Unsere Autorin
Dr. Heike Knörzer, LTZ Augustenberg,
Was ist schwieriger? Große Partien mit hoher und homogener Qualität auf dem Feld zu erzeugen oder den Erfassungs- und Verarbeitungsprozess anzupassen? Diese Frage darf erlaubt sein angesichts der Malzparameter von derzeit auf dem Markt befindlichen Winterbraugersten, die sehr dicht an die Anforderungen der Sommergerstenmalz-Spezifikationen herankommen.
Warum wird der Stempel „Wintergerste“ in Deutschland aber immer noch schlechter vergütet als der Stempel „Sommergerste“? Und werden deshalb Sommerungen im Spätherbst/Winter ausgesät, was aus agronomischer Sicht wenig sinnvoll erscheint? Die Gefahr der Auswinterung trägt der Landwirt. Der tendenziell höhere Pflanzenschutzmitteleinsatz widerspricht den gesellschaftspolitischen Forderungen.
Wetterextreme setzen unter Druck
Der Sommergerstenanbau gerät in manchen Regionen durch ausgeprägte Dürreperioden und/oder nasskalte Frühjahre unter Druck. Eine französische KWS Faro erzielte 2023 mitunter höhere Qualitäten als eine deutsche Amidala. Diese Bedingungen werden eher die Regel als die Ausnahme werden. Demnach ist zu erwarten, dass der Umfang des Sommerbraugerstenanbaus eher ab- als zunimmt. Alternativ Winterbraugerste anzubauen wäre bei entsprechendem Preisanreiz eine gute Option. Sicherlich stehen auch die aufnehmende Hand sowie die Mälzer unter einem Preisdruck. Aber eben auch die Landwirte, die nicht mit Investitionen gegensteuern können, um das Klima auf dem Feld nennenswert zu verbessern.
Den Baustein „Sorte“, wie es der Integrierte Pflanzenbau vorschreibt, kann der Braugerstenproduzent nicht ziehen, weil die Sortenwahl sehr begrenzt ist und letztendlich von aufnehmender und verarbeitender Hand vorgegeben wird. Machen nicht Genetik und Produktionsbedingungen statt Verarbeitungs-Protokollne und Tabellenkorsetten die eigentliche Qualität aus? Hier braucht es vielleicht tatsächlich einen Green Deal.
Die geprüften Winterbraugersten
Diese Sorten prüft das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg aktuell bei der Winterbraugerste:
KWS Donau zeigt ein- und mehrjährig in der reduzierten Variante überdurchschnittliche Ertragsleistungen. In der behandelten Variante liegen die Kornerträge im Mittelfeld. Agronomisch und bei den Krankheitstoleranzen ist die Sorte durchschnittlich aufgestellt. KWS Donau schiebt die Ähren früh, die Reife liegt im Mittelfeld. Die Sorte liefert 2023 das höchste hl-Gewicht, die höchste TKM und die beste Sortierung bei einem sehr guten Vollgerste-Ertrag von 102% relativ. Die Brau- und Malzqualitäten liegen laut BSL leicht hinter KWS Somerset.
KWS Faro ist eine der führenden Winterbraugersten europaweit und die einzige mehrzeilige im Prüfsortiment. Sehr hohe Ertragsleistungen ein- und mehrjährig, auf dem Niveau der Futtergersten, machen den Anbau ökonomisch attraktiv. Bei den Brau- und Malzeigenschaften sind gewisse Abstriche gegenüber den zweizeiligen Winterbraugersten zu machen. Trotz ihrer Wuchslänge ist die Gerste standfest und hat eine gute Ährenstabilität. Der Vollgerstenanteil erreicht eindrucksvolle 110% relativ. Bei Protein und TKM bildet die Sorte das Schlusslicht.
Die Nr. 1 der Winterbraugersten ist aufgrund ihrer guten Malz- und Brauqualitäten die Sorte KWS Somerset. Das Ertragsniveau ein- und mehrjährig liegt unter dem Durchschnitt. Die Anfälligkeit für Netzflecken und Rhynchosporium ist bekannt. Trotz des kurzen Wuchses ist die Strohstabilität etwas schwächer. Bei Kornsortierung und Vollgerstenanteil liegt die Sorte im Mittelfeld.
Die EU-Sorte Suez ist kurzwüchsig, hat eine hohe Halm- und Ährenstabilität und zeigt sich in den Versuchen ausgesprochen blattgesund. Mehrjährig erreicht die Sorte ein leicht unterdurchschnittliches Ertragsniveau. Sortierung und Vollgerstenertrag liegen eher unter dem Durchschnitt. Wegen der hohen Proteingehalte in den zurückliegenden Versuchen sollte man bei dieser Sorte besonders auf die Stickstoffdüngung achten. Für die wachsende Bedeutung dieser Sorte spricht die 2023 bundesweit deutlich angestiegene Vermehrung.
Comtesse ist 2023/24 neu in der Prüfung und wird vom Züchter als frühe, kurze Braugerste mit hoher Vermarktungssicherheit (Vollgerste-Anteil APS 9) beschrieben. Im ersten LSV-Jahr überzeugt die Sorte sowohl im Ertrag wie auch bei den Krankheitstoleranzen. Die schwache Ährenstabilität sollte man im Auge behalten.