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So produziert Frankreich Schweine

Rinderrassen, Wein und Käse – dafür ist Frankreich bekannt. Doch das Land ist auch drittgrößter Schweinefleischproduzent der Europäischen Union. Was macht die französische Schweinehaltung aus?

Lesezeit: 7 Minuten

Im Vergleich zu anderen Ländern weist die Schweineproduktion in Frankreich zwei Besonderheiten auf: Die starke Organisation in Erzeugergemeinschaften, den sogenannten Kooperativen, und den hohen Anteil geschlossener Systeme.

So hält der typische französische Schweinebetrieb durchschnittlich 260 Sauen und mästet seine Ferkel selbst. Er bewirtschaftet rund 80 ha und beschäftigt gut drei Vollzeit-Arbeitskräfte, davon 55 % im Angestelltenverhältnis.

Von Sau bis Schlachtung

Ein geschlossenes System betreiben laut Dr. Christine Roguet vom nationalen Schweineforschungsinstitut IFIP mindestens 80 % der französischen Schweinehalter. Diese Zahlen präsentierte sie Ende Mai auf dem Kongress der European Pig Producers (EPP) in Nantes.

Die European Pig Producers (EPP) sind ein soziales Forum für Schweineproduzenten mit aktuell 583 Mitgliedern aus 22 Ländern. Mit jeweils rund 170 Mitgliedern sind Deutschland und die Niederlande am stärksten vertreten.

Staat hat Genossenschaften gefördert

Ein weiteres starkes Merkmal der französischen Schweinehaltung sind Erzeugergemeinschaften. Im Jahr 2022 wurden 89 % der Menge von Betrieben erzeugt, die einer von 32 Genossenschaften angehören. Aber woher kommt dieser hohe Anteil?

Dazu ein kleiner Exkurs: Gegen Ende der 1960er-Jahre konnte das Angebot an Fleisch die wachsende Nachfrage der Franzosen nicht decken. Frankreich entwickelte einen staatlichen Rationalisierungsplan für die Schweineproduktion, der Erzeugergemeinschaften förderte. Landwirte sollten durch ein gebündeltes Angebot den bestmöglichen Preis für ihr Schweinefleisch erzielen. Gleichzeitig sollten die Produktionskosten durch die schnellere Verbreitung des technischen und genetischen Fortschritts sinken. Konkret bedeutete das: Wer einer Erzeugergemeinschaft beitrat, bekam öffentliche Beihilfen, um seinen Betrieb zu modernisieren und mehr Fleisch zu produzieren.

Heute decken viele dieser Genossenschaften die komplette Wertschöpfungskette ab – von Futtermitteln über Stalleinrichtung bis hin zur Schlachtung, Verarbeitung und Vermarktung.

5,6 Mio. Schlachtschweine bei Cooperl

Ein Beispiel ist das Unternehmen Cooperl. Die 1966 gegründete Genossenschaft vertritt aktuell etwa 3000 Schweine- und Rinderhalter. 2022 erwirtschaftete sie einen Umsatz von 2,79 Mrd. €. Jährlich kommen rund 5,6 Mio. Schlachtschweine zusammen.

Mit seinem 360°-Ansatz möchte das Unternehmen dem Schweinesektor ein Komplettpaket an Technologien und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Das Ziel: Landwirtschaft, Industrie und Umweltschutz vereinen. So beschäftigt die in den 1990er-Jahren gegründete Umweltabteilung „Cooperl Environnement“ mittlerweile fast 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Nachhaltig produzieren

Cooperl betreibt zum Beispiel 66 Anlagen für die thermische Behandlung von Gülle. Daraus entstehen bis zu 230 Düngeprodukte für verschiedene Branchen. Über eine Biogasanlage am Hauptsitz des Unternehmens werden 10.000 Haushalte mit Energie versorgt. Für Schlachtung und Verarbeitung verbraucht Cooperl große Mengen Wasser. Das wird in einem zweistufigen Prozess aufbereitet und steht im Anschluss wieder für die Reinigung zur Verfügung. Überschüssiger Wasserdampf aus der Produktion wird resorbiert und zum Heizen genutzt. Lkws und Schlepper laufen mit Biodiesel, der 80 % weniger Treibhausgase produzieren soll. Aktuell arbeitet Cooperl außerdem am Einstieg in die Algenproduktion.

Auch in der Schweinezucht ist ­Cooperl aktiv. Mit ihrer Tochtergesellschaft Nucléus hielt die Genossenschaft 2023 bei den Zuchtsauen 22 % Marktanteil, bei den Ebern 24 %. Die besten 10 % der Cooperl-Sauenhalter kommen im Schnitt auf 13,9 abgesetzte Ferkel pro Wurf und eine Futterverwertung von 1 : 2,2.

Know-how in der Bretagne

Eindeutiges Kerngebiet der französischen Schweinehaltung ist der Westen des Landes, wie die Karte zeigt. Gut 56 % der Schweineproduktion finden in der Region Bretagne statt, knapp 12 % im angrenzenden Pays de la Loire – für Dr. Christine Roguet kaum verwunderlich: „Die produktive Effizienz der landwirtschaftlichen Betriebe steigt mit der Anzahl der Betriebe im selben geografischen Gebiet.“ Das gelte insbesondere für die tierische Erzeugung, die ja nicht direkt von der EU-Agrarpolitik unterstützt werde.

Die drei größten Schlachter

Auch 70 % der Mischfutterproduktion und 63 % der Schlachtungen erfolgen in der Bretagne. Die drei größten Schlachter sind die Bigard Gruppe mit 24 % Marktanteil, dicht gefolgt von Cooperl mit 20 % Marktanteil und Agromousquetaires mit etwa 11 %. Dahinter standen 2022 rund 5,59 Mio., 4,65 Mio. bzw. 2,54 Mio. Schlachtschweine.

Zum Vergleich: Das größte deutsche Schlachtunternehmen Tönnies brachte im gleichen Jahr rund 14,79 Mio. Schweine an den Haken – ein Marktanteil von 31,4 %.

Der französische Schweinepreis liegt aktuell bei etwa 2 €/kg Schlachtgewicht. Korrigiert man die Notierung auf eine gemeinsame Referenzbasis von 79 % Ausschlachtung, 57 % Muskelfleischanteil, netto und ab Hof der Landwirte, liegt sie laut ISN (Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands) jedoch etwas höher als die deutsche.

Immer weniger Schweine

Laut Landwirtschaftszählung hielten die Franzosen 2020 rund 13,3 Mio. Schweine, davon knapp 0,96 Mio. Sauen. Wie in Deutschland sinkt die Zahl der Schweinehalter jedes Jahr – allerdings weniger stark als hierzulande, wie die Übersicht zeigt. 2020 waren es in Frankreich gut 13.000 Betriebe, 2023 noch etwa 12 .00 Betriebe.

Beim Fleischverzehr hat Geflügel in den vergangenen Jahren stark aufgeholt. Trotzdem bleibt Schweinefleisch in Frankreich auf Platz eins. 2022 waren es 31,1 kg pro Kopf und Jahr, davon wurden 25 % als Frischfleisch verzehrt.

Stress mit Emissionen

Das Hauptthema der letzten Monate war für französische Schweinehalter die Überarbeitung der EU-Industrieemissionsrichtlinie, so Roguet. Sie fordert umfangreiche Maßnahmen zur Emissionsminderung. Für Schweine werden die Schwellenwerte von 2000 Mastplätzen oder 750 Sauen auf 350 Großvieheinheiten (GVE) gesenkt, also auf 700 Sauen oder 1166 Mastschweine. In Frankreich würde der Anteil der von der Richtlinie betroffenen Schweinebetriebe extrem steigen. Die Richtlinie müssen EU-Mitglieder innerhalb von 22 Monaten nach Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen, so auch Deutschland.

Nach Ansicht des Nationalen Schweinefleischverbands Inaporc würde das aufgrund sehr kostspieliger Investitionen zur Aufgabe vieler Betriebe führen und die französische Ernährungssouveränität schwächen.

Droht Ferkelknappheit?

Platzvorgaben für den Deck- und Abferkelbereich gibt es in Frankreich bisher zwar nicht. Doch auch aufgrund knapper Arbeitskräfte könnten hier künftig immer mehr Betriebe die arbeitsintensive Sauenhaltung aufgeben, so Dr. Christine Roguet. Bisher müsse Frankreich extrem wenige Ferkel importieren. Bei Ferkelknappheit würde das französische Erfolgskonzept dagegen ins Wanken geraten. Denn der Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch liegt aktuell schon nur noch knapp über 100 %.

Bald mehr Im- und Export?

Ganz ohne Außenhandel kommt Frankreich auch jetzt nicht aus, doch Im- und Export halten sich die Waage. Knapp die Hälfte der Importe kommt aus Spanien, Deutschland lieferte 2023 rund 15 %. Mangelware sind tendenziell Teilstücke und verarbeitete Fleischprodukte. Unter den top Exportländern Frankreichs ist ebenfalls Spanien, aber auch viele weitere europäische Staaten. Einen Anteil von 16 % hat China.

Zwei Szenarien für den Außenhandel

Für den Außenhandel sieht Dr. Christine Roguet daher zwei mögliche Szenarien: Im besten Fall setzt sich der französische Patriotismus durch und Kunden bevorzugen in Zukunft heimische Markenprodukte. Ebenso gut kann sie sich aber vorstellen, dass Importe aus Spanien und Deutschland zunehmen, weil der Preis das entscheidende Kaufkriterium für die Franzosen sein wird. Während die französischen Produktionskosten im EU-Vergleich gut dastehen, können nachgelagerte Kosten für Schlachtung und Verarbeitung höher sein. Darüber hinaus handele es sich beim Handel mit Schweinefleisch um Teilstücke, deren Preis auf dem Markt je nach Schlachtkörperbilanz der einzelnen Länder variieren kann.

Den Beruf attraktiv halten

Eine weitere Herausforderung sieht Apolline Pissot, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Inaporc, in den sozialen Debatten und den immer älter werdenden Betriebsleitern. Jungen Franzosen seien Freizeit, Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz enorm wichtig.

Der Verband hat sich deshalb mit Nichtregierungsorganisationen zusammengesetzt und eine Strategie für die Schweinebranche bis 2035 entwickelt.

Die Hauptthemen sind Versorgungssicherheit, Umweltschutz, Tierwohl, Lebensmittelsicherheit sowie Attraktivität der Branche. Zum Beispiel soll bis dahin mindestens 90 % recyceltes Material für Verpackungen genutzt werden. Treibhausgas- und Ammoniakemissionen sowie der Wasserverbrauch sollen sinken. Außerdem soll bis 2035 jedes zweite Produkt am Markt das Herkunftslogo „Le Porc Français“ tragen. Gleichzeitig wirbt Inaporc zweimal im Jahr mit großen Imagekampagnen für französisches Schweinefleisch.

Auch IFIP-Expertin Roguet ist sich sicher, dass die Zukunft der Schweinehaltung weitgehend von der Fähigkeit des Sektors abhängen wird, junge Landwirtinnen und Landwirte für den Beruf zu begeistern. Trotz einer effizienten Organisation des Sektors sowie guter wirtschaftlicher Ergebnisse im Jahr 2023 geht sie davon aus, dass der Schweinebestand in Frankreich weiter sinken wird.

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