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topplus Monitoring-Ergebnisse

DüngeVO: Sinken nun die Nitratfrachten in Roten Gebieten?

Um zu prüfen, ob die scharfen Düngeregeln auch wirken, wird ein bundesweites Monitoring eingeführt. Hier die ersten Ergebnisse.

Lesezeit: 10 Minuten

Unsere Autoren: Dr. Burkhard Stever-Schoo, Dr. Annett ­Gummert, Mona Dieser, Dr. Henrike Mielenz, Steffen Zieseniß, Julius Kühn-Institut, ­Braunschweig

Laut aktuellem Nitratbericht 2024 überschreiten die Nitratkonzen­trationen im Grundwasser den Schwellenwert von 50 mg Nitrat je Liter immer noch an rund einem Viertel der überwiegend landwirtschaftlich beeinflussten Messstellen des EU-Nitratmessnetzes in Deutschland. Der Anteil dieser belasteten Messstellen sank gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum (2016 bis 2019) nur um 1 %. Doch lassen sich daraus Rückschlüsse auf eine unzureichende Wirksamkeit der zuletzt im Jahr 2020 verschärften Düngeverordnung (DüV) ziehen?

Wirkung der Düngeregeln war ­bislang kaum zu bewerten

Sicherlich nicht, denn der Transport des Nitrats mit dem Sickerwasser bis an die Grundwassermessstellen dauert in vielen Fällen mehrere Jahre bis Jahrzehnte. Wie also lässt sich die Wirksamkeit der aktuell umzusetzenden verschärften Auflagen bei der Düngung kurzfristig beurteilen und der zeitliche Verzug umgehen?

Bislang zog man hierzu vor allem ­agrarstatistische Indikatoren wie Landkreis-Flächenbilanzüberschüsse, Mineraldüngerverkäufe oder die Entwicklung der Tierbestände heran. Auf der eigentlichen Ebene der Umsetzung der Dünge­regeln – also auf Betriebs- und Schlagebene – wurde die Wirkung hingegen nicht systematisch erfasst.

Das heißt: Die Wirkung bestimmter Maßnahmen, wie z. B. die Reduzierung des Düngebedarfs um 20 % in roten Gebieten, war bisher kaum zu bewerten und nachzuvollziehen. Somit ließen sich auch mögliche Defizite nicht zielgenau eingrenzen. Dies bemängelte auch die EU-Kommission im Zuge der Verhandlungen zum Vertragsverletzungsverfahren.

Übersicht 1: Verteilung der Modellregionen

Wirkungsmonitoring zur DüV im Aufbau

Vor diesem Hintergrund initiierten die zuständigen Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gemeinsam und in enger Abstimmung mit den Bundesländern die Erarbeitung eines  neuen Monitoringsystems . Dieses sieht eine flächendeckende Modellierung der Nitratverlagerung und eine umfangreiche Prüfung der Wirkung von Einzelmaßnahmen in der Praxis vor.

Seit dem Jahr 2016 wird das Julius Kühn-Institut (JKI) vom BMEL im Rahmen von mittlerweile drei Demonstrationsvorhaben nun fortlaufend beauftragt, ein Konzept zu entwickeln und ein Monitoringprogramm aufzubauen, um diese Einzelmaßnahmen in Zukunft bewerten zu können.

Aktuell wird die  Entwicklung der Nitratfrachten  im Demonstrationsvorhaben „Monitoring von Stickstoffemissionen im Pflanzenbau“ untersucht (mehr dazu unter  https://nitrat-boden.julius-kuehn.de ). Daran nehmen 96 Demonstrationsbetriebe (über 1.100 Testflächen) in zwölf Modellregionen teil, die sich auf acht Bundesländer verteilen (siehe Übersicht 1). Eine Modellregion entspricht dabei im räumlichen Zuschnitt einem Grundwasserkörper, der Nitratkonzentrationen von mehr als 50 bzw. 35 mg Nitrat je Liter mit steigender Tendenz an den Messstellen aufweist.

Es wird zwischen Modellregionen mit Ackerbau-, Futterbau- und Veredelungs- sowie Gemüsebaubetrieben unterschieden. Innerhalb dieser Modellregionen wurden entweder sechs oder zwölf Betriebe ausgewählt, die eine für die Region typische Haupt­erwerbsrichtung repräsentieren sowie eine Reihe weiterer Kriterien erfüllen.

Das Ziel dabei ist, die Nitratfrachten dieser Demobetriebe anhand betrieblicher Daten und Messungen zu ermitteln. Daraus lassen sich dann Rückschlüsse ziehen, wie sich die Verschärfung der Düngeregeln bislang auf die Betriebe ausgewirkt hat.

Übersicht 2: So sieht das Frühindikatorsystem aus

Frühindikator-System zeigt kurzfristige Veränderungen

Um die Nitratfrachten auf den Betrieben zu bestimmen, kommt ein am JKI erarbeitetes Set aus Frühindikatoren zum Einsatz. Dieses besteht aus

  • der Erhebung von Stickstoff (N)-Bilanzen und ergänzenden Bewirtschaftungsdaten, 

  • der Messung von mineralischen Stick­stoffgehalten im Boden (Nmin-Werte) und

  • Sickerwasseruntersuchungen.

Diese Indikatoren repräsentieren die unterschiedlichen Schichten des sogenannten Zonenmodells (siehe Übersicht  2). Das Modell beschreibt den Weg der Nitratverlagerung von der ­Bodenoberfläche (N-Bilanzen) über die Wurzelzone (Nmin-Untersuchungen) bis in die ungesättigte Sickerwasserzone unterhalb des Wurzelraumes (Nitrat­tiefenprofile, Dränageuntersuchungen).

Dieser mehrschichtige Ansatz ist für eine wissenschaftlich verlässliche Beurteilung der Nitratfrachten von entscheidender Bedeutung. So weisen die N-Bilanzsalden zuerst auf Veränderungen in den N-Überschüssen hin, während die Herbst-Nmin-Werte am verlässlichsten die potenziell verlagerungsgefährdeten Stickstoffmengen vor Beginn der Sickerwasserbildung im Winterhalbjahr anzeigen. Wichtig ist dann noch das Hinzuziehen von Bewirtschaftungsdaten, wie der N-Zufuhr und N-Abfuhr, weil die Messwerte sonst nur sehr eingeschränkt interpretierbar wären.

Hinweis: Häufig gibt es Kritik oder Zweifel an der Verlässlichkeit von Nmin-Werten – diese sind den Ergebnissen zufolge aber unbegründet, sofern man bei der Beprobung und beim Transport ins Labor essentielle Grundsätze beachtet. Für das Monitoring wurden strenge Methodenvorschriften erarbeitet, welche u. a. die Probennahme, -handhabung und -analyse betreffen. Die Vorschriften werden in allen Modellre­gionen harmonisiert umgesetzt. Die mittlerweile mehrjährigen Erhebungen belegen eine sehr hohe Datenqualität.

Verschärfte DüV – was hat es bislang gebracht?

Im Folgenden stellen wir Ihnen die wichtigsten Ergebnisse aus den fünf Ackerbau-Modellregionen (in Übersicht 1 „gelb“ markiert) mit 48 Betrieben und 576 Testflächen vor. Weil diese seit 2017 mit dem Frühindikatorenset untersucht werden und Bewirtschaftungs- und N-Bilanzdaten rückwirkend seit 2014 vorliegen, lassen sich Veränderungen durch die verschärften Dünge­regeln darstellen. Zu beachten ist, dass die Auswertungen für einen zusammenfassenden Überblick über die unterschiedlichen Boden-Klima-Räume aggregiert wurden. Die Ergebnisse stellen wir anhand von drei Themenblöcken dar.

1. Mineraldüngereinsatz im Ackerbau deutlich gesunken

Dass die Betriebe seit Einführung der verschärften Regeln in 2017 bzw. 2020 deutlich weniger Stickstoffdünger einsetzten, zeigt Übersicht 3. Die Zufuhr im Mittel der betrachteten Testflächen ging von 206 kg N/ha im Jahr 2017 auf 181 kg N/ha im Jahr 2023 zurück (Übersicht 3 A). Dieser Rückgang ist vor allem darauf zurückzuführen, dass weniger Mineraldünger zum Einsatz kam – die Mengen verringerten sich im selben Zeitraum um mehr als 30 kg N je ha (Übersicht 3 D).

Gründe dafür sind in erster Linie die verschärften Vorgaben zur Ermittlung des Düngebedarfs mit der verbindlichen Berücksichtigung des Frühjahrs-Nmin und die stark eingeschränkte Herbstdüngung der Betriebe (Übersicht 3 F). Von Oktober 2021 bis Januar 2023 können auch die gestiegenen Mineraldüngerpreise die Abnahme des Einsatzes zusätzlich bekräftigt haben.

Die Ackerbaubetriebe kompensierten einen Teil der eingesparten Mineraldünger durch die verstärkte Aufnahme von Wirtschaftsdüngern/Gärresten, was eine positive Entwicklung ist (Übersicht 3 E). Eine weitere Reduktion der N-Zufuhren zeichnet sich derzeit nicht ab.

Übersicht 3: Entwicklung der N-Zufuhr und N-Abfuhr in den Betrieben

2. Keine Ertragsrückgänge

Entgegen verbreiteter Befürchtungen sanken die Erträge auf den Modellbetrieben trotz reduzierter Düngermengen nicht. Der geringeren N-Zufuhr stand eine fast konstante Abfuhr über die Ernte gegenüber (Übersicht 3 B).

Auffällig war, dass 2014 und teils auch 2015 deutlich mehr geerntet wurde als im Folgezeitraum, was an den außergewöhnlich guten Witterungsbedingungen lag. Dagegen wurde insbesondere im Jahr 2018 und teils auch 2019 wegen der Trockenheit weniger geerntet.

Wie sich die Erträge der in den Ackerbaubetrieben am häufigsten angebauten Kulturen unter der verschärften DüV entwickelt haben, zeigt Übersicht 4. Beim Weizen deutet sich auf den ersten Blick ein Ertragsrückgang an. Allerdings ist dabei zu beachten, dass dies zum Teil bei unveränderter ­N-Zufuhr zu beobachten war und der Effekt daher vermutlich am Wetter lag. Insgesamt gingen die N-Überschüsse stark zurück bzw. ließ sich die N-Effizienz entsprechend steigern.

Übersicht 4: Mittlere Erntemengen der Testschläge im Zeitraum 2014 bis 2023

3. Noch kein deutlicher ­Rückgang von Nmin und Nitrat

Die wichtigste und zuverlässigste Größe bei der Erfassung von potenziellen Nitratfrachten ist der Herbst-Nmin-Wert. In einigen Modellregionen spiegeln sich die gesunkenen N-Überschüsse bereits in rückläufigen Ernte- und Herbst-Nmin-Werten wider. Im Durchschnitt der Ackerbauregionen ist jedoch noch kein Trend zu erkennen (Übersicht 5).

Übersicht 5: Entwicklung des Ernte- und Herbst-Nmin 1)

Ähnlich verhält es sich mit den Nitratkonzentrationen im Sickerwasser. Allerdings ist das nicht überraschend: Neben der Zu- und Abfuhr von N beeinflussen insbesondere die Fruchtfolge, aber auch Boden und Witterung sowie Boden­bearbeitung und Herbstdüngung die ­N-Dynamik – und zwar entscheidend. Aus Übersicht 6 geht hervor, dass eine Fruchtfolge mit hohen Anteilen von Kartoffeln, Raps, Mais, Leguminosen oder Weizen vor dem Hintergrund der Nitratbelastung des Sickerwassers eher negativ einzuordnen ist. Idealerweise sollte man sie um Früchte ergänzen, die geringere Herbst-Nmin-Werte hinterlassen. Dies würde die Nitratfrachten nach unseren Ergebnissen wesentlich stärker mindern als eine weitere Einschränkung der N-Zufuhren im Frühjahr.

Potenzial bietet nach wie vor auch die Düngebedarfsermittlung. Unsere Auswertungen zeigen, dass die direkt auf dem Schlag gemessenen Frühjahrs-Nmin-Werte teils noch zu wenig berücksichtigt wurden. Es ließe sich noch viel N-Dünger einsparen, wenn man eigene, schlaggenaue Werte nutzen würde anstatt die von den Ländern vorgegebenen Standardwerte. 

Übersicht 6: Herbst Nmin abhängig von der Kultur

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt, um die Herbst-Nmin-Gehalte in den Böden rasch zu senken, ist die kritische Prüfung, ob Düngemaßnahmen im Herbst wirklich notwendig sind. Insgesamt ging die Herbstdüngung in den Modellregionen zwar zurück – generell wird im Ackerbau zu Wintergerste, Winterraps und Zwischenfrüchten aber noch oft gedüngt. Dabei kommen vor allem Wirtschaftsdünger und Gärreste zum Einsatz, die im Herbst keine besonders hohe N-Ausnutzung im Vergleich zu einer Frühjahrsgabe erlauben.

Zudem ist eine Herbstdüngung nach unseren Erkenntnissen häufig nicht ertragswirksam. Das gilt vor allem für Druschfrüchte, bei denen ein allzu üppiges vegetatives Wachstum im Herbst eher kontraproduktiv für den Korn­ertrag ist. Wir empfehlen eindringlich, vor jeder Stickstoffzufuhr den Bodenstickstoffgehalt zu ermitteln, um die Notwendigkeit und Höhe einer N-Zufuhr objektiv beurteilen zu können.

Wie sieht es in den roten ­Gebieten aus?

In den roten Gebieten gelten für ausgewiesene Flächen strengere Vorgaben für die Düngung und das Nacherntemanagement (DüV § 13 a). Die Ergebnisse aus dem Monitoring dazu zeigen Folgendes: Die Reduktion des Düngebedarfswertes um 20 % im Betriebsdurchschnitt erfolgt vor allem dadurch, dass man die N-Mengen bei Früchten senkt, die darauf flexibel reagieren (z. B. Mais). In Weizen oder Raps wird die N-Düngemenge dagegen nicht gesenkt.

In einigen Modellregionen waren die Nmin-Werte in den roten Gebieten niedriger (bei schlaggenauer Anwendung der 170 kg N/ha-Obergrenze für Wirtschaftsdünger und Gärreste). Zudem trug der verpflichtende Anbau von Zwischenfrüchten vor Sommerungen in diesen Gebieten zu einer wirksamen Minderung potenzieller Nitratfrachten bei.

Wie geht es nun weiter?

Die Ergebnisse aus den Modellregionen sind unserer Meinung nach sehr wertvoll für die Landwirtschaft. Sie erlauben erstmals eine wissenschaftliche Einschätzung, wie gut die DüV in der Praxis unter Berücksichtigung verschiedener Standortvoraussetzungen wirkt.

Die mit der DüV 2017 und 2020 eingeleitete Entwicklung hin zu einer deutlich verbesserten N-Effizienz lässt mittelfristig auch geringere winterliche Nitratfrachten ins Grundwasser erwarten. Unabhängig von der Bewirtschaftung wird sich aber nicht auf allen Standorten eine Senkung der Nitratkonzentration im Sickerwasser auf unter 50 mg je Liter erreichen lassen (z. B. nicht in Trockengebieten mit geringen Sickerwassermengen). Obendrein begünstigen die in den letzten Jahren gestiegenen Temperaturen im Herbst die N-Mineralisation zu Beginn der Nitratauswaschungsperiode und somit die Nitrataustragsgefahr.

Und genau vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Erarbeitung gezielter Maßnahmen ist es wichtig, die Zusammenhänge in der Praxis mit belastbaren Zahlen differenziert zu erfassen. So zeigen unsere Daten inzwischen, dass die N-Effizienz im Mittel der Ackerbaubetriebe schon auf einem guten Niveau ist. Die Entwicklung der Erträge und (soweit möglich) der Qualitäten wird im Monitoring weiterhin kritisch betrachtet. Die Stellschrauben zur weiteren Minderung von Nitratfrachten liegen nun vor allem in der Gestaltung der Fruchtfolge sowie im Nacherntemanagement. Die Ergebnisse lassen aber auch erkennen, dass es noch nicht an der Zeit ist, über Lockerungen bei den Düngevorgaben nachzudenken. Zunächst müssen sich die Maßnahmen klar in sinkenden Nitratfrachten niederschlagen.

Hinweis: Das Projekt wird aus Mitteln des BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert (Förderkennzeichen 2823KLI001). Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Im Interview erklärt Dr. Burkhard Stever-Schoo vom JKI weitere Details:

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