Trotz zunehmender Ausgaben für den Herdenschutz reißen Wölfe in Deutschland immer mehr Nutztiere. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich die Zahl der Wolfsrisse nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes fast verdoppelt.
Wurden im Jahr 2018 insgesamt 2.067 Nutztiere vom Wolf getötet, waren es 2019 schon 2.894 und im Jahr 2020 knapp 4.000. Die meisten Tiere fielen dem Wolf dabei in Niedersachsen zum Opfer (ca. 1.500).
Vor allem betroffen sind Schafe (3.444 Risse), gefolgt von Gatterwild (248), Rindern (153) und Pferden. Die Zahl der Risse steht nur teilweise im Zusammenhang mit den Wolfszahlen: So gibt es in Brandenburg und Niedersachsen jeweils 32 Rudel, in Sachsen 25, dafür in Mecklenburg-Vorpommern nur 5, obwohl das Land in der Rissstatistik auf Platz 3 liegt.
Kosten steigen stark an
Insgesamt gab es im Frühjahr 2020 (neuere Zahlen liegen nicht vor) in Deutschland 128 Rudel, 39 Paare und neun Einzeltiere. Geht man von etwa zehn Tieren pro Rudel aus, summiert sich die Zahl auf etwa 1.400 Wölfe.
Die Bundesländer haben 2020 rund 9,5 Mio. € für Präventionsmaßnahmen zum Herdenschutz und 800.000 € als Schadensausgleich an betroffene Betriebe gezahlt, in der Summe also über 10 Mio. €. Das zeigt eine Auswertung der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf. Dividiert durch die Zahl der Wölfe ergeben sich jährliche Kosten von rund 700 €/Tier. Am tiefsten griff dabei Brandenburg in die Tasche (rund 2 Mio. €), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (1,6 Mio. €) und Niedersachsen (1,4 Mio. €).
Behörden warnen bereits vor neuen Übergriffen auf Weidetiere. Denn zum einen haben die Wolfswelpen, die zu dieser Jahreszeit etwa drei Monate alt sind, einen erhöhten Nahrungsbedarf. Zum anderen sind unzureichend geschützte Weidetiere wie Schafe und Ziegen im Herbst für Wölfe eine leichtere Beute als Rehkitze, Hirsche und Wildschweine, deren Jungtiere zu reaktionsschnellen Wildtieren herangewachsen sind.
Auch laut DBBW kommen Nutztierrisse vor allem dort vor, wo sich Weidetierhalter noch nicht auf die Anwesenheit von Wölfen eingestellt und Schutzmaßnahmen getroffen haben. Wichtig aus Sicht der Behörde wäre eine Statistik, die aufzeigt, inwieweit Risse auch bei gesicherten Tierbeständen vorkommen.
„Es gibt zwar keine wolfssicheren Zäune. Aber die Erfahrungen mit Schutzzäunen zeigen, dass die Wolfsübergriffe damit zurückgehen“, bestätigt Elke Steinbach, Herdenschutzbeauftragte der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Herdenschutz bleibt wichtig
Wichtig aus ihrer Sicht ist, dass sich jeder Tierhalter zumindest mit Schutzmöglichkeiten auseinandersetzt – auch wenn der Zaunbau teilweise hohe Kosten verursacht und die Pflege aufwendig ist. „Denn jeder Wolf, der feststellt, dass ungeschützte Weidetiere leichte Beute sind, gibt das Wissen an die Nachkommen weiter“, warnt sie.
Auch wenn es irgendwann eine Bestandsregulierung geben könnte, wird der Wolf nicht mehr aus Deutschland verschwinden. Darum bleibt der Herdenschutz wichtig. „Es muss nicht in jedem Fall ein 1,20 m hoher Zaun mit sechs Litzen sein. Man kann auch mit weniger Aufwand etwas erreichen“, sagt sie. Um den Betrieben hier neutrale Hilfestellung zu geben, hat das landwirtschaftliche Bildungszentrum Echem (Niedersachsen) jetzt acht verschiedene wolfsabweisende Musterzäune für verschiedene Weidetierarten aufgebaut und bietet dazu Beratungen an.
Stimmungsbild zum Wolf
Unabhängig davon wächst die Kluft zwischen Land- und Stadtbevölkerung bezüglich der Einschätzung, wie man mit dem jährlich um über 30 % steigenden Wolfsbestand verfahren sollte.
67 % der Niedersachsen begrüßen die Rückkehr der Wölfe. Allerdings sieht eine deutliche Mehrheit von 72% der Befragten auch die Probleme für die Weidetierhaltung und die Menschen. Das zeigt eine Umfrage, die die Mitglieder des Aktionsbündnisses Aktives Wolfsmanagement in Auftrag gegeben haben.
65 % der Befragten stimmen dem Abschuss in bestimmten Fällen zu, wenn es etwa um Wölfe geht, die wiederholt Nutztiere reißen oder sich Siedlungen oder Menschen nähern. Die jüngere und städtische Bevölkerung sieht die Rückkehr des Wolfes positiver als die ältere und ländliche Generation.
Das niedersächsische Umweltministerium hat jetzt weitere Studien in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie viele Wölfe für die Arterhaltung nötig sind und bis zu welcher Grenze eine Bestandsregulierung möglich wäre.