Die Schilf-Glasflügelzikade breitet sich seit einigen Jahren rasant in zahlreichen Anbaugebieten aus und befällt Kartoffeln, Rüben und weitere Gemüsekulturen. Parallel dazu erweitert sich der Wirtskreis kontinuierlich und bedroht den Kartoffelanbau.
Die Zikadenart kann zwei Krankheitserreger in sich tragen, einerseits einen Stolbur-Erreger und zum anderen ein Proteobakterium. Beide Bakteriosen haben das Potenzial für massive Ertrags-, Qualitäts- und Lagerverluste, bis hin zum Totalausfall beim Grundnahrungsmittel Kartoffeln.
„Die Union der Deutschen Kartoffelwirtschaft ist froh, dass das Bundesagrarministerium den Ernst der Lage erkennt und der Bundesminister am Freitag, den 10. Januar 2025, die Verbände zu einem Runden Tisch geladen hatte. Wir brauchen dringend Lösungsmöglichkeiten, um die befallenen Kulturen, wie die Kartoffeln im Anbau zu halten. Es steht nicht weniger als die Ernährungssicherheit und der Verlust regionaler Kreisläufe auf dem Spiel“, äußert sich der UNIKA-Vorsitzende Olaf Feuerborn nach dem Austausch beim BMEL.
Bündel an Maßnahmen notwendig
Aus der Sicht Feuerborns bedarf es eines strategisch aufeinander abgestimmten Bündels aus Maßnahmen, um die heute noch vorhandene Eigenversorgung mit dem Grundnahrungsmittel Kartoffeln zu sichern.
„Eine Reduzierung auf ackerbauliche oder züchterische Maßnahmen reicht nicht aus, um der existenziellen Bedrohung der Anbaubetriebe zu begegnen und den nachgelagerten Bereichen den Rohstoff zu sichern“, führt der Vorsitzende aus. „Für einen ganzheitlichen Lösungsansatz bedarf es kurz-, mittel- und langfristiger Maßnahmen, auch und gerade in Gebieten, in denen die Zikadenart heute noch nicht auftritt“, forderte Feuerborn.
Der Vorsitzende unterstrich in seinem Statement beim BMEL, dass die Kartoffelbranche bereits Forschungsprojekte in Eigeninitiative auf den Weg gebracht hat. Hier bedarf es einer intensivierten Forschungsförderung, um zentrale Fragestellungen zu beantworten und daraus Handlungsoptionen abzuleiten.
Agrarpolitik an neue Lage anpassen
Um kurzfristig die Regionen zu schützen, müssen auch alle Möglichkeiten im Bereich des Pflanzenschutzes genutzt werden. Eine Anpassung in der Konditionalität der Gemeinsamen Agrarpolitik ist erforderlich, um alle ackerbaulichen Maßnahmen zu erproben und zu optimieren, damit die stetig steigende Population der Zikaden eingedämmt werden kann.
Ernährungssicherheit nicht aufs Spiel setzen
Ernst-Rainer Schnetkamp, stv. Vorsitzender des Bundesverbands der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK), unterstrich die Bedeutung des heimischen Kartoffelanbaus für die Verarbeitungswirtschaft. „Die Verarbeitungsunternehmen nehmen mehr als die Hälfte der in Deutschland erzeugten Kartoffeln zur Herstellung werthaltiger Lebensmittel auf. Diese Mengen können nicht durch andere Herkunftsregionen ersetzt werden“, so Schnetkamp.
Die Verbände UNIKA und BOGK betonen, dass die Ernährungssicherheit mit dem heimischen Grundnahrungsmittel Kartoffeln nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe und haben dem BMEL im Gespräch am 10. Januar 2025 erneut jegliche fachliche Unterstützung bei der Bekämpfung der Überträger der Bakteriosen angeboten.
DBV fordert vom BMEL konkrete Maßnahmen statt Vertröstungen
Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, kritisiert die zögerliche Haltung des Ministeriums in aller Deutlichkeit: „Man hat offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt. Wir brauchen jetzt Lösungen für 2025 und die können kurzfristig nur in der Notfallzulassung von wirksamen Pflanzenschutzmitteln liegen.“
„Die Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs", warnt Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschaftlichen Verbandes (RLV) und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauverbände (ADR). „Wenn wir jetzt nicht entschlossen handeln, gefährden wir nicht nur die Zuckerversorgung, sondern durch die Ausbreitung der Zikade auf Kartoffeln und vielen Gemüsekulturen auch die Grundversorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln. Die Zeit für lange Diskussionen ist nicht vorhanden - wir brauchen jetzt pragmatische Lösungen!"