Den Krankheitsdruck mindern, das Tierwohl fördern und mehr Geld verdienen: Wer will das nicht? Trotzdem mangelt es manchmal an Zeit und Bereitschaft, Betriebsabläufe anzupassen. Wer sich aber genauer mit dem Potenzial eines gut durchdachten Hygienemanagements beschäftigt, der dürfte seine Einstellung schnell ändern. Das verdeutlichte ein Webinar des Netzwerks Fokus Tierwohl.
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Die Hygiene spielt eine entscheidende Rolle für das Wohlergehen und die Gesundheit von Schweinen.
Bereitschaft und Zeit der Landwirte zur Anpassung ihrer Betriebsabläufe entscheiden in der Praxis über den Erfolg im Stall.
Tränken und Tröge verdrecken schnell und bekommen in den meisten Ställen beim Reinigen zu wenig Aufmerksamkeit.
Sauen sollten vor dem Umstallen in den Abferkelbereich gründlich gewaschen werden. Reinigungsmittel ist dafür nicht zwingend erforderlich.
„Ein keimfreier Stall ist weder nötig noch praktikabel“, sagt Dr. Céline Heinemann vom Institut für Tierwissenschaften der Universität Bonn. Doch vor der Reinigung müsse man von etwa 1.000.000.000 Bakterien/cm2 Stallfläche ausgehen. Nachher seien es noch 1.000.000 Stück. Eine ordentliche Desinfektion reduziere die Zahl auf nur noch 1.000 Bakterien/cm².
Den Mikroorgansismen das Futter klauen
Das Reinigen entfernt nicht nur unerwünschte Substanzen, sondern entzieht vor allem den Mikroorganismen ihre Nährstoffgrundlage. Die optimale Reinigung umfasst vier Komponenten: Temperatur, Zeit, Mechanik und Chemie. Diese lassen sich zu einem gewissen Teil gegeneinander austauschen.
Zum Beispiel ermöglicht eine höhere Temperatur, weniger Reinigungsmittel einzusetzen. Als mechanische Hilfsmittel zählen Bürsten, aber auch der Wasserdruck. Dieser sollte zwischen 70 und 120 bar liegen – je nach Verschmutzungsgrad.
Erst grob reinigen
Oberstes Gebot beim Waschen: Dreck kann man nicht desinfizieren. Daher ist der erste Schritt immer die Grobreinigung, bei der zum Beispiel Heuraufen geleert und lose Teile wie Beißseile demontiert werden. Lange Einweichzeiten helfen, Dreck zu lösen und sparen wertvolle Arbeitszeit.
Mit dem Hochdruckreiniger sollten sich Tierhalter immer von oben nach unten und von hinten nach vorne durch das Abteil arbeiten. Dabei hilft eine möglichst kurze Lanze. So fällt es leichter, den Winkel zwischendurch zu verändern und mehr Schmutz zu entfernen.
Gemäß Schweinehaltungshygiene-Verordnung ist jeder Landwirt vor der Wiederbelegung zum Reinigen und Desinfizieren seiner Ställe verpflichtet. Das gilt auch für die zum Verladen von Schweinen eingesetzten Gerätschaften. Denn wenn Erreger etwa über Treibbretter und Paddel in die neue Tiergruppe gelangen, schwinden die Vorteile des Rein-Raus-Systems rasant.
Erregerspezifisch desinfizieren
Im Vordergrund steht beim Desinfizieren die Frage: Welcher Erreger macht Ärger? Tierhalter sollten nicht zum nächstbesten Mittel greifen, sondern die Auswahl auf den eigenen Betrieb zuschneiden, etwa mittels Beprobung.
Bakterien können allerdings auch Resistenzen gegen Desinfektionsmittel entwickeln. Daher die Wirkstoffe regelmäßig wechseln! Sich unbedacht mit mehreren Mitteln abzusichern, ist keine gute Idee: Im schlimmsten Fall heben sich die Wirkstoffe gegenseitig auf.
Vor der Desinfektion sollten alle Flächen abgetrocknet sein. Während der Einwirkzeit bleibt die Lüftung am besten ausgeschaltet. Optimal ist eine anschließende Stallruhe von vier bis fünf Tagen. Nach dem Leerstand helfen Wäscheklammern an den Nippeltränken, das abgestandene Wasser aus den Leitungen abzulassen. Nur so bekommen die nächsten Ferkel ab dem ersten Moment frisches Wasser.
Wände und Böden meist unkritisch
Weitere hygienische Risikofaktoren hat die Uni Bonn im Rahmen einer Studie ermittelt. Untersucht wurden sechs Praxisbetriebe mit jeweils 620 bis 3.000 Mastplätzen. Proben zog man an insgesamt 15 Stellen pro Abteil.
Das Ergebnis: Wände und Böden waren unkritisch. Eine enorme Keimbelastung zeigte sich dagegen in und auf Rohren, Tränken und Trögen. In diesen Bereichen sind also gezielte Reinigungsmaßnahmen nötig.
Biofilm: Problemstelle Tränke
Besonders kritisch ist die Bildung von Biofilmen, die sowohl innen als auch außen an den Tränken auftreten können. Diese schleimartigen Schichten bestehen aus Ausscheidungen von Bakterien und bieten Krankheitserregern Schutz vor Desinfektionsmitteln. So können sie leicht bis zum Einstallen der nächsten Tiergruppe überleben. Probleme sind also vorprogrammiert, insbesondere in schwer zugänglichen und feuchten Stallbereichen.
Biofilme können außerdem den Geruch und Geschmack des Wassers verändern, sodass Schweine weniger saufen. Mit der Zeit können sie Tränkenippel auch ganz zusetzen.
Leitungen in Intervallen reinigen
„Kontinuierliche Desinfektionsmittel für Wasserleitungen sind aus Sicht der Tierernährung aber kritisch“, warnt Prof. Dr. Julia Steinhoff-Wagner von der Technischen Universität München. „Was gegen den Biofilm in der Leitung wirkt, das beeinflusst in hohen Konzentrationen auch den natürlichen und gewollten Biofilm im Darm.“ Besser sei es, die Leitungen in Intervallen und auch mechanisch, etwa per Spülmaus, zu reinigen. Man könne z. B. den ersten Meter hinter der Tränke nach jedem Durchgang reinigen und die ganze Leitung einmal im Jahr. Bei der Kontrolle helfen neben Tüchern und Taschenlampen auch günstige, mit dem Smartphone verbundene Endoskop-Kameras.
Tröge und Tränken ggf. austauschen
Ein weiteres Risiko ist laut Dr. Heinemann das oft ungünstige Design von Trögen und Schalentränken, das die Reinigung erschwert. Zum Beispiel setzen sich Falzkanten leicht mit Futterresten zu. Auslässe sind oft so positioniert, dass Reste von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln im Trog bleiben. In jedem Fall sollte man Tränken und Tröge zum Schluss noch einmal mit niedrigem Druck und klarem Wasser abspülen, um Spritzer zu entfernen.
Besonders gefährlich ist die Milchbeifütterung im Abferkelbereich. „In den Tassen entstehen schnell Ablagerungen aus Fett und geronnenem Eiweiß“, erklärt Dr. Steinhoff-Wagner. Diese Schicht sei das optimale Nährmedium für Bakterien. Tränken und Tassen sollten deshalb nicht nur gereinigt, sondern auch regelmäßig erneuert werden. Die Expertin empfiehlt zudem, Firmen auf Produktoptimierungen anzusprechen oder gleich selbst Hand anzulegen. „Alles, was mühsam zu reinigen ist, wird früher oder später vernachlässigt“, steht für sie fest.
„Ein keimfreier Stall ist nicht praktikabel.“
Infektion über die Luft
Wo ein Schwein frisst und säuft, sollte es sauber sein – das leuchtet ein. Aber wozu jetzt auch noch die oberhalb liegenden Rohre reinigen, mit denen das Tier doch gar nicht in Berührung kommt? In der Studie der Uni Bonn wurde hier oft der Erreger Staphylokokkus aureus gefunden, der sich über die Luft verbreitet und z. B. eitrige Infektionen hervorrufen kann.
Pflicht und Chance
Und wenn man es übertreibt? Senkt zu viel Hygiene die Abwehrkräfte der Tiere? „Wenn ich eine gute Bakterienflora habe, macht es keinen Sinn, sie zu zerstören“, erklärt Dr. Steinhoff-Wagner. Aber: Ein Verzicht auf Reinigung und Desinfektion wäre fahrlässig und ein Verstoß gegen das Gesetz.
Durch die Maßnahmen können Landwirte über die Tiergesundheit langfristig auch den wirtschaftlichen Erfolg ihres Betriebs positiv beeinflussen. Allerdings erfordert das ein bewusstes und sorgfältiges Vorgehen. Weiterführende Infos zu Hygienetechnik, Reinigung und Desinfektion von Stallanlagen finden Sie auch im DLG-Merkblatt 364.