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topplus Interview zu Biostimulanzien

Start-up entwickelt Pflanzenhormone aus Mikroalgen

Das Biotech-Start-up Alganize will das Bodenleben anregen und setzt dafür auf Mikroalgen. Besonders für ertragsschwache Standorte oder Rote Gebiete soll das interessant sein.

Lesezeit: 5 Minuten

Pflanzen produzieren Signalstoffe, die nützliche Bodenorganismen aktivieren. Das Start-up Alganize nutzt diesen Stoffwechselvorgang gezielt und hat nach eigenen Angaben einen "Bodenallrounder" hergestellt. So soll das Produkt den Humusaufbau fördern, Nährstoffe mobilisieren und gegen Pflanzenkrankheiten schützen.

Was den Ansatz hinter Alganize besonders macht und wie die praktische Anwendung aussieht, erklärt der Mitgründer und Biotechnologe Omar Khalaf im Interview mit top agrar.

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Biostimulanzien fördern das Bodenleben

Sie setzen Mikroalgen als Biostimulanz ein. Wie genau wirkt Ihr Produkt?

Omar Khalaf: Die aus den Mikroalgen gewonnenen Signalstoffe sollen die Symbiose zwischen Pflanze und Mikrobiom im Boden aktivieren - so wie klassische Biostimulanzien. Die kleinen Arbeiter im Boden arbeiten dann effizienter und können z.B. die Nährstoffaufnahme der Pflanzen verbessern und somit zu gesünderen Böden und Pflanzen führen.

Was sind Biostimulanzien?

Biostimulanzien sind Präparate, die auf Mikroorganismen oder natürlichen bioaktiven Substanzen wie Algen-, Pflanzen- oder Kompostextrakten basieren. Sie wirken über Signalsubstanzen, die pflanzliche Stressabwehrmechanismen aktivieren. Die Wirkung hängt stark von der Empfänglichkeit der jeweiligen Pflanze ab, die durch genetische und physiologische Faktoren bestimmt wird.

Welchen konkreten Nutzen bietet das für Landwirte?

Khalaf: Grundsätzlich kann unser Mittel unter suboptimalen Bedingungen zur Ertragssicherung beitragen, beispielsweise bei Dürre oder besonders nährstoffarmen Böden bzw. an Standorten, wo die Nährstoffe nicht pflanzenverfügbar sind. Landwirte profitieren von einer besseren NPK-Aufnahme, erhöhter Wasserspeicherung und einer gesteigerten Stresstoleranz ihrer Pflanzen.

In Feldversuchen haben wir bei Mais Ertragssteigerungen von bis zu 30 % und bei Weizen eine Verdoppelung der Wurzellänge festgestellt. Wir haben außerdem herausgefunden, dass wir gezielt gegen Pflanzenkrankheiten vorgehen können.

Ein anderer Effekt ist, dass die angeregten Mikroorganismen einen Zucker erzeugen, der eine sogenannte EPS-Schicht bildet – eine Art Biokruste. Dabei verkleben die Erd- und Sandpartikel, was die physikalische Struktur stärkt und gegen Erosion schützt. Besonders auf Sandböden ist das interessant.

Wie kam es zur Gründung von Alganize – gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Khalaf: Mein Co-Gründer, Nils Brüggemann, erlebte während seines Agrarstudiums in Indien, wie verheerend die Bodendegradation wirklich ist. Ernteausfälle und der Verlust von fruchtbarem Land führten zu einer dramatischen Zunahme von Suiziden. Diese Erfahrung hat ihn berührt und stieß den Wunsch an, den Boden – unsere Lebensgrundlage - wieder aufzubauen.

Offiziell haben wir uns 2023 gegründet. An der Idee arbeiten wir aber bereits seit Ende 2021 und sind inzwischen drei Geschäftsführer: Nils Brüggemann, Karl Manias und ich.

Warum haben Sie sich für Mikroalgen entschieden?

Khalaf: Unsere erste Idee war es, die Mikroorganismen aus dem Boden zu nehmen, außerhalb zu vermehren und wieder zurückzuführen. Wir haben aber schnell gemerkt, dass wir die perfekten Bedingungen dafür gar nicht schaffen können. Deshalb wollten wir herausfinden, wie wir die nützlichen Bakterien direkt im Boden vermehren können und nutzen ihn sozusagen als Fermenter.

Die Herstellung der Signalstoffe kostet die Kulturpflanzen auf dem Feld zusätzliche Energie und unsere Mikroalgen können ihnen das ersparen."

Die Mikroalgen nutzen wir als Wirt für Signalstoffe, die wiederum die Mikroorganismen gezielt anlocken und anregen. In unserer Anlage in Berlin bringen wir die Algen dazu, diese Stoffe auszuscheiden. Dabei handelt es sich um sogenannte Phytohormone, die Pflanzen normalerweise bei Stress produzieren – wie Auxine, Abscisinsäure oder Cytokinine. Sie signalisieren: Ich brauche Hilfe. So wird ein Tauschgeschäft mit den Bakterien angeregt.

Die Herstellung der Signalstoffe kostet die Kulturpflanzen auf dem Feld zusätzliche Energie und unsere Mikroalgen können ihnen das ersparen. Zudem ist die Mikroalge an sich schon ein super Dünger.

Zwischen Acker und Labor

Woher wissen Sie, welche dieser Signalstoffe gerade gebraucht werden?

Khalaf: Wir arbeiten aktuell mit Landwirten zusammen, um die Anwendung auf verschiedene Boden- und Kulturtypen anzupassen und genaue Handlungsempfehlungen geben zu können. Wir bieten auch Bodenproben und Enzymaktivitätsmessungen an, um die Wirkung zu optimieren.

Gemeinsam mit der Humboldt-Universität Berlin und der Technischen Universität München forschen wir gleichzeitig, unter welchen Bedingungen wir welche Signalstoffe aus den Algen kitzeln können. Auch Krankheiten könnten wir z. B. analysieren und gezielt mit diesen Stoffen bekämpfen. Wir müssen nur wissen, welche gebraucht werden.

Ihr Produkt ist bereits auf dem Markt. Wie wird es angewendet, und für welche Kulturen ist es geeignet?

Khalaf: Es ist für viele Kulturen geeignet und wird meistens monatlich angewendet. Bisher verkaufen wir es in 300-Liter-Kanistern und 1000-Liter-Behältern. Es wird als flüssige Suspension ausgebracht und kann auch mit herkömmlichen Düngern gemischt werden. Beim Versuch mit Mais haben wir 300l/ ha und Monat verwendet. Im Weizen haben das Mittel als Beize genutzt.

Start-up sucht Landwirte

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell noch?

Khalaf: Jede Kultur, jeder Boden ist anders. Aktuell machen wir ein- bis dreijährige Machbarkeitsstudien mit Landwirten, die im Gegenzug Rabatte auf unser Produkt bekommen. Wer Lust darauf hat, kann uns gern kontaktieren.

Und wo wollen Sie schlussendlich hin, was ist das Ziel?

Khalaf: Wir wollen individuell zugeschnittene Lösungen schaffen. Aktuell müssen wir dafür noch selbst mit zum Betrieb fahren, Proben nehmen, die Enzymaktivität, Biodiversität usw. messen und dann die geeigneten Botenstoffe liefern. Langfristig wollen wir eine Datenbank aufbauen, bei der jeder Landwirt selbst nachsehen kann, wie viel und was er für welche Kultur braucht. Außerdem sprechen wir aktuell mit dem Forschungsinstitut FIBL, um bald auch im ökologischen Landbau zugelassen zu werden.

Wir möchten Landwirten also die Werkzeuge an die Hand geben, um ihre Böden aktiv zu regenerieren und Erträge zu steigern, ohne die Umwelt zu belasten."

Die Vision ist es, einen Beitrag dazu zu leisten, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln erheblich zu reduzieren. Natürlich können Landwirte nicht von jetzt auf gleich auf NPK verzichten. Das wäre reine Utopie. Nur sollten wir Bodenchemie langsam reduzieren, sodass wir den Boden nicht brach setzen, wie das eben in anderen Ländern bereits passiert. Wir möchten Landwirten also die Werkzeuge an die Hand geben, um ihre Böden aktiv zu regenerieren und Erträge zu steigern, ohne die Umwelt zu belasten.

 

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