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Neue Regeln für stallspezifische Impfstoffe bei Schweinen

Neue Vorgaben sollen die Herstellung und den Einsatz stallspezifischer Impfstoffe EU-weit vereinheitlichen. Unter bestimmten Bedingungen dürfen sie sogar überbetrieblich angewendet werden.

Lesezeit: 7 Minuten

Unsere Autorin: Prof. Isabel Hennig-Pauka, Tierärztliche Hochschule Hannover, Außenstelle Bakum

Stall- bzw. bestandsspezifische Impfstoffe, in Fachkreisen auch Autovakzine genannt, sind ein wichtiger Bestandteil zur Gesunderhaltung der Tierbestände. Denn sie ergänzen die Impfprophylaxe für Erreger oder bestimmte Erregersubtypen, für die keine kommerziellen Impfstoffe zur Verfügung stehen.

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Schnell gelesen

  • Stallspezifische Impfstoffe sind ­sinnvoll, wenn für den jeweiligen Erreger keine kommerziellen Vakzine verfügbar sind oder diese nachweislich nicht wirken.

  • Neue EU-Vorgaben sollen den Einsatz von stallspezifischen Vakzinen EU-weit vereinheitlichen. Leitlinien für deren Herstellung und Einsatz sind zurzeit in Arbeit.

  • Maßgeschneiderte Impfstoffe dürfen künftig über den eigenen Bestand hinaus eingesetzt werden. Es muss jedoch eine epidemiologische Verbindung bestehen.

  • Für den Impferfolg sind eine exakte Erregerbestimmung, eine sorgfältige Grundimmunisierung und das Verabreichen der vollen Impfdosis ganz entscheidend.

Zudem können sie zum Schutz vor selten vorkommenden Erregern hergestellt werden, für die sich eine kommerzielle Herstellung nicht lohnt. Denn im Gegensatz zu industriell produzierten Tierimpfstoffen sind stallspezifische Impfstoffe von der teuren Zulassungspflicht befreit.

Vorgaben vereinheitlichen

Es gibt jedoch Rahmenbedingungen, die für die Herstellung und Anwendung von Autovakzinen gelten. Und die wurden in der EU mit der Verordnung über Tierarzneimittel (EU 2019/6), die seit dem 28. Januar 2022 rechtskräftig ist, neu definiert. Ziel der Verordnung ist, die rechtlichen Vorgaben für bestandsspezifische Impfstoffe EU-weit zu harmonisieren.

Auch für bestandsspezifische Impfstoffe gelten die Regeln der guten Herstellungspraxis (GMP). Sie sollen die Qualität der Vakzinen sicherstellen. Diese Regeln sind aber noch nicht abschließend definiert. Die EU erarbeitet dazu gerade detaillierte Leitlinien. Bis die vorliegen, werden nach Meinung von Experten jedoch noch zwei bis drei Jahre vergehen.

Bis dahin stützen sich die Hersteller und Anwender von Autovakzinen auf Vorschläge, die der europäische Verband der Produzenten von Autovakzinen (EMAV) und die Internationale Organisation für Biostandards (IABS) selbst initiiert haben.

Was ändert sich?

Zunächst einmal gilt wie bisher, dass bestandsspezifische Impfstoffe nur unter außergewöhnlichen Umständen angewendet werden dürfen. Dazu gehört z. B., dass für die entsprechende Tierart und das Anwendungsgebiet kein kommerzieller Impfstoff zugelassen sein darf.

Neu ist hingegen, dass der Tierarzt, der die Herstellung in Auftrag gibt, jetzt prüfen und dokumentieren muss, dass es EU-weit keinen zugelassenen Fertigimpfstoff gibt. Um den Veterinären die Recherche zu erleichtern, wird derzeit gerade eine entsprechende EU-Impfstoffdatenbank erstellt.

Die außergewöhnlichen Umstände sollten nach Empfehlungen der Stän­digen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKoVet) auch dann gelten, wenn es Lieferengpässe bei konventionellen Impfstoffen gibt oder der industriell hergestellte Impfstoff nachweislich nicht wirksam ist. Und sie sollten zudem gelten, wenn der im Impfstoff enthaltene Erregerstamm nicht identisch ist mit dem Erreger, der im Problembetrieb nachgewiesen wurde bzw. wenn durch den Impfstamm keine ausreichende Immunität zu erwarten ist.

Neu: Epidemiologische Einheit

Neu ist auch die Definition des Anwendungsbereichs. Bisher galt, dass mit einem bestandsspezifischen Impfstoff nur Schweine behandelt werden dürfen, die sich im selben Bestand bzw. am gleichen Ort befinden wie die Tiere, von denen die Erreger stammen, die zum Herstellen des stallspezifischen Vakzins genutzt wurden.

Mit der neuen rechtlichen Regelung hingegen ist es jetzt möglich, innerhalb der EU auch Tiere zu impfen, die sich in derselben „epidemiologischen Einheit“ befinden oder in einer „epidemiologischen Verbindung“ zu den Tieren stehen, von denen der Impfstofferreger gewonnen wurde. Als epidemiologische Einheit wird dabei eine Gruppe von Tieren bezeichnet, in der jedes einzelne Tier dem gleichen Risiko ausgesetzt ist, mit dem Infektionserreger in Kontakt zu kommen.

Der behandelnde Tierarzt muss dazu im Einzelfall bewerten, in welcher epidemiologischen Verbindung die Tiergruppen zueinander stehen, die den stallspezifischen Impfstoff erhalten sollen. Dabei spielen die Übertragungswege des Erregers und das Haltungssystem eine entscheidende Rolle. Denn es macht einen großen Unterschied, ob der Erreger leicht über die Luft übertragen werden kann, wie z. B. Influenzaviren, oder ob dazu ein direkter bzw. indirekter Kontakt von Tier zu Tier erforderlich ist wie bei Salmonellen.

Am offensichtlichsten ist die epidemiologische Verbindung bei einer direkten Lieferbeziehung zwischen Ferkelerzeuger und Mäster. Die neuen EU-Vorgaben erlauben es nun, dass der Ferkelerzeuger die Ferkel bereits vor der Auslieferung gegen einen Erreger impfen darf, der im Mastbetrieb isoliert wurde. Auf diese Weise können die Ferkel früh eine eigene Immunität gegen den Erreger entwickeln und erreichen entsprechend geschützt den Mastbestand.

Erreger exakt bestimmen

Um entscheiden zu können, ob für den Erreger ein kommerzieller Impfstoff zur Verfügung steht oder eine bestandsspezifische Vakzine in Auftrag gegeben werden sollte, muss zunächst der Erreger genau bestimmt werden. Dafür werden vom behandelnden Tierarzt etwa fünf akut erkrankte, antibiotisch nicht vorbehandelte Tiere ausgewählt und beprobt. Im Idealfall werden die Tiere dazu seziert.

Häufig sind Begleitkeime am Krankheitsbild beteiligt. Deshalb ist es vorteilhaft, die zu untersuchenden Proben an Körperstellen der Tiere zu entnehmen, die normalerweise steril sind. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, den wahren Verursacher zu isolieren. Geeignete Körperstellen bei Schweinen sind z. B. die Hirnhaut nach Entfernung der Schädelkalotte, der Herzbeutel, das Bauchfell oder die Gelenke.

Schwieriger ist die Probennahme bei Organen, die normalerweise nicht steril sind, wie z. B. die Lunge oder der Darm. Denn hier findet man fast immer Koinfektionen mit anderen Keimen. Lässt sich kein einzelner Erreger isolieren, kann es sinnvoll sein, eine Bestandsvakzine in Auftrag zu geben, die mehrere Erreger enthält.

Da es sich beim Schwein in der Regel um multifaktorielle Erkrankungen mit Keimen handelt, die auch bei gesunden Schweinen auf Schleimhäuten nachgewiesen werden können, sollte nicht allein der Erregernachweis entscheidend sein. Für die Diagnose ist es deshalb wichtig, bei der Sektion auch auf krankheitstypische Organveränderungen zu achten.

Two-Shot-Tot-impfstoffe

Bestandsspezifische Impfstoffe dürfen nur inaktivierte Erreger enthalten. Deshalb müssen die Schweine für die Grundimmunisierung zweimal im Abstand von etwa drei Wochen geimpft werden. Zum Anzüchten benötigt jeder Erreger andere Wachstumsbedingungen. Welche das sind, welche Formalinmenge zur Inaktivierung des Erregers nötig ist und welchen Hilfsstoff (Adjuvans) man am besten verwendet, gehört zu den Betriebsgeheimnissen der Hersteller von Autovakzinen.

Das Herstellen des Impfstoffes dauert etwa fünf bis acht Wochen, in Einzelfällen auch länger. Um die Verträglichkeit des Vakzins an einer kleineren Tiergruppe vorab testen zu können, sollte der Tierarzt auch ein kleineres Gebinde mitbestellen. Dann muss für den Test nicht gleich eine große Impfstoffflasche angebrochen werden.

Für spätere Nachbestellungen lagert der Impfstoffhersteller das Erregerisolat ein. Nach ein bis drei Jahren – abhängig vom jeweiligen Erreger – sollte das Isolat und damit der Impfstoff jedoch aktualisiert werden.

In der Übersicht sind die Erreger aufgelistet, für die in Deutschland am häufigsten stallspezifische Impfstoffe hergestellt werden. Die Tabelle ist das Ergebnis einer Abfrage bei den Herstellern. Dabei wird nach der Häufigkeit der Herstellung unterschieden und danach, ob es für den jeweiligen Erreger ein zugelassenes Vakzin gibt oder nicht.

In der linken Spalte sind die Erreger aufgelistet, für die Autovakzine hergestellt werden, obwohl es zugelassene Impfstoffe gibt. Das kann in der Praxis z. B. dann angebracht sein, wenn von dem Erreger unterschiedliche Serotypen kursieren und zwischen den Serotypen nur eine geringe bzw. gar keine Kreuzimmunität zu erwarten ist.

In der mittleren Spalte stehen häufig hergestellte Autovakzine gegen Erreger, für die keine zugelassenen Impfstoffe zur Verfügung stehen. In der rechten Spalte sind die Keime aufgelistet, für die seltener stallspezifische Impfstoffe hergestellt werden und für die es kein zugelassenes kommerzielles Vakzin gibt.

Erst ein Testdurchlauf

Bevor ganze Tiergruppen geimpft werden, sollte die Verträglichkeit des neuen Vakzins wie bereits erwähnt zunächst an einer kleinen Vorgruppe getestet werden. Treten nach drei bis vier Tagen keine lokalen Entzündungen oder systemischen Reaktionen (z. B. ein allergischer Schock) auf, kann der ganze Bestand bzw. die ganze Tiergruppe geimpft werden.

Ganz entscheidend für den Impferfolg ist die richtige Anwendung. Da es sich um Totimpfstoffe handelt, müssen bestandsspezifische Vakzine zur Grundimmunisierung der Schweine zweimal im Abstand von etwa drei Wochen verabreicht werden. Anschließend muss der Impfschutz alle sechs Monate aufgefrischt werden. Wichtig ist, dass die Tiere bei jeder Impfung die volle Dosis erhalten.

Auch der Impfzeitpunkt ist von Bedeutung. Mutterschutz- und Ferkelimpfungen müssen so aufeinander abgestimmt werden, dass der maternale Schutz bei den Ferkeln nicht die Bildung eigener Antikörper behindert. Den genauen Impfzeitpunkt muss der Hoftierarzt festlegen.

Zur Impfung gehört natürlich auch eine sorgfältige Dokumentation. Die Ständige Impfkommission Veterinär­medizin empfiehlt, die Wirksamkeit der Impfung an den Hersteller zurück­zumelden. Das könnten z. B. labordiag­nostische Untersuchungsergebnisse sein. Der Antikörpergehalt im Blut sagt jedoch nichts über den tatsächlich vorhandenen Impfschutz aus. Deshalb muss man sich in den meisten Fällen auf klinische Befunde und den subjektiven Eindruck des behandelnden Tierarztes verlassen.

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