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topplus Share Deals und Agrarstruktur

Anteilskäufe: Was können wir von Frankreich lernen?

In Deutschland sind fünf Bundesländer gescheitert, den Zugriff von Investoren auf Agrarflächen zu begrenzen. Der Blick nach Frankreich zeigt, wie Kontrollen den Bodenmarkt transparenter machen können.

Lesezeit: 6 Minuten

Auch wenn der größte Teil der Landwirtschaft in der EU nach wie vor aus Familienbetrieben in Form natürlicher Personen besteht, sind heute GmbHs und Genossenschaften, aber auch Stiftungen und Aktiengesellschaften Bestandteil der Agrarstruktur. In Deutschland führte die Wiedervereinigung zum Anstieg dieser Unternehmensformen.

Derzeit bewirtschaften juristische Personen in Deutschland 20 % der Agrarfläche, in Ostdeutschland dominieren sie mit einem Flächenanteil von 58%. Die Entwicklung in der EU verläuft ähnlich. So werden z. B. in der Normandie in Frankreich 70 % der Flächen von unterschiedlichen Kooperationen und juristischen Personen bewirtschaftet.

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Deutschland hinkt bei Gesetzesreform hinterher

In Deutschland sind Gesetze für den Erhalt der Agrarstruktur veraltet, wodurch wichtige agrarpolitische Instrumente immer noch auf die 11 ha-großen Kleinbetriebe der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts ausgerichtet sind. Juristische Personen und Unternehmensverbünde werden statistisch nur teilweise erfasst. Folglich haben Agrarpolitik und Wissenschaft wenig Informationen über diesen dynamischen Teil der Unternehmensstruktur. Die Entwicklungen werden unterschätzt.

Seit der Finanzkrise nutzen findige Finanzinvestoren bestehende Gesetzeslücken, um in den Agrarsektor einzusteigen. Da juristische Personen im Grundstücksverkehrsgesetz nicht erfasst sind, können sie GmbHs etc. mit umfangreichem landwirtschaftlichem Grundbesitz ohne Kenntnis der ortsansässigen Betriebe und ohne behördliche Kontrolle aufkaufen.

Die Konkurrenz der Investoren führt zu steigenden Kauf- und Pachtpreisen für regional verankerte Familienbetriebe und nicht zuletzt zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmensformen: Den Kauf von 3 ha Weide durch einen Nichtlandwirt kann die Agrarverwaltung versagen, der Kauf von 3.000 ha im Rahmen eines Anteilskaufs durch eine Einzelhandelskette wird hingegen nicht kontrolliert. 

Polen, Österreich und Frankreich haben bereits Kontrollen

Unsere Nachbarstaaten haben auf diese Problematik bereits reagiert und beziehen die Verkäufe juristischer Personen in das Bodenrecht ein. So werden Anteilskäufe von Agrarflächen in Polen seit 2010, in Österreich seit 2011 und in Frankreich seit 2023 überwacht. Die Agrarstruktur ist in Frankreich hinsichtlich der Betriebsgrößen, Produkte und der Mischung aus natürlichen und juristischen Personen ähnlich wie in Deutschland. Deshalb lohnt sich ein Blick auf die Erfahrungen, die unsere französischen Nachbarn mit den Kontrollen machen.

Da in Frankreich juristische Personen über 60 % der Agrarflächen verfügen, sollen sie nach Auffassung der französischen Nationalversammlung auf dem Bodenmarkt nicht außerhalb gesetzlicher Regelungen agieren. Senator Olivier Rietmann, fasste die Ziele so zusammen: „Die wichtigsten Punkte sind die Begrenzung der Konzentration von Agrarflächen und die Förderung junger Landwirtinnen und Landwirte.“

Ein Auslöser für das Gesetz war der Erwerb von zwei landwirtschaftlichen Betrieben mit einer Gesamtfläche von 2.600 ha in den Departements Indre und Allier durch chinesische Käufer 2016 und 2017. Ein weiteres Argument war die zunehmende Praxis einiger Investoren, mit Anteilskäufen die vorhandenen Agrarstrukturgesetze zu umgehen, weil juristische Personen nicht erfasst waren.

Französische Anteilskäufe im Jahr 2023

Seit 2014 müssen Share Deals in Frankreich angezeigt werden. Seit dem 1. April 2023 müssen diese zudem genehmigt werden. Befürchtungen, dass durch die Einführung der staatlichen Kontrollen der Handel mit Geschäftsanteilen gebremst und Investitionen blockiert würden, haben sich nicht bestätigt. Die Grafik zeigt, dass die Anzeigen zwar für zwei Monate zurückgingen, um dann aber wieder zuzunehmen. 

Tatsächlich nehmen die Anteilskäufe und deren Finanzvolumen seit Jahren zu. Waren es im Jahr 2016 noch 5.330 Fälle, steigt die Zahl seitdem kontinuierlich an. Dagegen stagniert das Volumen der Käufe von Einzelflächen durch natürliche Personen. Im Jahr 2023 gab es 8.280 Anteilskäufe (7 % der Kauffälle am Bodenmarkt), ein Transfervolumen von 1,85 Mrd. € (21 % des Volumens am Bodenmarkt) und insgesamt 923.300 ha betroffene Fläche bei durchschnittlich 111 ha je Kauffall (die betroffene Fläche ist größer, als die rechnerisch tatsächlich gehandelte Fläche).

In 63 % der Fälle kauften Familienmitglieder, in 6% bisherige Gesellschafter und in 31 % andere Akteure. Die Kaufsummen sind bei den Verkäufen innerhalb der Familien am niedrigsten, bei den Geschäften mit bisherigen Partnern 70 % höher und liegen bei den Verkäufen an andere Akteure um 230 % über den Werten innerfamiliärer Verkäufe. In 1,3% der Fälle mit 0,9% der Flächen gingen die Anteile an Eigentümer außerhalb Frankreichs. Der Wert dieser Transaktionen war mit 5,7% vom Transfervolumen überdurchschnittlich hoch.

Das französische Kontrollverfahren

Das Kontrollverfahren sieht zwei Schwellenwerte vor: Die Schwelle für den maßgeblichen Kontrollerwerb gilt ab einer Beteiligung von 40 % der Stimmrechte, da ab diesem Zeitpunkt ein neuer Gesellschafter maßgeblichen Einfluss ausüben kann.

Für die ha-Schwelle der Genehmigungspflicht wurde zunächst auf nationaler Ebene ein gesetzlicher Rahmen festgelegt. Dieser definiert die 1,5- bis 3-fache durchschnittliche Betriebsgröße in der jeweiligen Region als Korridor. Innerhalb dieser Spanne haben die Regionen selbst entschieden, wo sie die Schwelle ansetzen. In der Region Ile de France beginnt die Genehmigungspflicht bei 342,5 ha, im Überseedepartement Réunion mit einem hohen Anteil an Sonderkulturen bei 9 ha. Der Schwellenwert bezieht sich auf Pacht- und Eigentumsflächen der Betriebe. Im Durchschnitt aller Regionen liegt die Schwelle bei 150 ha. Wichtig: Dies ist keine Obergrenze, sondern die Schwelle, ab der die Verwaltung mögliche agrarstrukturelle Nachteile genau prüft. Die doppelte Schwelle ist zudem ein wichtiges Element für die Vereinbarkeit mit dem EU-Recht.

Damit unterscheidet sich die französische Regelung von Staaten mit festen Obergrenzen beim Flächenerwerb, wie bspw. Ungarn mit 1.200 ha oder Polen mit 300 ha. Ein Wachstum über den Schwellenwert hinaus ist im Einzelfall nach Abwägung in gewissem Umfang möglich, kann aber von den Behörden mit Auflagen versehen werden. Bei einem Anteilskauf, der die Prüfschwelle überschreitet, kann dies z. B. mit der Auflage genehmigt werden, einen Teil an Junglandwirte zu verkaufen.

Die Bewertung der Anträge auf Anteilskäufe ist Aufgabe der „Gesellschaft für Bodenordnung und ländliche Ansiedlung (SAFER)“. Der Antrag kann genehmigt, unter Auflagen genehmigt oder abgelehnt werden. Die Entscheidung trifft der Präfekt des Departements auf Vorschlag der SAFER.

Kürzlich berichteten französische Experten, dass es im ersten Jahr keine nennenswerten Probleme mit dem digitalen Anzeigeverfahren gab. Sobald der Antragsteller seinen Antrag digital an die Verwaltung schickt, erhält er am Bildschirm eine vorläufige Einstufung: unproblematisch, überprüfungsbedürftig oder kritisch. Die Bearbeitungszeit bis zum Bescheid beträgt etwa zehn Wochen.

Das Gesetz hat eine prohibitive Wirkung auf branchenfremde Investoren und trägt zur Vermeidung von Flächenkonzentration und zum Generationswechsel bei."

Bisheriges Fazit in Frankreich

Agrarstrukturell unbedenklich sind alle Anteilskäufe unterhalb der Genehmigungsschwelle sowie alle Anteilskäufe über der Schwelle von Familienangehörigen bis zum vierten Grad. Fachleute schätzen, dass über 95% der Anträge genehmigt werden. 

Der Präsident der Safer, Emmanuel Hyest, begrüßt die erheblich verbesserte Transparenz im Hinblick auf die Unternehmensstrukturen und der betroffenen über 900.000 ha. Das Gesetz hat eine prohibitive Wirkung auf branchenfremde Investoren und trägt zur Vermeidung von Flächenkonzentration und zum Generationswechsel bei.

Das digitale Anzeigeverfahren reduziert den Verwaltungsaufwand deutlich.

Was können wir für Deutschland schlussfolgern?

Die Entwicklung regional verankerter Agrarbetriebe und Investitionen werden durch die Kontrollen von Anteilskäufen nicht behindert. Bei agrarstrukturell problematischen Anteilskäufe von überregionalen Finanzinvestoren wirkt ein solches Gesetz prohibitiv und sichert den Vorrang von Landwirten.

Da Frankreich über eine ähnliche Agrarstruktur wie Deutschland verfügt, sind die vielen Anteilskäufe dort ein Hinweis darauf, dass die Dunkelziffer bei Anteilskäufen in Deutschland hoch sein dürfte.

Auch in Deutschland ist davon auszugehen, dass weit über 90% aller Transfers zwischen regional verankerten juristischen Personen agrarstrukturell unproblematisch wären.

Mit einem digitalisierten Anzeige- und Prüfverfahren nach französischem Vorbild würde sich der Verwaltungsaufwand in Grenzen halten.

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