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Ist Integrierter Pflanzenschutz künftig ein Muss?

Noch immer setzt die Praxis den Integrierten Pflanzenschutz auf dem Acker nicht konsequent um. Dabei wird es allerhöchste Zeit.

Lesezeit: 5 Minuten

Unser Autor: Prof. (i. R.) Dr. Klaus Schlüter, vormals FH Kiel/FB Agrarwirtschaft

Jeder hat den Ansatz des „Inte­grierten Pflanzenschutzes (IPS)“ schon einmal gehört. Trotzdem wendet die Praxis ihn nicht stringent an. Das muss sich ändern – denn andernfalls lassen sich z. B. ­wegen zunehmender Resistenzentwicklungen und gesetzlicher Vorgaben in Zukunft kaum noch stabile Erträge ernten.

Schnell gelesen

Wer trotz Resistenzen, Klimawandel und Politikrestriktionen künftig noch viel ernten will, muss die Ansätze des Integrierten Pflanzenschutzes jetzt umsetzen.

Dazu gehören die Wahl gesunder Sorten, erweiterte Frucht­folgen, angepasste Bodenbearbeitungskonzepte etc.

Die Herausforderung ist, die Maßnahmen klug und wirtschaftlich zu verknüpfen.

Der chemische Pflanzenschutz zählt unverrückbar zum IPS – Politik und NGOs sollten damit aufhören, ihn zu ­verteufeln.

Integrierter Pflanzenschutz – was ist das eigentlich?

Besonders prägnant wurde der IPS damals in der Agenda 21 der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwickung in Rio de Janeiro definiert: „Der Integrier­te Pflanzenschutz, der die biologische Bekämpfung, die Wirtspflanzenresistenz und angepasste Kulturmaßnahmen miteinander verknüpft und den Einsatz chemischer Mittel auf ein Minimum reduziert, ist die optimale Lösung für die Zukunft. Denn er sichert Erträge, senkt Kosten, ist umweltverträglich und trägt zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft bei.“ 

Seit der EU-Pflanzenschutzrichtlinie 2009 ist der IPS für die gesamte EU-Landwirtschaft verpflichtend: Er steht als Kernstrategie in den „Aktionsplänen zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“, kurz NAP.

Das sind die Kernelemente

Die Idee des IPS besteht darin, durch angepasste Kulturmethoden die Wahrscheinlichkeit eines Schadens möglichst gering zu halten. Welche Maßnahmen dafür zur Verfügung stehen, ist in der Übersicht unten dargestellt.

Das Herzstück ist der Anbau  gesunder Sorten. Das wird zunehmend wichtiger, weil der Krankheitsdruck vor allem in den Winterkulturen wegen des milderen Wetters kontinuierlich zunimmt, Mittelzulassungen wegfallen und neue Wirkmechanismen fehlen. Im Rahmen des IPS ist auch eine erweiterte bzw. gesunde  Fruchtfolge  eine wichtige Maßnahme, um einen Erregerdruck niedrig zu halten oder Unkräuter/-gräser kontrollieren zu können. Daneben gehört u. a. noch Folgendes dazu:

  • Eine angepasste Bodenbearbeitung, um z. B. durch eine beschleunigte Rotte bestimmte Erreger zu dezimieren.

  • Späte Saattermine von Wintergetreide, um z. B. den Ackerfuchsschwanzauflauf zu begrenzen.

  • Nützlinge fördern, um Insektizide einzusparen.

  • Unkräuter/-gräser möglichst mechanisch bekämpfen – das senkt den Herbizideinsatz und die Resistenzgefahr.

  • Nutzung von Pflanzen-Biostimulanzien, um z. B. die Pflanzen gegenüber  Erregern und Stress durch Witterungsextreme zu stärken.

  • Durchdachter Einsatz chemischer Mittel nach Schadschwellen, um Erträge und Qualitäten zu sichern.

Zwar setzen einige Betriebe einen Teil dieser Maßnahmen bereits um. Dennoch gibt es deutlich Luft nach oben. Wie es gelingt, in Zukunft noch integrierter zu arbeiten, lesen Sie in den nachfolgenden Beiträgen.

Nicht nur drüber reden, ­sondern auch machen!

Dass ein „Weiter wie bisher“ keine Option ist, zeigen folgende Entwicklungen:

Alarmstufe Rot bei Resistenzen: Bislang setzte die Praxis zur Kontrolle von Getreidekrankheiten fast ausschließlich auf drei Wirkstoffgruppen mit höchster Intensität – und zwar auf Triazole, Carboxamide und Strobilurine. Das förderte Resistenzen, teils bis zur Wirkungslosigkeit. Bei der Ungras- und Unkrautkontrolle ist die Resistenzentwicklung ebenfalls weit vorangeschritten: So weisen z. B. immer mehr Ackerfuchsschwanzpflanzen multiple Resistenzen gegenüber mehreren Wirkstoffgruppen auf.

Gefahr durch Klimawandel: Generell erhöhen die wärmeren Temperaturen durch den Klimawandel den Druck mit Schädlingen und das Risiko von Pilzinfektionen. So profitiert z. B. Ramularia stark von der zunehmenden Wärme.

Mehr politische Vorgaben: Auch nach dem Scheitern der SUR bleibt es das erklärte Ziel der EU-Kommission, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel über den Green Deal bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will diese Forderung nun mit dem neuen „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ umsetzen.

Zudem hat die EU die sogenannte Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit – ebenfalls im Rahmen des Green Deals – verabschiedet. Darin geht es u. a. um eine verschärfte Regulierung von Stoffen. Somit wird sich die Strategie wohl zusätzlich auf die künftig verfügbare Wirkstoffpalette auswirken.

Wer unter diesen Rahmenbedingungen noch sicher ernten will, sollte seinen Ackerbau jetzt auf „Integriert“ umstellen. Dabei kommt es auf eine kluge Kombination der IPS-Maßnahmen an: Am Anfang sollte die Wahl gesunder Sorten und eine zum Standort passende (weite) Fruchtfolge stehen. Bei der Bodenbearbeitung sollte man flexibel bleiben. Manchmal kann auch ein Pflugeinsatz sinnvoll sein, um z. B. das Inokulumpotenzial von Pilzen zu senken.

Passen Sie obendrein die Fungizidintensität an die Witterung an (auch mithilfe von Prognosemodellen) und sorgen Sie für eine gute Nährstoffversorgung der Kulturen – denn nur gut versorgte Pflanzen sind widerstandsfähig. Wichtig ist auch, wann immer möglich, den Einsatz chemischer Mittel durch bessere Ausbringtechniken, Bandspritzungen oder mechanische Verfahren zu beschränken.

Ausblick

Der IPS bedeutet sicherlich nicht, alle Maßnahmen jedes Jahr zwanghaft umzusetzen. Letztendlich kommt es auf ein gutes Zusammenspiel an. Dabei darf man die Ökonomie keinesfalls aus dem Blick verlieren. So sind z. B. Spot-Spraying- oder Robotic-Ansätze im Rahmen von IPS zwar interessant, deren Umsetzung ist jedoch oft (noch) zu teuer.

Wer ab jetzt integrierter arbeitet, hält seinen Ackerbau zukunftsfähig. Mit einigen Maßnahmen, wie einer angepassten Fungizidintensität, lassen sich sogar Kosten sparen. Matthias Bröker

Kommentar Prof. Dr. Schlüter

Ohne Chemie gehts nicht!

Wenn die Politik den Integrierten Pflanzenschutz wirklich auf den Acker bringen will, muss sie finanzielle ­Anreiz-­systeme schaffen und vor allem aufhören, den chemischen Pflanzenschutz zu ­verteufeln. Denn er gehört unverrückbar dazu und sichert in Situationen, in ­denen z. B. vorbeugende Maßnahmen oder biologische Mittel an ihre Grenzen stoßen, den Ertrag und die Qualität. Dass die Anwendung sicher ist, dafür sorgt die anspruchsvolle europäische Wirkstoffprüfung durch die EFSA.

Zudem muss die Politik endlich die Methoden des Genome Editings für die Züchter nutzbar machen. Denn gegenüber Schaderregern tolerante Pflanzen zu züchten, beugt auch Resistenzen vor.

Die Praxis muss sich jetzt ebenfalls anpassen und weitere Fehlentwick­lungen unbedingt vermeiden. Dafür gilt es, die ­Bausteine des IPS bestmöglich umzusetzen.

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