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topplus Kälberverluste

Lebensschwache Kälber - ist Blauzunge die Ursache?

Rinderhalter berichten von auffälligen und nicht lebensfähigen Kälbern. Besonders in der Herbst-/Winterkalbung. Kann die Blauzungenkrankheit der Grund dafür sein?

Lesezeit: 5 Minuten

Jedes Jahr ein Kalb pro Kuh: Dieses Ziel ist für den Rinderzüchter Fabian Mayer (Name geändert und der Redaktion bekannt) aus Hessen mit seinen 60 Mutterkühen in weite Ferne gerückt.  

„Wir haben fast 40 % Verlust durch schlechte Fruchtbarkeit und Kälbersterblichkeit in dieser Saison“, sagt er. Als Grund vermutet er die Blauzungenkrankheit. Im Spätsommer zeigten sich bei dem Betrieb die deutschlandweit geläufigen Probleme mit der Fruchtbarkeit: Rund 10 % der Kühe waren nicht tragend, obwohl sie es hätten sein müssen. "Neben den nicht tragenden Tieren haben wir Aborte gesehen. Das haben mir auch viele andere Betriebe berichtet. Rund acht Wochen vor dem Kalben verkalbten rund 10 % der Kühe. Der Landwirt hatte im Sommer aber keine Symptome wie Lahmheiten, Entzündungen usw. bei den Kühen feststellen können.

Nicht lebensfähige Kälber

In der Kalbesaison nun der Schock: Auf dem Betrieb wurden seit November fünf Kälber geboren, die Symptome haben, die der erfahrene Landwirt bisher so nicht kennt. „Man bekam die Kälber nicht zum Euter“, sagt er. Die Tiere waren körperlich normal entwickelt, zeigten sich aber orientierungslos, teils apathisch und nur mit schwachem Saugreflex. „Es wirkte als hätten sie einen Hirnschaden“, beschreibt der Landwirt.

Es wirkte als hätten sie einen Hirnschaden.
Mayer

Er und sein Tierarzt gehen davon aus, dass eine für den Landwirt nicht sichtbare Infektion der Mütter in der Trächtigkeit zu den Schäden bei den Kälbern geführt haben.  „Wir haben die Kälber fast vier Wochen lang gepäppelt, ans Euter gesetzt usw. und mussten sie dann doch einschläfern", sagt Mayer. Zwei weitere Kälber kamen mit rund 18 kg deutlich zu leicht auf die Welt. Der Betrieb hatte wegen der fehlenden Symptome in der Hauptansteckungszeit keine Tiere auf Blauzunge untersucht und nicht geimpft.

Auch wegen dieser Erfahrungen will der Betrieb in diesem Jahr gegen Blauzunge impfen. Die neugeborenen Kälber auf Blauzunge untersucht hat er nicht. „Ich hab keinen Zweifel an der Ursache und kostenlos ist es ja auch nicht“, sagt er.

In seiner Vermutung, dass Blauzunge für die Symptome der Kälber verantwortlich ist, bestätigt ihn auch: Von Berufs- und Züchterkollegen hört er ähnliche Beschreibungen. Auch Tierärzte berichten davon, die Klinik in verschiedenen Herden zu sehen.

BTV3 als Ursache nicht belegt

top agrar hat sich zu dem Thema umgehört. Fazit: Experten können einen Zusammenhang mit dem Blauzungenvirus vom Serotyp 3 (BTV3) bisher nicht sicher bestätigen, schließen die Möglichkeit aber nicht grundsätzlich aus. „Es ist möglich, dass besonders im Übergang vom ersten in das zweite Trächtigkeitsdrittel die Infektion des Muttertiers auch auf das ungeborene Kalb übergehen kann“, sagt Dr. Bernd Hoffmann, Fachtierarzt für Virologie am FLI. Diese Kälber würden sich dann mit dem Virus auseinandersetzen bevor sie auf die Welt kommen. Dazu seien für BTV3 aber bisher nur vereinzelt Fälle bekannt.

Ob wirklich Blauzunge der Grund für die saugschwachen, orientierungslosen Kälber ist, ließe sich nur mit einer PCR-Untersuchung des neugeborenen Kalbs zeitnah nach der Geburt ermitteln. „Im Winter können wir davon ausgehen, dass die Kälber sich nicht direkt nach der Geburt durch Gnitzen infizieren. Wenn auffällige Kälber mittels PCR getestet werden, könnte man so einen Nachweis dafür erhalten, dass die Kälber bereits im Mutterleib infiziert wurden“, sagt Hoffmann. Da sollten die Betriebe in Absprache mit ihren Tierärzten Untersuchungen durchführen.

Nachweis bei Holsteinkälbern

Von zwei der bisher wenigen positiven PCR-Nachweisen von BTV3 in zwei jungen Kälbern kann Carina Helmer, Fachtierärztin für kleine Wiederkäuer und Laborleiterin bei der SAN Group in Höltinghausen (Niedersachsen) berichten. Zu ihrem Team wurden im Dezember Kälber von einem Milchviehbetrieb zur Sektion und Untersuchung gebracht. Diese hätten, nachdem sie augenscheinlich gesund zur Welt gekommen sind, ab dem zweiten Lebenstag deutlich gesundheitlich abgebaut. Letztlich hat starker Durchfall ab dem dritten Lebenstag zum Tod der Kälber geführt. Damit hatte der Betrieb große Probleme. „Wir haben bei den Untersuchungen natürlich diverse Durchfallerreger gefunden, die die Symptome der Tiere erklären“, sagt Helmer.

Ich vermute, dass die Infektion der Kälber im Mutterleib zu einer Immunsuppression bei den Neugeborenen führen könnte.
Helmer

Da der Krankheitsverlauf aber untypisch war, untersuchten sie Proben aus Organmaterial  via PCR auf BTV3 – und hatten damit Recht. „Ich vermute, dass die Infektion der Kälber im Mutterleib zu einer Immunsuppression bei den Neugeborenen führen könnte“, erklärt Carina Helmer. Das würde die Tiere anfälliger für beispielsweise Durchfallerreger machen.

Mangelerscheinungen nicht auszuschließen

Auch Dr. Peter Heimberg vom Rindergesundheitsdienst NRW hat von den beschriebenen Symptome von neugeborenen Kälbern gehört. Er bestätigt, dass Virusinfektionen im Mutterleib zu Störungen des zentralen Nervensystems beim Kalb führen könnten.

Er will aber auch andere Faktoren nicht ausschließen: „Durch Viruserkrankungen bei den Kühen kann es auch zu Mangelversorgungen der Kälber mit wichtigen Vitaminen und Spurenelementen, z.B. Vitamin B1 und  Selen, kommen.“  Während einer Infektion hat das Muttertier einen höheren Bedarf, z.B. durch das verstärkt arbeitende Immunsystem. Damit wird das Kalb schlechter versorgt, insbesondere wenn der Betrieb insgesamt knapp mit beispielsweise Selen versorgt ist.

Daher betont auch er: „Das alles lässt sich nur vermuten. Wer wissen will, was die Ursache für die kranken bzw. nicht lebensfähigen Kälber ist, muss in die Diagnostik einsteigen.“

Hohe Verluste nicht nur durch Kälber

Mutterkuhhalter Mayer wünscht sich, dass dem Thema mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, denn die Verluste für den Mutterkuhhalter sind hoch. Finanzielle Unterstützungen gibt es nicht. Und auch die etwaigen Untersuchungskosten werden nicht ersetzt. Zusätzlich zu den fehlenden Kälbern und deren Behandlungskosten sowie der Belastung der Betriebsleiter führen nicht tragende Kühe zu weiteren Kosten. Für den Betrieb mit Blockabkalbung fallen die Muttertiere eine komplette Saison aus.

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Beschäftigt Sie das Thema aktuell auch? Haben Sie ähnliche Probleme auf Ihrem Betrieb? Haben Sie in letzter Zeit Kälber auf BTV3 testen lassen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Fragen und Anmerkungen.

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