Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Start der Ernte 2024 Agrarpaket der Bundesregierung Pauschalierung

topplus Interview mit Aldi-Direktorin

„Es gibt keine Alternativen zu einer tierwohlgerechteren Nutztierhaltung“

Aldi Süd gehört zu den Trendsettern in der Tierwohldebatte. top agrar sprach mit Dr. Julia Adou, Director Sustainability bei Aldi Süd, über die nächsten Schritte.

Lesezeit: 10 Minuten

Vor rund drei Jahren haben Aldi Nord und Aldi Süd angekündigt, das komplette Frischfleisch-Sortiment bei Schwein auf Haltungsformstufe 3 und 4 umzustellen. Liegen Sie im Plan?

Adou: Im Frischfleisch-Segment sind wir bei Aldi Süd aktuell sehr zufrieden mit den Entwicklungen. Bereits heute stammen über 50 % des Frischfleisches aus den höheren Haltungsformen. Beim Puten- und Rindfrischfleisch konnten wir bereits komplett umstellen, beim Schweinefrischfleisch verfolgen wir unser Ziel konsequent weiter.

Das Wichtigste zum Thema Schwein mittwochs per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie beim Schweinefleisch?

Adou: Anders als im Rindviehbereich müssen die Landwirte ihre Schweineställe viel stärker umbauen. Das geht aber nur, wenn die Politik endlich Klarheit beim Genehmigungsrecht schafft. Auch die Finanzierungsfrage muss dringend geklärt werden.

Stichwort Tierwohlfinanzierung: Welche Lösung favorisiert Aldi Süd?

Adou: Ein schlüssiges, bürokratiearmes und langfristig angelegtes Finanzierungsinstrument ist für die Transformation der Landwirtschaft unerlässlich. Aldi Süd hat seit jeher die Ziele der Borchert-Kommission unterstützt. Aus diesem Grund verfolgt das Unternehmen die aktuellen Entwicklungen, die beispielsweise durch die Zukunftskommission Landwirtschaft getrieben werden, mit großem Interesse und bringt sich etwa über den Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVLH) aktiv in die Diskussion ein.

Entscheidend ist, dass endlich eine Lösung gefunden wird. Diese kann jedoch erst im Detail bewertet werden, wenn ein konkreter Vorschlag vorliegt. Unabhängig von der Ausgestaltung des Finanzierungsinstruments ist es zentral, dass das Geld direkt bei den Betrieben ankommt und die höheren Haltungsformen nicht benachteiligt werden.

Der Bundesverband Rind und Schwein (BRS) hat sich jüngst dafür ausgesprochen, den Markt entscheiden zu lassen, sollten die Mehrwertsteuererhöhung bzw. die Verbraucherabgabe scheitern. Wie stehen Sie dazu?

Adou: Aus unserer Sicht ist es die Aufgabe der Politik zu bewerten, welches Finanzierungsmittel letztendlich das richtige ist. Wie erwähnt, bringen wir uns aber gerne über unterschiedliche Kanäle in die bestehenden Diskussionen ein.

„Die Umsatzanteile aus höheren Haltungsformen haben sich verdoppelt.“

Wie hat sich das Einkaufsverhalten der Kunden von Aldi Süd in Bezug auf höhere Haltungsformstufen entwickelt, und wie beeinflusst das Ihren weiteren Tierwohlweg?

Adou: Wir haben unsere Ziele in einigen Bereichen wie zum Beispiel bei der Trinkmilch oder dem Puten- und Rindfrischfleisch bereits vorzeitig erreicht. Dies wäre nicht möglich, wenn unsere Kund:innen den Weg nicht mitgehen würden. Unsere Umsatzzahlen zeigen ganz eindeutig, dass sich die Nachfrage nach Tierwohlware bei uns weiterhin positiv entwickelt.

Beim Frischfleisch haben sich die Umsatzanteile aus den höheren Haltungsformen beispielsweise im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Unser Anspruch als Grundversorger ist es dabei stets, nachhaltigere Lebensmittel und eine bewusste Ernährung - und somit auch Tierwohlware - für alle leistbar zu machen. 

Welche Gründe sehen Sie, dass Fleisch aus höheren Haltungsformen angeblich immer beliebter wird? Gestiegener Werbedruck, fehlende Alternativen aus den Haltungsformstufen 1 und 2?

Adou: Das Thema Tierwohl gewinnt für immer mehr Menschen an Relevanz und wird bei der Kaufentscheidung berücksichtigt - das sehen wir auch ganz konkret bei unseren Kunden. Auch der Ernährungsreport 2023 des BMEL hat das gezeigt. Hier haben 80 % der Befragten angegeben, dass die Haltung des Tieres, von dem das Lebensmittel stammt, ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl von Lebensmitteln ist.

Landwirte beklagen, dass der Lebensmittelhandel bei Preisverhandlungen immer wieder massiven Druck aufbaut. Auch bei Tierwohlfleisch, das wesentlich teurer in der Produktion ist, ist das so, beklagen Insider. Ist das nicht der falsche Weg, höhere Tierwohlstandards haben nun mal ihren Preis?

Adou: In der Regel kaufen wir nicht bei Landwirten direkt ein, sondern es gibt - bis auf wenige Ausnahmen - jemanden dazwischen, eine Molkerei, die Schlachtung oder zum Beispiel den Wurstlieferant. Diese Vertragspartner machen uns Angebote. Die Unternehmen sind in der Regel langjährige, strategische Partner von uns. Das nur zur Einordnung.

Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass es in Deutschland langfristig keine Alternative zu einer tierwohlgerechteren Nutztierhaltung gibt. Die Kosten der Landwirte für Tierwohlware kann es nicht zum Preis von konventioneller Ware geben und am Ende müssen die Landwirte für ihren Mehraufwand entsprechend entlohnt werden - das ist klar.

 

Der Umsatzanteil von Fleisch und Wurst liegt im LEH bei ca. 15 %. Wie hat er sich bei Aldi Süd entwickelt. Welche Bedeutung hat das Segment tierisches Protein langfristig noch für Aldi Süd? Welche Rolle spielt das pflanzliche Protein?

Adou: Nach wie vor fragen unsere Kund:innen tierische Produkte wie Fleisch und Wurst bei uns nach. Wir sehen aber eine klare Entwicklung in Richtung der höheren Haltungsformen. Daher bauen wir unser Sortiment hier kontinuierlich aus.

Parallel dazu erweitern wir unser Sortiment im Bereich pflanzliche Ernährung. Bereits jetzt bieten wir bei Aldi Süd über 1.000 vegan gekennzeichnete Produktsorten an. Der Umsatz mit veganen Produkten ist seit dem Jahr 2020 um knapp 50 % gestiegen.

Dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass die Verbraucher:innen auch in Zukunft tierische Produkte nachfragen werden. Daher wird bei Aldi Süd neben dem breiten veganen und vegetarischen Sortiment auch Fleisch und Wurst - mit Fokus auf die höheren Haltungsformen - weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

„Fleisch und Wurst spielen bei Aldi Süd auch in Zukunft eine wichtige Rolle.“

Ausgenommen von der Aldi-Initiative „#Haltungswechsel“ sind weiterhin Tiefkühlprodukte sowie Convenience- und Fertiggerichte. Auch Aktionsware klammern Sie zum Teil aus, siehe Rindfleisch. Warum all diese Einschränkungen?

Adou: Aldi war der erste und bisher einzige Lebensmitteleinzelhändler, der sich auch bei den gekühlten Fleisch- und Wurstwaren mit der kompletten Umstellung auf die höheren Haltungsformen bis 2030 konkrete Ziele gesetzt hat. Mit der Umstellung des Frischfleischs und der gekühlten Fleisch- und Wurstwaren decken wir bereits den allergrößten Teil der Fleischprodukte ab, die bei Aldi angeboten werden.

Auch mit Blick auf die Aktionsware planen wir bis 2030 komplett auf Haltungsform 1 und 2 zu verzichten und sind damit ebenfalls allein auf weiter Flur. Tiefkühl-sowie Convenience-Produkte stellen bei Aldi Süd nur einen sehr geringen Anteil am Fleisch-Sortiment. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht auch hier mit einer schrittweisen Weiterentwicklung der Haltungsstandards beschäftigen.

Die Bauern sagen, dass ein 5xD-Bekenntnis seitens des Handels aufgrund der im EU-Vergleich extrem gestiegenen Produktionskosten für sie überlebenswichtig ist. Wie stehen Sie mittelfristig zur deutschen Herkunft?

Adou: Die deutsche Herkunft ist für uns - auch mit Blick auf den Haltungswechsel - essenziell. Wir schätzen die hohe Qualität heimischer Produkte und wollen damit auch ein Zeichen als verlässlicher Partner der deutschen Landwirtschaft setzen. Wo immer möglich, beziehen wir Produkte aus der Region und bekennen uns klar zur deutschen Landwirtschaft.

Unsere Trinkmilch stammt zum Beispiel bereits komplett aus Deutschland. Das konventionelle Schweinefrischfleisch bezieht Aldi Süd zudem ausschließlich nach dem 5xD-Prinzip. Auch bei Obst und Gemüse setzen wir den Fokus auf heimische Produkte. Zur deutschen Spargelsaison bezieht Aldi Süd beispielsweise ausschließlich Spargel aus Deutschland. Dies gilt im Übrigen auch für Erdbeeren. Erst kürzlich hat Aldi Süd die neue, exklusive Erdbeer-Sorte „ALDIna“ auf den Markt gebracht, die ausschließlich in Deutschland angebaut wird.

 

Im Handel versucht jeder den anderen zu übertrumpfen. Das führt zu einem regelrechten „Tierwohl-Ankündigungssturm“. Woher wollen Sie künftig eigentlich ihre Tierwohlware beziehen, wenn sie immer früher neue Tierwohlstandards setzen?

Adou: Wir haben unsere Ziele im Jahr 2021 mit dem Haltungswechsel klar gesteckt und so marktseitig Planungssicherheit für die Lieferant:innen geschaffen. Unsere Ziele haben wir seitdem auch nicht verändert.

Von Anfang an haben wir jedoch betont, dass die Transformation der Landwirtschaft eine Gemeinschaftsaufgabe ist und nur zusammen gelingen kann. Daher ist zwingend auch die Unterstützung der Politik notwendig. Der Haltungswechsel - und somit die Umstellung auf die höheren Haltungsformen - ist eng mit dem Produktionsstandort Deutschland verbunden, daher braucht es schnell vernünftige Lösungen - und das besser heute als morgen.

„Die höheren Kosten der Bauern müssen honoriert werden.“

Bei doppelt so viel Platz pro Tier steigen die Produktionskosten um 25 bis 30 Cent pro kg Schlachtgewicht. Jede weitere Tierwohlvorgabe verteuert die Produktion weiter. Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass die Endverbraucher die Mehrkosten akzeptierten und die Bauern eine ausreichende Vergütung erhalten?

Adou: Klar ist, dass es Tierwohlware nicht zum Preis von konventioneller Ware geben kann. Die höheren Kosten der Landwirte für mehr Tierwohl müssen honoriert werden. Dafür brauchen wir - wie bereits eingangs gesagt - ein schlüssiges, bürokratiearmes und langfristig angelegtes Finanzierungsinstrument. Zentral ist aus unserer Sicht, dass das Geld direkt bei den Betrieben ankommt und tierische Produkte aus höheren Haltungsformen nicht übermäßig verteuert werden.

Warum tut sich der Handel so schwer damit, den Lieferanten langfristige Abnahmeverträge zu geben? Die Händler wissen doch, dass Schweineställe auf 20 Jahre abgeschrieben werden.

Adou: Der Haltungswechsel bleibt ein langfristiges, strategisches Projekt. Aus diesem Grund setzen wir zunehmend auf längerfristige Vertragsbeziehungen mit unseren Partner:innen entlang der Lieferketten.

In der Diskussion bekommen wir aber immer wieder auch die Rückmeldung, dass sich unsere Partner auch an anderer Stelle eine gewisse Flexibilität bewahren möchten. Eines kann ich aber noch einmal unterstreichen: Aldi Süd steht zu seinem 2030er-Commitment.

Die Bauern haben das Gefühl, dass der LEH über ihre Köpfe hinweg entscheidet und nur seine eigenen Interessen im Blick hat. Gibt es bei Aldi Süd ein Bauerngremium, das Sie berät?

Adou: Uns ist wichtig, nah an den Bäuerinnen und Bauern dran zu sein und zu verstehen, was sie beschäftigt. Daher sind wir im stetigen Austausch mit der Landwirtschaft. Sowohl über die aktive Mitarbeit in unterschiedlichen Arbeitsgruppen, Brancheninitiativen und Veranstaltungen sowie über direkte bilaterale Gespräche mit Branchenvertretern.

Wir haben bei Aldi Süd zudem ein eigenes landwirtschaftliches Team, das nah an der Praxis dran ist und eigene Betriebsbesuche über alle Tierarten hinweg durchführt. Diese Gespräche sind für uns enorm wertvoll und haben einen hohen Stellenwert im Unternehmen.

 

Zu viele Label können Verwirrung stiften. Ist das neue „Deutschland-Label“ der ZKHL der richtige Weg?

Adou: Für uns ist entscheidend, dass unsere Kund:innen eine bewusste Kaufentscheidung treffen können. Die Einführung des Herkunftskennzeichens Deutschland ,,Gutes aus deutscher Landwirtschaft‘‘ ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und es ist ein klares Signal für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft. Aldi Süd hat im November 2023 eine Absichtserklärung zugunsten des neuen Herkunftskennzeichens abgegeben und arbeitet derzeit gemeinsam mit seinen Lieferant:innen an der Einführung des Siegels.

 

Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind zwei Themen, die uns alle betreffen. Wie beurteilen Sie die Chancen, dass beide Trends das Thema Tierwohl auf Dauer ablösen?

Adou: Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind Themen, die uns natürlich umtreiben und bei denen wir uns stetig weiterentwickeln. Das Thema Tierwohl ist genauso wie das Thema Klimaschutz Teil der facettenreichen Nachhaltigkeitsdebatte. Beide Themen stehen nach meinem Verständnis nicht konträr zueinander. Ich bin vielmehr der Meinung, dass wir gut daran tun, sie von Anfang an gemeinsam zu denken.

 

Mithilfe der Landwirte kann der LEH seinen CO2-Fußabdruck deutlich senken, Stichwort Scope 3. Was bieten Sie den Bauern dafür als Gegenleistung?

Adou: Klimaschutz kann nicht als Einbahnstraße gedacht werden. Sowohl der Handel als auch die Landwirtschaft sollten ein Eigeninteresse daran haben, den landwirtschaftlichen CO2-Abdruck zu senken. Mit den Fragen, wie uns das gemeinsam mit unseren Partnern gelingt und wie wir die Landwirtschaft noch klima- und umweltfreundlicher gestalten können, beschäftigen wir uns sehr intensiv.

Neben der Eigeninitiative der Branche kann ein Ansatz sein, die Landwirte mit verschiedenen Projekten für mehr Klima- und Artenschutz zu begeistern. Ein Beispiel für eine solche Zusammenarbeit ist das Naturland-Förderprogramm Artenvielfalt. Das Programm zielt darauf ab, Landwirt:innen zu fördern, die Maßnahmen zur Stärkung der Artenvielfalt unternehmen. Aktuell haben sich bereits rund 100-Naturland-Betriebe für das Programm angemeldet. Aldi Süd zahlt für jedes verkaufte Naturland-zertifizierte Produkt einen bestimmten Betrag in einen Fonds ein und unterstützt das Naturland-Förderprogramm gemeinsam mit Aldi Nord als exklusiver Partner. Um das für die Kund:innen transparent zu machen, kennzeichnen wir alle Produkte, die unter die Naturland-Kooperation fallen, mit dem neuen Logo „Für mehr Artenvielfalt“.

Mehr zu dem Thema

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.