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topplus Integrierter Pflanzenschutz

Biologische Verfahren nehmen Fahrt auf

Künftig könnten auch biologische bzw. biotechnische Lösungen verstärkt zum Einsatz kommen. Welche es gibt, wie sie wirken und welche Innovationen in der Pipeline sind, lesen Sie nachfolgend.

Lesezeit: 7 Minuten

Schnell gelesen

Auch biologische Verfahren sind ein wichtiger Baustein im IPS.

Mit Schlupfwespen lassen sich Maiszünsler begrenzen, mit der Attract-and-Kill-Methode Drahtwürmer in Kartoffeln.

Die RNAi-Technik ist recht neu und wirkt hochspezifisch, ohne toxisch zu sein.

An Pflanzen-Biostimulanzien wird weiter stark geforscht – noch ist ihre Wirkung „überschaubar“, wie Versuche zeigen.

Das Interesse an biologischen Fungiziden und Insektiziden nimmt zu.

Der Einsatz von parasitierenden Schlupfwespen gegen Maiszünsler und die Attract-and-Kill-Strategie gegen Drahtwürmer in Kartoffeln mögen einigen Landwirten bekannt sein. Recht neu sind hingegen die Entwicklungen bei der RNAi-Technik und bei den biologischen Pflanzenschutzmitteln. Zudem forschen die Firmen verstärkt nach wirksamen Pflanzen-Biostimulanzien. Hier ein Überblick.

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Trichogramma: Mit Schlupfwespen ­gegen Maiszünsler

Abgeknickte Fahnen oder Bohrlöcher in den Maisstängeln – das sind die typischen Schadsymptome von Maiszünslern. Mittlerweile tritt der Schädling fast bundesweit auf.

Bekämpfen lässt er sich u. a. auch biologisch, und zwar mithilfe von sogenannten Trichogramma-Schlupfwespen. Diese parasitieren die Eigelege von Maiszünslern, sodass keine Zünsler-, sondern Schlupfwespenlarven daraus schlüpfen.

Die Nützlinge, die man speziell züchtet, werden auf einem Trägerstoff im Ruhezustand geliefert. Der Einsatz sollte in Perioden mit intensiver Eiablage der Zünsler erfolgen. Zu empfehlen ist laut Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) eine zweimalige Anwendung im Abstand von rund 14 Tagen.

Wichtig für eine gute Wirkung ist, den optimalen Einsatztermin zu treffen. Halten Sie sich dafür u. a. mit den Informationsrundschreiben der Offizialberatung auf dem Laufenden. Diese basieren z. B. auf Beobachtungen des Falterflugs in Licht- und Pheromonfallen. Zurzeit ist mit Ento­Prog auch ein neues Prognosemodell für Maiszünsler in der Entwicklung.

Die Wirkungsgrade ­erreichen rund 65 %

Generell lassen sich die Trichogramma-Schlupfwespen in Form von Kugeln (Trichokugeln) mit Drohnen ausbringen oder händisch per Karte (Trichokarten). Beziehen können Sie die nur etwa 0,4 mm großen Schlupfwespen bei Herstellern wie z. B. Biocare GmbH, Fenaco – Agroline Bioprotect oder AMW-Nützlinge.

Erfolgt die Ausbringung per Drohne (z. B. durch Anbieter wie Dobbix), kümmern sich in der Regel Dienstleister wie Maschinenringe, Landhändler oder Lohnunternehmen um die gesamte Logistik, inkl. der Beschaffung der Schlupfwespen. 

Je Einsatz benötigt man 100 Kugeln/ha (= 100.000 Schlupfwespen). Bei zwei Einsätzen liegen die Kosten inklusive der Ausbringung bei ca. 95 €/ha. Nach Praxiserfahrungen des LLH erreicht diese biologische Bekämpfungsmethode in Hessen einen Wirkungsgrad von durchschnittlich 65 % (bei zwei Anwendungen zur passenden Zeit).

Hinweis: Im Rahmen der Maiszünslerbekämpfung ist es grundsätzlich wichtig, die Maisstoppeln gut zu zerkleinern, um das Winterquartier des Schädlings zu zerstören. Am besten ist es, die Stoppeln z. B. zu mulchen und anschließend sauber unterzupflügen. In Wasserschutzgebieten und auf erosionsgefährdeten Flächen kann man mit dem Einarbeiten der geschlegelten Stoppelreste auch bis Anfang Mai warten. Nutzen lassen sich dann z. B. Grubber oder Scheibeneggen.

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Attract-and-Kill: „Bio-Strategie“ gegen ­Drahtwürmer

Die Drahtwurmprobleme nehmen in allen Ackerkulturen kontinuierlich zu. Das gilt vor allem für Flächen mit viel organischer Masse im Boden. Am stärksten betroffen ist aber der Kartoffelanbau und hier insbesondere die Speisekartoffelproduktion. Bei Befall sind an den Knollen röhrenförmige Fraßgänge mit scharf umrandeten Löchern, besonders bei Trockenheit, zu sehen. Die Folge sind Qualitätsverluste und eine verminderte Lagerfähigkeit.

Biologisch lassen sich Drahtwürmer bzw. die Larven der Schnellkäfer z. B. mit dem Mittel Attracap bekämpfen. Dieses Präparat ließ sich im Rahmen von Notfallzulassungen in den letzten Jahren – und auch in dieser Saison – einsetzen.

Wie wirkt das Mittel und was leistet es?

Attracap simuliert durch die Abgabe von CO2 eine atmende Pflanze und lockt so Drahtwürmer an. Diese finden dann aber keine Futterquelle, sondern den entomopathogenen Pilz Metarhizium brunneum Stamm Cb15-III, der aus dem Granulat herauswächst. Durch den Kontakt der Drahtwürmer mit den Pilzsporen infizieren sie sich und sterben je nach Temperatur und Bodenverhältnissen nach einigen Tagen ab. Der Hersteller Biocare GmbH spricht von einer „Attract-and-Kill-Strategie“.

In umfangreichen Versuchen der LWK Nordrhein-Westfalen schwankten die Bekämpfungsleistungen von Attracap. Oft waren sie im Vergleich zu den Granulaten SoilGuard 0.5 GR und Karate 0.4 GR (beides Pyrethroide) schwächer. Eine Anwendung des Mittels empfiehlt die Kammer daher vor allem bei leichtem Befall – und bevorzugt im ökologischen Anbau.

Der Einsatz erfolgt mit 30 kg/ha. Es wird im Frühjahr beim Legen der Kartoffeln in einem Arbeitsschritt als Bandapplikation in die Pflanzfurche ausgebracht. Die Ausbringung muss mit einem Granulatstreuer erfolgen, der beim Julius Kühn-Institut gelistet ist (www.jki.bund.de). Eine sofortige Erdbedeckung ist wichtig. 

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RNAi-Technik: Neue Methode mit viel ­Potenzial

Molekulare Pflanzenschutzverfahren, wie die RNA-Interferenz-Technik, sind zurzeit in der Entwicklung und bieten ein enormes Potenzial. Dabei geht es um den Einsatz spezieller Nucleinsäuren (RNAi), mit denen zum Beispiel die Erkennung einer Pflanze durch Schadpilze oder Insekten verhindert werden kann – sogar die Ausschaltung von Konkurrenzpflanzen ist damit möglich. Vorteil dieses zukunftsfähigen Verfahrens ist die hochspezifische Wirkung ohne Toxizität. RNAi lässt sich züchterisch in Pflanzen verankern, oder es kann in Form von Spritzmitteln zum Einsatz kommen.

Im Projekt ViVe_Beet haben Wissenschaftler kürzlich ein neuartiges Pflanzenschutzmittel gegen Läuse als Virusüberträger entwickelt, das auf RNAi basiert. Das Spray kann gezielt lebenswichtige RNA-Teilsequenzen einer Blattlaus abbauen. Nehmen die Läuse das aufgesprühte Mittel auf, schaltet es wichtige Gene im Körper ab – daraufhin sterben die Läuse. Diese sogenannte dsRNA schädigt nur den Zielorganismus und wirkt somit nicht auf Nützlinge wie Bienen.

Wie gut wirkt das Spray?

In Gewächshausversuchen konnten die Wissenschaftler mit dem Spray 70 % Mortalität bei Blattläusen erreichen. In Kürze soll es auch im Freiland zum Einsatz kommen.

Beteiligt an dem Projekt sind das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie (IME), das Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) und das Julius Kühn-Institut (JKI). Wann RNAi-basierte Mittel für die Praxis breit nutzbar werden, ist noch nicht bekannt. Die europäischen und deutschen Behörden arbeiten laut JKI derzeit an einem neuen Zulassungsverfahren für sie.

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Pflanzen-Biostimulanzien: Stimulieren, um weniger zu behandeln?

Das Wort „Pflanzen-Biostimulanzien“ ist zurzeit in aller Munde. Die Produktgruppe zählt weder zu den Pflanzen- noch zu den Düngemitteln. Sie wurde vor zwei Jahren in die Düngeprodukte-Verordnung (EU) 2019/1009 als Baustein des Integrierten Pflanzenbaus neu aufgenommen. Generell dienen die Mittel laut dem Verordnungstext dazu, „pflanzliche Ernährungsprozesse unabhängig vom Nährstoffgehalt des Produkts zu stimulieren, wobei ausschließlich auf die Verbesserung eines oder mehrerer der folgenden Merkmale abgezielt wird:

  1. Effizienz der Nährstoffverwertung,

  2. Toleranz gegenüber abiotischem Stress,

  3. Qualitätsmerkmale oder

  4. Verfügbarkeit von im Boden oder der Rhizosphäre enthaltenen Nährstoffen.“

Grundsätzlich müssen Pflanzen-Biostimulanzien natürlichen Ursprungs sein. Laut Eberhard Cramer vom Regierungspräsidium Gießen lassen sie sich von den Inhaltsstoffen her wie folgt einteilen:

Es gibt z. B. nicht mikrobielle Stoffe wie Aminosäuren pflanzlicher oder tierischer Herkunft zur Förderung von Stoffwechselvorgängen. Algen und Pflanzenextrakte sollen dagegen  die Photosynthese steigern. Huminstoffe als Bestandteile organischer Substanz mindern Stress oder steigern die Nährstoffeffizienz. Natürliche Signalstoffe können die Keimung von nützlichen Mykorrhizasporen fördern, die dann die Wasser- und Nährstoffaufnahme effizienter gestalten.

In der Gruppe der mikrobiellen Stoffe sind langjährige Bekannte zu finden, wie symbiotisch lebende Mykorrhizapilzsporen oder verschiedene Rhizobiumbakterien. Außerdem gehören freilebende Bakterien dazu, die bei Etablierung eine Krankheitsausbreitung mindern können, wie z. B. Bacillus amyloliquefaciens. Aber auch wuchsfördernde Bakterien wie Azotobacter u.a. zählen zu dieser Stoffgruppe.

Zur nicht organischen Gruppe gehören z.B. Silicum mit vielfältigem Potenzial und Kupfer mit antibakterieller sowie vorbeugender Wirkung gegen Pilze.

Effekte noch „überschaubar“

Was verschiedene Mittel leisten, prüft u.a. der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) seit 2017 in Versuchen. Hier ein Beispiel: Insgesamt liegen nach Angaben von Eberhard Cramer viele Versuchsergebnisse in Weizen mit dem Ziel „Vitalisierung von Pflanzenbeständen, Ertragssteigerungen mit Nebeneffekt und Einfluss auf Krankheiten“ vor. Dabei wurden unterschiedliche Anbausysteme, Standorte und Böden mit einbezogen. Verwendet wurden auch Mittel zur Einarbeitung in den Boden. Meist ist aber die Blattapplikation mittels Pflanzenschutzspritze der Standard.

Die Ergebnisse: Im Mittel zeigte sich

kaum ein Effekt auf den Ertrag. In einzelnen Versuchen ließ sich der Ertrag steigern, es traten gelegentlich allerdings auch Mindererträge auf. Einige Mittel, die auch Mikronährstoffe enthalten, können bei einem Mangel aber  sicherlich zu Mehrerträgen führen.

Krankheiten, deren Reduktion ausdrücklich nicht das Ziel von Biostimulanzien ist, wurden nur vermindert, wenn in dem jeweils verwendeten Mittel eine Mindestmenge Schwefel oder Kupfer vorhanden war.

Die Einschätzung des LLH: Wird in einem optimierten Ackerbau verstärkt mit weiten Fruchtfolgen, Zwischenfrüchten und organischer Düngung gearbeitet, ist von Biostimulanzien in Weizen bislang ein geringes Potenzial zu erwarten. Keinesfalls ist das Potenzial der Biostimulanzien mit der Leistung chemischer Pflanzenschutzmittel vergleichbar.

Dennoch: Vor dem Hintergrund einer künftig schrumpfenden Pflanzenschutzmittelpalette, von Resistenzentwicklungen, Umweltvorgaben und reduzierten Düngermengen, ist es wichtig, weiterhin nach neuen, begleitenden Lösungen – wie es die Biostimulanzien sein können – zu suchen.

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