Herr Dr. Baltissen, Sie sind neuer Fachbereichsleiter „Zucht und Genetik“ beim BRS. Was sind die aktuell wichtigsten Themen?
Baltissen: Wir setzen gerade die Änderungen des Gesamtzuchtwertes (RZG) um. Neben einigen Details ist die wichtigste Neuerung: Der Anteil der Milchleistung (RZM) wird von 45 auf 36% reduziert und der funktionalen Merkmale von 40 auf 49% erhöht. Das sind Schlussfolgerungen der genetischen Entwicklung und technischen Möglichkeiten. Der neue RZG gilt ab der April-Zuchtwertschätzung.
Eine weitere spannende Aufgabe ist die Planung der German Dairy Show im Juni. Leider ist noch offen, ob die Veranstaltung stattfinden kann oder ob wir sie wegen der Corona-Pandemie verschieben müssen.
Der Fokus auf hohe Milchleistungen ist seit Jahren in der Kritik. Ist der neue RZG eine Antwort darauf?
Baltissen: Die Zucht gilt als Sündenbock für viele Krankheiten. Doch fest steht: Das Zuchtziel der Holsteinkuh ist eine robuste, milchleistungsstarke Kuh. Bereits seit vielen Jahren sind Nutzungsdauer, Leichtkalbigkeit, Zellzahl oder zuletzt die Gesundheitsdaten als Merkmale für die „Robustheit“ berücksichtigt worden. Die Änderung der Zusammensetzung des RZG setzt diese Entwicklung weiter fort.
Einige Zuchtverbände haben zwei große Kooperationen gegründet. Wie beeinflusst das die Arbeit des BRS?
Baltissen: Ich denke, das sind notwendige Schritte, um bei den rückläufigen Tierhalter-Zahlen wettbewerbsfähig zu bleiben. Ich gehe davon aus, dass sich aus den Kooperationen langfristig Fusionen entwickeln. Die Verbände können ihre Kosten verteilen und den Milchviehhaltern ein breites Bullen-Angebot bieten. Die Aufgaben für uns als Dachorganisation ändern sich dadurch nicht – es sitzen nur möglicherweise bald weniger Mitglieder am Tisch. Für manch einen Entscheidungsprozess kann das sogar vorteilhaft sein.
Wie ist der aktuelle Stand beim BRS-Standard für Tiertransporte?
Baltissen: Der „Tierwohlstandard Transport“ (TWS-T) befindet sich in der Umsetzung: Die Programmierungen einer Datenbank und App sind weitestgehend abgeschlossen. Über den Einsatz und die Durchführung sprechen wir mit den Verbänden, Exporteuren, Transporteuren und Ministerien. Was noch fehlt ist ein Live-Test auf Beispielrouten, den wir Corona-bedingt noch nicht durchführen konnten. Doch schon bald wollen wir eine hohe Transparenz zum Wohle der transportierten Tiere gewährleisten.