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Blauzunge: Schafhalter zwischen Hoffen und Bangen

Familie Neyer leidet mit ihren Schafen: Die Herde ist vom BTV-3 betroffen. Fast 30 Tiere sind bereits gestorben. Die Schafe sind zwar geimpft, viele waren aber wahrscheinlich vorher schon infiziert.

Lesezeit: 6 Minuten
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Eigentlich ein idyllischer Ort: Eine Wiese, umgeben von Bäumen – inmitten die Schafherde der Familie Neyer mit Lämmern. Sie rupfen friedlich das Gras. Als wir ankommen, heben die Tiere neugierig ihre Köpfe. Wir stehen nun mitten in der Herde. Es braucht nicht lange, bis einige Schafe auffallen: Muttertiere, die eine Schonhaltung annehmen. Sie versuchen, einzelne Beine zu entlasten und lassen die Köpfe hängen. „Typisch für das Blauzungenvirus des aktuellen Serotypen (BTV-3) sind zu Beginn Lahmheiten“, erklärt Fides Marie Lenz vom Schafzuchtverband NRW.

Auch die dazugehörigen Lämmer sind dünner. „Man sieht den Lämmern an, dass es den Müttern an Milch fehlt“, sagt Daniel Neyer. Ande­re Tiere haben Schaum vor dem Mund und den für BTV-3 typisch geschwollenen Kopf. „Das ist schrecklich. Ich mag gar nicht mehr zu den Schafen fahren. Jedes Mal sehen wir noch mehr Tiere, die an BTV-3 leiden“, sagt Vater Jörg Neyer und schluckt.

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Ich mag gar nicht mehr zu den Schafen fahren. Jedes Mal sehen wir noch mehr Tiere, die an BTV-3 leiden“, sagt Jörg Neyer

Momentan fährt er morgens zu den Tieren und abends gemeinsam mit Sohn Daniel, der Tierarzt ist – dann nehmen sie die kranken Schafe mit zum Hof. „Das macht echt keinen Spaß!“, erzählt Daniel Neyer bedrückt. Stand jetzt sind knapp 30 der 450-köpfigen Herde auf dem Windmühlenhof in Tecklenburg im Kreis Steinfurt an BTV-3 gestorben.

Plötzliche Todesfälle

Los ging es Anfang Juli bei warmem feuchten Wetter. „Wir hatten plötzlich sieben tote Lämmer“, berichtet Daniel Neyer. „Zuerst dachte ich, dass sie sich vergiftet haben. Sie waren vorher komplett unauffällig“, ergänzt sein Vater.

„Ich habe mir jedes Tier genau angeschaut und keinen Verdacht auf BTV-3 gehabt“, berichtet der Tierarzt. Vor etwa zwei Wochen wollte Familie Neyer dann ihre Schafe gegen BTV-3 impfen. „Und dann haben wir morgens das erste Tier mit dickem Kopf entdeckt. Das war ein Schock“, berichtet Daniel Neyer. Geschwollene Köpfe sind ein typisches Symptom (siehe „BTV-3: Übertragung und Symptome“).

Hätten wir gewusst, wie es läuft, hätten wir die gesamte Herde schon früher geimpft “, sagt Jörg Neyer.

Also wurde erst mal nicht geimpft und abgeklärt, ob auch in eine bereits infizierte Herde geimpft werden darf. Echte Erfahrungen gibt es allerdings nicht. Neyers entschieden, die symptomlosen Tiere zu impfen. „Hätten wir gewusst, wie es läuft, hätten wir die gesamte Herde schon früher geimpft. Aber wir wollten erst mal die Verträglichkeit der Impfstoffe abwarten“, sagt Jörg Neyer bedrückt. Lenz ergänzt: „Alle haben die Lage unterschätzt!“

BTV-3: Übertragung und Symptome

Das Blauzungenvirus wird von ­Gnitzen (Stechmücken) übertragen. Schafe stecken sich nicht gegen­seitig an. Für Menschen ist das Virus ungefährlich. Die Tierseuche ist anzeigepflichtig. Typische Symptome sind:

  • Schonhaltung: lahmen, hinken

  • schlechtes Allgemeinbefinden: verminderte Futter- und Wasseraufnahme, Schafe sind schlapp, abgemagert, apathisch

  • Schwellungen an Kehlkopf, Maulpartie, gesamter Kopf, Zunge, teilweise blaue Zunge

  • entzündeter Maulbereich

  • Schaum an den Lippen, Krusten

  • Schmerzlaute wie Zähneknirschen

  • Fieber

Aktuell gibt es drei Impfstoffe, die nicht offiziell zugelassen, sondern gestattet sind. „Über Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt es noch ­keine gesicherten Erkenntnisse“, erklärt Fides Marie Lenz. Bisher berichten Schafhalter, dass die Impfstoffe verträglich sind, infizieren können sich die Schafe aber auch geimpft. „Wir gehen davon aus, dass die Verläufe dann milder sind. Trotzdem gilt es, die Tiere weiter zu beobachten“, betont Lenz. Die Tierseuchenkassen NRW zahlt 1 € pro Impfdosis für Schafe und 2 € pro Dosis bei Rindern. Schafe müssen einmal, Rinder zweimal geimpft werden. ­Aktuell sind laut amtlicher Datenbank in NRW rund 44  000 Schafe, mehr als 165  000 Rinder und etwa 600 Ziegen geimpft. Für tote Tiere gibt es keine Entschädigung. acs

Mehr Infos für Schafhalter: www.schafe-schuetzen.de/blauzunge/

Unbedingt behandeln

Inzwischen zeigen immer mehr Schafe Symptome, auch Lämmer erkranken schwer. Erste Tiere haben sich aber auch vom Virus erholt. „Schafe können das überstehen. Aber sie müssen unbedingt behan­delt werden!“, betont Daniel Neyer. Auch Lenz erklärt: „Die ­Tiere haben richtig Schmerzen. Die Symptome kann man mit Schmerzmitteln lindern.“ Außerdem empfiehlt sie Tierhaltern, unbedingt zu impfen und die Schafe gegen Insekten zu behandeln. Das reduziere die Infektionsgefahr. Auch NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen ruft Rinder-, Schaf- und Ziegenhalter zu erhöhter Vorsicht und zur Impfung gegen das Virus auf.

Schafe können das überstehen. Aber sie müssen unbedingt behan­delt werden!“, betont Daniel Neyer.

Neyers haben ihre Tiere vor Kurzem geschoren. „Das Gute: Das Repellent wirkt. Das Negative: Eventuell hat der Stress beim Scheren das ­Virus befeuert“, schätzt der Junior.

In der Herde auf dem Windmühlenhof tritt BTV-3 bei allen Rassen und Altersgruppen auf. Hier sind Suffolks, Blauköpfe und Kreuzungen zu Hause. Auch Lenz bestätigt: „Alle Tiere können BTV-3 bekommen.“ Sie appelliert an Schafhalter, auf­fällige Tiere zu melden. Zeigen sie Symptome, muss der Tierarzt kommen. Aus jeder Herde werden drei Proben genommen und eingeschickt. „Das Labor bezahlt das Land NRW. Der Tierhalter muss für den Tierarzt aufkommen“, erklärt Lenz. Mit einer Untersuchung können auch andere Krankheiten ausgeschlossen werden. Sie befürchtet, dass einige Tierhalter die anzeigepflichtige Seuche nicht melden.

Psychisch und wirtschaftlich

Bei Neyers wird deutlich, dass nicht nur die Schafe leiden, sondern die gesamte Familie. „Der einzige Trost ist, dass wir keine Schuld haben. Die Seuche wird durch Stechfliegen übertragen. Sonst fragt man sich ja immer, was man falsch gemacht hat“, sagt Jörg Neyer. Er beschreibt ein Gefühl der Ohnmacht.

Viele Schafhalter fühlen sich extrem hilflos. Das Schlimme: Man kann BTV-3 nur lindern, nicht heilen", sagt Fides Marie Lenz.

Das bestätigt auch Lenz: „Viele Schafhalter fühlen sich extrem hilflos. Das Schlimme: Man kann BTV-3 nur lindern, nicht heilen.“ Neyer ergänzt: „Wir behandeln, hoffen und dann sterben einige Tiere trotzdem.“ Doch nicht nur psychisch ist der Druck groß, auch wirtschaftlich: „Sind die Schafe krank, sind die Lämmer unterernährt, es gibt weniger Tiere“, erklärt Daniel Neyer.

Hinzu kommen Behandlungskosten. Die Familie hofft, dass die Impfung jetzt schnell wirkt und nicht noch mehr Tiere verenden. Wann genau Schafe nach der Impfung immun sind, kann bisher keiner sicher sagen, schätzungsweise nach etwa 21 Tagen.

BTV-3 ist höhere Gewalt

„Viele Schafhalter verzeichnen bereits 10 % Verluste in der Herde“, erklärt Fides Marie Lenz. Hinzu kommt, dass die Fruchtbarkeit der Muttertiere schlechter ist, die Lämmer weniger Milch bekommen und es schätzungsweise weniger Schlachtlämmer oder Verkaufstiere geben wird. „In den nächsten Jahren werden Schafe ganz ganz knapp“, prognostiziert Jörg Neyer. „Schäfer müssen jetzt alle gesunden Tiere für die Remontierung nutzen“, sagt er.

Gerade weil Schafe knapp werden und Betriebe kaum die Möglichkeit haben werden, verstorbene zu ersetzen, ist für Lenz entscheidend, dass Prämien und Förderungen, die an die Tierzahl gekoppelt sind, trotzdem Bestand haben.

Das Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW teilt auf Wochenblatt-Nachfrage mit: Falls Tiere verenden und nicht zu ersetzen sind, können Tierhalter einen Antrag auf höhere Gewalt bei der zuständigen Kreisstelle der Landwirtschaftskammer stellen. Das müsse schriftlich oder auf elektronischem Wege innerhalb von 15 Werktagen erfolgen. Diese Frist beginne ab dem Zeitpunkt, ab dem der Betriebsinhaber hierzu in der Lage ist bzw. ab dem feststeht, dass die Tiere nicht ersetzt werden können. Dann wird laut Ministerium für die betroffenen Tiere trotzdem die gekoppelte Prämie ausgezahlt. Das gilt auch für andere Förderungen, wie AFP oder Extensivierung, bei denen Bestandsgrenzen eine Rolle spielen. Außerdem sollten Tierhalter Blauzungenverluste gesondert im Bestandsregister oder HIT kennzeichnen.

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