Ein Umsteuern in der deutschen Milchwirtschaft fordert der Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Kiel, Prof. Friedhelm Taube. „Die Zukunft liegt in einer Grünland-Milcherzeugung“, sagt er im Interview mit dem Presse- und Informationsdienst Agra-Europe.
Fehler der Veredlung werden wiederholt
Nach seiner Einschätzung wiederholen sich die Fehlentwicklungen in der Schweinehaltung gegenwärtig in der Milcherzeugung, und zwar „zeitversetzt eins zu eins“. Während jedoch der Veredlungssektor vor der Aufarbeitung der Fehler aus drei Jahrzehnten stehe, glaube man in der Milchbranche weiter an „Wachstum, Digitalisierung und Weltmärkte“.
„Die Milch verlässt das absolute Dauergrünland und wandert auf Ackerstandorte“, kritisiert Prof. Friedhelm Taube (Uni Kiel).
Eine Strategie zur überzeugenden Bereitstellung von Ökosystemleistungen sei nicht erkennbar. Stattdessen nehme man in Kauf, dass die beiden wichtigsten Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Milcherzeugung nicht mehr erfüllt werden: Zum einen die Schonung wertvollen Ackerlandes als wichtigste Ressource für die pflanzliche Ernährung der Menschheit, zum anderen Haltungsformen, die den Ansprüchen eines ursprünglichen Steppentieres ebenso entsprechen wie den Erwartungen einer kritischen Öffentlichkeit, die einen signifikanten Anteil der Weidehaltung einfordere.
Milcherzeugung muss deutlich sinken
Mindestens 75 % des Energie- und Eiweißbedarfs der Milchkuh müssen laut Taube künftig über das Grünlandfutter bereitgestellt werden. Derzeit liege der Energieanteil aus Grünlandfutter gerade einmal bei 30 %.
Dem Wissenschaftler zufolge wird die Milcherzeugung in Deutschland deutlich sinken müssen. Weder aus Gründen der Ernährungssicherheit noch aus gesundheitlicher Sicht sei das gegenwärtige Produktionsniveau zu rechtfertigen.
Taube plädiert für eine Kombination von „Fordern und Fördern“, um den Umstieg der der Milchproduktion zu gestalten: Einerseits müssten der tolerierbare Großviehbesatz von derzeit 2 GV/ha auf 1,4 GV/ha sinken und die Phosphorüberschussproblematik mit der Wiedereinführung eines maximalen P-Saldos gelöst werden.
Andererseits bedürfe es Förderinstrumente, die dem Grünland zugutekommen. Ein zentrales Instrument stelle die Einführung eines Labels „Grünlandmilch“ als gemeinsame Initiative der Milcherzeugerverbände und des Handels dar.