmischung herausgebracht. Bei Mohn, Hanf, Lein, Senf und Co. gibt es entsprechend wenig Auswahl. Über einen Saatguthändler in der Region bezieht der Junglandwirt aber ohne Probleme genügend geeignetes Saatgut.

„Im Anbau muss jede Ölsaat für sich gesehen werden“, sagt Behn. „Hanf könnte jeder anbauen, der einmal trocken pflügt, drillt, zweimal Unkraut striegelt und irgendwann mit dem Drescher wiederkommt. Mohn ist da schon anspruchsvoller. Das ist eine sehr, sehr feine Pflanze.“ 

Bei allen ist eine gute Jugendentwicklung im Frühjahr wichtig. Neben Sonnenstunden, zählt der Niederschlag. „Sonnenblumen brauchen z. B. pro Tonne Ertrag 80 l Regen in der Kornfüllungsphase“, erzählt der Landwirt. Generell sind nur wenige Pflanzenschutzmittel in dem Bereich zugelassen, sodass er eigene Erfahrungen sammeln muss, die manchmal nach hinten losgehen. In diesem Jahr erstmals angebauter Schwarzkümmel hat den Mähdrescher beispielsweise nie gesehen.

Reinigung der Ernte wichtig

Für die Erntetechnik waren keine neuen Investitionen nötig. Alle Ölsaaten vom Hof Behn lassen sich mit dem Rotordrescher ernten – mit 9% Feuchtigkeit. „Das brauchen die Saaten auch, damit wir sie gut zu Öl pressen können“, sagt der Junglandwirt. Wenn nachgetrocknet werden muss, dann nur sehr vorsichtig.

„Wichtig sind die Reinigung und Aufbereitung direkt nach der Ernte. Wir müssen sofort Lagerfähigkeit herstellen.“ Anfangs wollten Behns auf Lohnreinigung setzen, aber die Dienstleister fokussieren sich eher auf kleine Chargen in Bioqualität. Also schaffte der Betrieb die nötige Technik selbst an: Eine Standard-Getreidereinigung plus Windstrom-Separierer und ein Farbsortierer reinigen die Ölsaaten auf bis auf 99 % Lebensmittelreinheit. Für die Herstellung des Speiseöls wäre dieses hohe Niveau nicht zwangsläufig nötig. „Aber wir wollen Leinsamen, Mohn oder Sonnenblumenkerne als Körnerware vermarkten. Da lohnt sich die Anschaffung“, sagt Wilhelm Behn.

Klug lagern, klar filtern

Ein logistisch gut angeschlossenes Lagersystem ist wichtig. Behn hat im dritten Jahr geerntet und kann erst jetzt langsam die Verkaufsmenge steigern. Auf entsprechend großen Vorräten an losen Ölsaaten sitzt der Landwirt noch. Allein beim Öllein sind es 2,5 Ernten.

Selbst wenn die Erträge der Ölsaaten mit bspw. 800 kg/ha Mohn, 2 t/ha Lein oder 1,5/ha Hanf nicht überdurchschnittlich hoch sind, sammeln sich Mengen an, die jederzeit zugänglich sein müssen. „Bei uns läuft jeden Tag die Ölpresse, damit wir alle Sorten frisch anbieten können“, sagt der Agrarunternehmer. Grund ist das im Vergleich zu anderen haltbaren Produkten begrenzte Mindesthaltbarkeitsdatum von gut einem Jahr. Fertig gepresstes Öl hält Behn so gut wie gar nicht vor.

Die Brüder setzen beim Lagersystem auf Marke Eigenbau. In speziell ausgelegten Kartoffelkisten und stapelbaren Plastik-Bigboxen aus dem Lebensmittelbereich lagern sie die geerntete bzw. gereinigte Ware sortenrein so ein, dass sie einzelne Kisten jederzeit holen und verarbeiten können. Insgesamt türmen sich derzeit zwischen 60 und 80 Kisten im Lager. Soll gepresst werden, wird die entsprechende Kiste mit dem Gabelstapler über einen 500 kg-Trichter an der Presse gehoben, sodass die jeweilige Ölsaat kontrolliert hineinrieselt. Der 1,5 kW-Elektromotor der sogenannten Schneckenpresse schafft 12 bis 30 kg pro Stunde. Die Brüder arbeiten daran, die Abläufe zu automatisieren und zu digitalisieren.

Nach dem Pressen setzen sich die Schwebstoffe im Öl ab. Wilhelm Behn filtert es zusätzlich, bis es klar ist. „Das ist Ansichtssache“, sagt Behn. „Es gibt andere, die die Schwebstoffe lieber drin lassen, weil sie viele Nährstoffe enthalten sollen. Aber ich bin Filterfan.“ Zu guter Letzt wird das Öl abgefüllt.

Den anfallenden Presskuchen nutzt Wilhelm Behn übrigens bisher nur beim Senf. Wer Ideen für die Nutzung des Presskuchens der anderen Ölsaaten hat, kann sich gern bei ihm melden.

Mit allen Hofprodukten wird Hof Behn in 2024 rund 150.000 bis 200.000 € Umsatz erzielen. Nur auf Öl bezogen sind das rund 10.000 Flaschen in 2024. Für 2025 sind etwa 15.000 Flaschen geplant. Da es verschiedene Flaschen- und Kanistergrößen gibt, fällt es schwer, Durchschnittspreise pro Liter zu nennen. Aber die 500 ml-Flasche Sonnenblumenöl kostet im Online-Shop z. B. 7,99 €. 500 ml Leindotteröl liegen bei 12,99 €.

Listung in 14 Rewe-Märkten

Was der Lebensmitteleinzelhandel Behn zahlt, darf er nicht verraten. „Aber wir können den Einzelhandelspreis halten“, sagt er. Die erste Listung bei Rewe Nord glückte im Oktober. Behn liefert seine Öle, Senf, Honig und Mehl in mehreren Produktgrößen, die unterschiedlich gute Margen bringen. „Es ist eine Mischkalkulation“, so Behn.

In die erste Filiale hat er bereits ausgeliefert. Folgen sollen 14 weitere Rewe-Märkte im Umkreis von 50 bis 100 km. Die Gespräche mit Edeka laufen noch. Aus den Verhandlungen mit Kaufland hat sich Wilhelm Behn nach eigenen Angaben zurückgezogen.

Angst vor Auslistung hat Wilhelm nicht. Ohnehin will er nicht in eine zu große Abhängigkeit zum Handel hineinrutschen. Mehr als die Hälfte seiner Umsätze soll von anderen Vertriebswegen kommen. Die Gastronomie, zu der er wegen des Weinhandels Kontakte hat, nimmt ihm 500 l Sonnenblumenöl pro Monat ab. Bäckereien beziehen Mohn. Die Online-Umsätze sind nicht zu unterschätzen.

Wilhelm Behn ist bewusst, dass der Aufbau des neuen Standbeins bisher recht reibungslos funktioniert, weil der Hof auf so stabilen Füßen steht. „Wir brauchen die alten Standbeine, um das Neue zu finanzieren“, so Behn. „Allein die guten Rübenjahre spülen Kapital in den neuen Betriebszweig. Auch die Lohnarbeiten geben Sicherheit.“ Langfristig sollen die alten Zöpfe aber abgeschnitten werden.

Aus der Gastronomie kommt derweil Nachfrage nach Erbsen, Linsen und Soja. Das passt zur Strategie. Die besagt, dass das Standbein Speiseöl nach fünf Jahren schwarze Zahlen schreibt. Zwei davon stehen noch aus, in denen Wilhelm Behn weitere Schritte machen kann, auf dem Weg zum Öl-Multi.

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