Genauso wie die deutschen Gemüseanbauer verlieren auch die Schweizer Kollegen durch politische Entscheidungen mehr und mehr wirksame Pflanzenschutzmittel. Folge ist, dass die Inlandproduktion pflanzlicher Nahrungsmittel seit Jahren kontinuierlich sinkt.
Die Neue Zürcher Zeitung stellt fest, dass der Bund wenig unternimmt, um diesen negativen Trend zu stoppen. Dasselbe Amt, das mit so viel Nachdruck die Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln propagiert, verschleppt die Zulassung neuer, moderner Pflanzenschutzmittel, heißt es in dem Artikel vom Montag. Immer mehr Landwirte könnten ihre Kulturen nicht mehr gegen Krankheiten und Schädlinge schützen.
Besonders ärgerlich für die Branche ist auch, dass das zuständige Bundesamt gleichzeitig die Zulassung neuer, innovativer Alternativen blockiert. Lediglich eine Handvoll neuer Wirkstoffe sei zugelassen worden, darunter eher wenig wirksame Naturstoffe wie Magermilch.
Anbau von Kartoffeln und Zwiebeln in der Sackgasse
Laut der NZZ sind als Folge des Zulassungsstaus die Erträge im Pflanzenbau gesunken, die Qualität der Lebensmittel leide. Im Gegenzug nehme der Import von pflanzlichen Lebensmitteln stetig zu.
Die Zeitung nennt als Beispiel den Schweizer Zwiebelanbau. Der werde seit Jahren ausgedehnt, dennoch stagniere die marktfähige Ware. Die Ernten würden durch nasskalte Witterung und Pilzkrankheiten immer schlechter, während entsprechende Schutzmittel nach und nach vom Markt genommen werden. Viele Bauern erwägen, den Anbau ganz aufzugeben.
Ein weiteres Beispiel ist der Kartoffelanbau. 2024 hätten die Landwirte den Schaden durch den intensiven Einsatz der wenigen noch zur Verfügung stehenden Pflanzenschutzmittel zwar noch in Grenzen halten können. An vielen Orten jedoch konnte die grassierende Krautfäule nicht unter Kontrolle gebracht werden. Bei den Bio-Kartoffeln betrugen die Ernteausfälle gar 50 % und mehr.
Der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten schlägt Alarm. Es würden bei den Schädlingen Resistenzen drohen, wenn die Bauern nicht mehr auf eine genügend breite Palette von Mitteln zugreifen könnten. Unter diesen Bedingungen werde es immer schwieriger, den Qualitätsanforderungen der Detailhändler gerecht zu werden, heißt es.
Anträge auf Notfallzulassungen explodieren
Die NZZ berichtet weiter, dass sich die Landwirte mit Anträgen auf Notfallzulassungen zu helfen versuchen. Habe es 2016 noch fünf solcher Anträge gegeben, seien es im laufenden Jahr bereits 35. Aktuell fehlen zugelassene Mittel gegen Drahtwürmer in Kartoffeln, Blattläuse in Zuckerrüben, Stängelrüssler in Raps, weiße Fliegen in Rosenkohl oder die Kirschessigfliege bei Obst, Beeren und Reben.
Der Schweizer Agrarbericht hingegen blende das aus und feiere die Reduktion der „Pestizide“ als Erfolg. Mit den ergriffenen Maßnahmen habe man die Risiken für die Umwelt reduzieren können, heißt es da. Das Land hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Risiken und Folgen durch den Pflanzenschutzmitteleinsatz bis 2027 zu halbieren.
Die Krise beginnt erst
Der Bauernverband befürchtet, dass die Landwirte den fehlenden Pflanzenschutz künftig noch stärker zu spüren bekommen. „Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung“, heißt es dort. Alle Prognosen sagen große Ernteverluste in den kommenden Jahren voraus. Allein in den vergangenen fünf Jahren hätten die Landwirte etwa ein Drittel der Pflanzenschutzmittel eingebüßt. Mittlerweile listet der Bauernverband hundert Lücken beim Schutz von Kulturen auf. Und da mangels Schutzmöglichkeiten Aufwand und Risiken stark zunehmen, geben die Landwirte anspruchsvolle Kulturen auf.
Die Konsequenz davon ist, dass immer mehr Lebensmittel importiert werden müssten, die so produziert würden, wie man es hier eigentlich nicht will, stellt die NZZ nach dem Gespräch mit den Praktikern fest. Und: Der ökologische Fußabdruck wird damit einfach ins Ausland verlagert.
Zulassungspolitik an EU angleichen?
Immerhin habe der Schweizer Bundesrat das Problem inzwischen erkannt. So wurde zuletzt ein Verordnungsentwurf eingereicht, der die Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel an die der EU angleichen soll. Sind Wirkstoffe in der EU zugelassen, sollen sie hierzulande ebenfalls als genehmigt gelten.
Zugleich soll die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln unter gewissen Voraussetzungen erleichtert werden: Hat ein EU-Mitgliedsland, das vergleichbar mit der Schweiz ist, ein Produkt für die Anwendung zugelassen, soll dieses auch in der Schweiz zugelassen werden.
Bislang ist das aber alles nur ein Vorschlag. Und ob die Angleichung wirklich die Probleme löst, ist auch nicht sicher. Denn auch in der EU schwinden rasend schnell etablierte, wirksame Mittel. Einmal durch politische Verbote, aber auch durch Produktionseinstellung der Hersteller, wie die NZZ erfuhr. Gibt es kein Interesse und Erneuerungsgesuch mehr, entfällt die Zulassung in der EU. Diese Streichung würde dann in der Schweiz automatisch nachvollzogen.
Ökolandbau hat es auch nicht geschafft
Der Bauernverband beklagt, dass die Behörden viel zu viel Energie ins Monitoring der Belastung der Böden und Gewässer gesteckt hätten. Dabei sei versäumt worden, gleichzeitig auch nach Alternativen beim Pflanzenschutz zu suchen.
Das zeige der Bio-Landbau. Da sei es nach fast 30 Jahren nicht gelungen, kupferbasierte Pflanzenschutzmittel zu ersetzen, die gegen Pilzkrankheiten eingesetzt würden. Mittlerweile würden diese Mittel mangels Alternativen auch von der konventionellen Landwirtschaft breit angewendet. Die Folge davon sei, dass sich die Böden mit Schwermetallen anreicherten. Bleibt am Ende nur die Hoffnung auf neue Sorten, die mit der veränderten Lage klarkommen.