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Klima im Schweinestall: Die unsichtbare Gefahr

Kann das Stallklima schuld an den Problemen in meinem Stall sein? Dieser Frage ging Stallklima- und Fütterungsexperte Markus Böckelmann gemeinsam mit Tierärztin Charlotte Schlenker auf den Grund.

Lesezeit: 9 Minuten

Unsere Autorin Charlotte Schlenker, Tierärztin, berichtet.

Schnell gelesen

Eine Woche war Tierärztin Charlotte Schlenker mit dem Stallklima- und Fütterungsexperten Markus Böckelmann in Ober- und Niederösterreich unterwegs.

Die falsche Temperatur im Stall kann Krankheiten auslösen. Temperaturmessungen nah bei den Tieren helfen.

Das Liegeverhalten der Tiere und die Luftzirkulation sollten täglich beobachtet werden, um Probleme wie „Luft-Kurzschlüsse" und unzureichende Frischluft­zufuhr zu korrigieren.

Jeder weiß, dass Stallklima ein wichtiges Thema ist. Aber könnten Sie sagen, ob in Ihrem Stall CO2-Werte über 2.000 ppm messbar sind? Wie schnell und wohin sich die Luft ­bewegt und ob erhöhte Schadgaswerte vorliegen, können ohne Messgerät nicht wahrgenommen werden! Oder doch? Wer seine Schweine gut beobachtet, kann einen Teil der Probleme direkt bei ihnen ablesen. Andere Probleme können mit einfachen Methoden untersucht werden.

Als Tierärztin stehe ich öfter vor der Situation, dass die Schweine vor mir eigentlich gesünder sein sollten, als sie sind – gemessen am Stall und an den Bemühungen der Landwirtin oder des Landwirtes. Oft liegen Probleme mit dem Futter oder dem Stallklima vor. Deshalb habe ich Ende November 2024 den deutschen Experten für Stallklima und Fütterungstechnik Markus Böckelmann eingeladen, eine Woche in Ober- und Niederösterreich zu verbringen. Wir haben eine Woche lang Betriebe besucht, und er hat ein zweitägiges Stallklima­seminar für uns Schweinetierärztinnen und -tierärzte abgehalten und einen Fütterungstechnikvortrag für Schweinehalterinnen und -halter. Einige Methoden und häufige Fehler beim Stallklima zu erkennen und zu messen, werde ich hier teilen.

Ein einfacher Fall

Auf einem Betrieb wurden Babyferkel zugekauft und mit einem Alter von wenigen Wochen in einen vorgeheizten Stall gebracht. Kurz darauf trat immer schwerer Durchfall auf, an dem jeweils mehrere Ferkel verstarben. Hier fand der Experte das Problem recht schnell: Ein Blick auf den Lüftungscomputer der beiden Abteile zeigte eine Raumtemperatur von 19 bzw. 22 °C. Auch die Sektionsergebnisse ergaben keine schwerwiegenden krankmachenden Erreger – obwohl die Ferkel ganz klar am Durchfall verstorben waren. Nachdem das Problem offensichtlich wurde, tat nun der Landwirt sein Bestes, die Temperatur zu erhöhen. Allerdings scheiterte er aufgrund der betrieblichen ­Beschränkungen. Die Heizung ermöglichte kaum eine Erhöhung der Vor­lauftemperatur und die beiden Außenwände des einen Abteils bewirkten heftige Wärmeverluste.

Die Lösung fand der Landwirt, indem er beide Hälften der gelieferten Partie für die ersten zwei Wochen in die zweite (wärmere) Bucht einstallte, sodass die Raumtemperatur endlich deutlich erhöht wurde. Außerdem brachte er eine Abdeckung über der beheizten Liegefläche an, so dass den Ferkeln ein warmes Mikroklima zur Verfügung stand. Dies sind sehr einfache Mittel, um eine große Verbesserung in der Gesundheit zu erzielen. In diesem Fall trat hinterher kaum noch Durchfall auf.

CO2-Gehalt messen

Ein Problem, das wir in dieser „Stallklima-Woche“ mehrfach gemessen haben, war die mangelnde Frischluft im Tierbereich. Der CO2-Wert, der möglichst nahe bei den Tieren gemessen werden sollte. Werden Werte zwischen 1.500 und 2.000 ppm gemessen, hat man eine gute Luftzufuhr erreicht. Jeder hat schon einmal von CO2-Seen gehört, die manchem Landwirt das Leben gekostet haben. Eine chronische CO2-Vergiftung mit ständig leicht erhöhten CO2-Werten hat dagegen keine solchen fatalen Auswirkungen. Allerdings sorgt sie für eine ständige schlechtere Sauerstoffversorgung aller Organe mit allen Konsequenzen. Was nützt es nun, eine perfekte Ration zu füttern, die beste Genetik ausgesucht zu haben, die modernsten Tränken zu verwenden, wenn das Tier dann das großartige Futter gar nicht vollständig verarbeiten kann, weil die Organe nicht leistungsfähig sind?

Beim Menschen ist der Zusammenhang mit gehäuften Erkrankungen der Schleimhäute und Atemwege sowie schlechterer Konzentrationsfähigkeit be­wiesen. Auch Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schwindel treten bei erhöhten CO2-Werten auf. Ein CO2-Wert von über ca. 1.400 ppm gilt nach DIN-EU als schlechte Raumluftqualität. Wir sind dagegen im Schweinestall schon glücklich über Werte unter 2.000 ppm. Und wen wundert dann ein Kanniba­lismusausbruch, wenn je nach Außentemperatur sogar Werte von 4.000 ppm gemessen werden?

Wenn eine Messung im Ferkelbereich einen Wert von 4.100 ppm ergibt und beim Abluftventilator nur 2.900 ppm gemessen werden, wie wir es in einem Fall erlebt haben, dann liegt möglicherweise ein „Luft-Kurzschluss“ vor – die Zuluft kommt in den Raum und bewegt sich direkt zum Ventilator, statt vorher bei den Ferkeln „vorbeizuschauen“. Hier hilft es, die Luftbewegungen zusätzlich mit Nebel sichtbar zu machen. Mit Nebelmaschinen oder Strömungsprüfröhrchen kann Rauch an eine bestimmte Stelle im Raum gebracht werden, um zu beobachten wohin sich die Luft bewegt. Wie die Stallbesuche zeigten ist eine Erhöhung des CO2-Wertes sehr viel häufiger, als gedacht und wahrscheinlich deutlich häufiger als eine Erhöhung von NH3.

Abferkelung ist kritisch

Dass eine Haufenlage auf einen zu kalten Stall hinweist, hat sich herumgesprochen. Was ist allerdings, wenn sich die Ferkel beispielsweise nur zur Hälfte auf die Wärmeplatte und zur Hälfte ­daneben legen, wie es in einem besuchten Betrieb der Fall war? Erst einmal möchte ich festhalten, dass dieses Liegeverhalten nicht erwünscht ist. Daraus lässt sich schließen, dass die Wärmeplatte für einen Teil der Ferkel recht ist und für einen Teil zu warm und damit viel Wohlbefinden für die Ferkel verloren geht. Zweitens fördert dieser Umstand das Erdrücken von Ferkeln – es sollten sich möglichst viele im Ferkelnest aufhalten.

Was zu tun ist, erklärt Böckelmann: „Das kommt auf den CO2-Wert an.“ Mit einem Messgerät war schnell festgestellt, dass dieser bei ca. 1.950 ppm lag, also soweit in Ordnung war. Da­raus schlussfolgert er, dass das Absenken der Vorlauftemperatur für die Ferkel-Wärmeplatten um mehrere Grad die sinnvollste Maßnahme ist. Wäre der CO2-Wert zu hoch gewesen, wäre es nötig gewesen, die Luftrate zu erhöhen – entweder über eine Absenkung der Solltemperatur im Raum oder über eine Erhöhung der minimalen Luftrate des Abluftventilators.

Aus gut gemeintem Mitgefühl mit den Tieren wird die Raumtemperatur in der Abferkelung sehr oft zu hoch an­gesetzt. Die Wohlfühltemperatur einer Zuchtsau liegt zwischen 10 °C und 17 °C. Außerdem zeigen Studien klar, dass Saugferkel sich bei Raumtemperaturen über 20 °C deutlich weniger im Ferkelnest aufhalten. Meiner Ansicht nach sind 20 °C in der Abferkelung ein Kompromiss aus Wohlbefinden von Sau, Ferkeln und Mensch. Wird die Raumtemperatur höher angesetzt, führt das zu einer starken Belastung der Sau, die sich in Wehenschwäche und Milchmangel manifestieren kann. 

Dabei ist unbedingt das Liegeverhalten jedes Wurfs täglich zu beobachten – wenn sich die Ferkel nicht auf ihre Wärmeplatte legen oder auf Haufen liegen, muss unbedingt eine komfortable Zone für die Ferkel geschaffen werden. Mit Kälte kann bei Ferkeln recht zuverlässig Durchfall ausgelöst werden, abgesehen von allem anderen Stress. Lassen Sie die Liegeflächen dagegen niemals über 40 °C heiß werden, wenn Sie keine gebratenen Ferkel möchten. Bei etwa 38 °C liegt die Wohlfühltempe­ratur an der Oberfläche einer Wärmeplatte für ein neugeborenes Ferkel. Die erforderliche Temperatur sinkt natürlich, je älter die Ferkel werden.

Heikle Phase Aufzucht

In der heiklen Phase nach dem Absetzen sind Klima und Futterstruktur so wichtig wie zu keinem anderen Zeitpunkt. Bei allen Faktoren, die auf die Ferkel einstürmen – Verlust der Mutter, Wechsel der Umgebung, harte, zu frühe Futterumstellung von Milch auf festes Futter (in der Natur dauert die Säugezeit 3 bis 4 Monate), plötzliche völlige Änderung der „Kumpels“ um das Ferkel herum mit der plötzlichen Not­wendigkeit, eine Rangordnung auszufechten, andere Raumtemperatur, andere Liegeflächen.

Das Ferkel ist darauf angewiesen, dass alles so perfekt wie möglich ein­gerichtet ist, damit es diese Phase gut überstehen kann. Denn kommt noch Kälte oder Zugluft oder ein erhöhter CO2-Gehalt oder zu kleine, warme Liegeflächen dazu, dann ist es verständlich, wenn das Ferkel krank wird oder schlecht ins Fressen kommt.

Temperatur langsam senken

Grundsätzlich sei hier erwähnt, dass als Faustregel gilt: 28 °C Raumtemperatur beim Absetzen mit vier Lebenswochen, danach jede Woche um 1 °C absenken, bis man bei 20 °C angekommen ist. Ein häufiger Fehler sind zu hohe Temperaturen bei Körpergewichten von 20 bis 30 kg. Auch hier meint man es oft gut. Aber sind die Ferkel leicht verschmutzt, so ist ihnen zu warm, und sie kühlen sich, indem sie sich in Kot und Urin legen. Hier gehört die Raumtemperatur gesenkt – bitte schrittweise, nur etwa 0,5 °C pro Tag.

In einem Betrieb, in dem wir Ende November zu Besuch waren, war starkes Auseinanderwachsen der Ferkel zu beobachten. Die Ferkel lagen trotz der Abdeckung mit Infrarotheizung in Haufen. Hier haben wir gleich mehrere Verbesserungsmöglichkeiten festgestellt. Die Futterstruktur war zu fein, das Wasser nicht optimal (zu ­wenig Tränken), die Fressplätze etwas zu knapp, das Klima nicht korrekt. Der Einsatz von CO2-Messgeräten und Rauch zeigte auch hier einen „Luft-Kurzschluss“: Die eintretende Frischluft schaffte es nicht in den Tierbereich, sondern die aufsteigende warme Luft über den Tieren sorgte dafür, dass die Frischluft von der Porendecke aus direkt Kurs auf den Decken-Abluftven­tilator nahm.

Hier ließ sich keine schnelle Lösung finden. Sondern eine Umstellung der Lüftung wurde beschlossen und eine Türganglüftung diskutiert. Der Landwirt setzt diese nun um und wird auf Dauer die Zuluft anwärmen, um ein gutes Stallklima zu erreichen. Außerdem hat er mehrere andere Faktoren verbessert. In diesem Betrieb zeigte sich die gute Zusammenarbeit zwischen Tier­arzt und Stallklimaberater. Denn wenn die Untersuchungsbefunde keine spezifischen Krankheitserreger ergeben, sollte immer sehr intensiv an Managementfaktoren geforscht werden.

Gleiche Regeln in der Mast

In der Mast gelten grundsätzlich die gleichen Regeln wie in der Aufzucht. Auch hier müssen die Schweine täglich beobachtet werden, um am Verhalten abzulesen, ob sie Probleme haben könnten. Ich behaupte, dass sich fast jeder Kannibalismusausbruch schon vorher an den Tieren ablesen lässt. Zumindest lässt sich erkennen, dass ein hohes Risiko bestehen könnte. Oft muss einfach nur die Solltemperatur im Raum angepasst werden, um eine Verbesserung zu erzielen.

In Tierwohlstallungen mit Außenklimareiz, wie sie nun häufiger anzutreffen sind, muss das Umfeld des Stalls stärker in die Bauweise und in den Betrieb einbezogen werden. Denn wer mit starken Windschwankungen kämpft, muss erst einmal die Zuluft regulieren, bevor es im Stall überhaupt funktionieren kann. Dieses Problem hat ein klassischer Warmstall weniger, denn die Frischluft wird kontrollierter in den Stall geleitet. Fragen Sie sich: Kann eine starke Windböe ungebremst auf meine Tiere treffen? Funktioniert die Luftzirkulation auch in den Liegeflächen? Es kann herausfordernd sein, den Tieren ein gesundes Umfeld zu bieten.

Ein Blick auf das Klima im eigenen Stall lohnt sich. Schauen Sie sich um – wen gibt es in Ihrer Umgebung, der weiterhelfen kann? Die Experten aus Raumberg-Gumpenstein helfen, wenn Not am Mann ist. Oft gibt es auch in der näheren Umgebung jemanden, der einen Blick in Ihren Stall werfen kann. Zu gewinnen haben Sie dabei nicht nur erhöhte Gesundheit, verbunden mit weniger Medikamenteneinsatz und Zeitaufwand, sondern auch bessere Futterverwertung, Wachstum und mehr Freude am und im Stall.

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