Das IFCN Research Center erfasst und analysiert Marktdaten rund um das Thema Milch. spricht von einer neuen Normalität der Milchindustrie: Die Coronapandemie, diverse ökologische Herausforderungen wie Dürreperioden aber auch neue Auflagen und der Krieg in der Ukraine mit der daraus resultierenden Energiekrise. „Die aktuelle Situation führt dazu, dass die Stimmung eher düster ist und weniger Milchviehhalter investieren“, erklärte Philipp Goetz bei den Kieler Milchtagen. Und das, obwohl die Milchpreise gerade ungewöhnlich hoch sind. „Preistreiber ist der Milchrückgang bei gleichzeitig gestiegener Nachfrage. Die Frage ist, wie lange sich die rekordhohen Milchpreise halten“, so Goetz, Lead Product Development bei IFCN.
Milchpreiszyklen
Üblicherweise dauere ein Milchpreiszyklus drei bis vier Jahre an. „2017 bis 2021 waren für Milch stabile Jahre auf dem Milchmarkt“, verdeutlichte der Marktexperte. Aktuell wirke sich die schwache Importnachfrage aus China negativ auf Exportmärkte aus. Eine kurzfristige Marktentlastung gebe es aber durch starke Importe aus Südostasien.
Momentan beobachtet IFCN eine globale Stagnation der Milchproduktion: „Seit Juli 2021 haben wir kein Angebotswachstum mehr auf dem Weltmilchmarkt“, verdeutlichte Goetz. Gleichzeitig stieg aber die Nachfrage nach Milch. Goetz erklärte die Einschätzung der IFCN:
Sehr wahrscheinlich kommt es zu einer sanften Landung der Milchpreise auf einem neuen durchschnittlichen Preisniveau von 45 bis 50 USD je kg.“ - Philipp Goetz
Es bestehe aber weiterhin die Gefahr einer Achterbahnfahrt.
Der Experte des Research Centers geht davon aus, dass sich aufgrund der steigenden Kosten und Herausforderungen immer mehr Landwirte von der Milchviehhaltung trennen. Goetz rechnet aber damit, dass Kuhmilch trotz des Hypes pflanzlicher Ersatzprodukte weiter gefragt bleibt und berichtet von einem gestiegenen pro Kopf-Verbrauch in Europa. „Kuhmilch hat von Natur aus viele wichtige Nährstoffe. Da können pflanzliche Alternativen nicht mithalten.“
Brauchen wir die Milch noch?
Eine andere Einschätzung hat Mareike Täger vom ife Institut in Kiel. „Brauchen wir die Milch noch?“ war der Titel ihres Vortrags. Die Wissenschaftlerin berichtet von einem rückläufigen Trinkmilchkonsum: „Momentan liegt der pro Kopf-Verbrauch in Deutschland bei 48 kg pro Jahr. Damit bewegen wir uns auf dem Niveau von 1991.“ Als möglichen Grund nannte Täger die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen.
Momentan verzeichnen die einen höheren Absatz als Weidemilch, aber weniger als Biomilch. „Vergleicht man den Nährstoffgehalt von Kuhmilch mit einem Sojagetränk schneidet Milch eindeutig besser ab“, so die Wissenschaftlerin. Bei einem supplementierten Produkt ließe sich das aber nicht mehr so genau sagen.
Die Untersuchung erfolgte anhand der Nährstoffe von Sojamilch und berücksichtigte die Ernährungsgewohnheiten und -bedarfe von Frauen. „Frauen brauchen Milch nicht, um ihren Nährstoffbedarf zu decken“, stellte sie ihre Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung vor. Allerdings sei es notwendig, die Ernährung umzustellen, um fehlende Nährstoffe zu kompensieren.
Mehr Fisch und Fleisch bei Milchverzicht
Dazu empfahl Täger zum Beispiel einen höheren Konsum von Gemüse, Fleisch und Fisch. Fraglich sei aber, ob die Personen, die auf Milchalternativen zurückgreifen bereit sind, Nährstoffdefizite mit anderen tierischen Lebensmitteln zu kompensieren. Forschungen zu den Bedarfen von Männern und zu anderen Milchalternativen wie Hafer- oder Mandeldrinks stehen noch aus.