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topplus Existenzgründung

Einen Hof von null an aufbauen - Landwirte berichten

Existenzgründer bringen neue Impulse jenseits der traditionellen Produktionswege in die Landwirtschaft. Die Agrarförderung und die landwirtschaftliche Beratung sind darauf nicht überall eingestellt.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Krux mit dem Hof fängt schon beim Namen an. „Wo ist denn hier der Bauernhof?“, fragt David Büchler, der mit seiner Partnerin Sarah Hoffmanns den Sprung in die Existenzgründung eines landwirtschaftlichen Betriebes gewagt hat.

2022 haben sie am Stadtrand von Münster ihren Betrieb gegründet. Ihr Bauernhof, das sind 5,5 ha gepachtetes Ackerland. Es liegt beidseitig entlang einer Allee. Sie nennen sie Bioallee, weil sie ökologisch wirtschaften. Daraus wurde kurz der Unternehmensname „Biolee“.

Im Anbau haben die beiden Triticale, Sommergerste, Emmer, Kleegras und als Hauptvermarktungsfrüchte Kartoffeln und Kürbisse. Neu ist seit 2024 ein Folientunnel mit Tomaten. Das Gründerpaar hat Agrarwissenschaften studiert, zuerst in Bonn und dann ökologische Landwirtschaft in Witzenhausen in Hessen. „Wir wollten immer praktische Landwirtschaft machen“, erzählt Hoffmanns, die auf einem Biobetrieb am Niederrhein aufgewachsen ist, den jetzt ihr Bruder bewirtschaftet.

Machen, was passt

Um den Traum vom eigenen Hof zu erfüllen, haben sie sich zuerst der außerfamiliären Hofübernahme zugewandt. In mehreren Bundesländern haben sie sich bis zu 20 Betriebe angeschaut, erzählen die beiden. Gepasst habe es am Ende nirgendwo richtig.

Ein großes Problem seien die Eigentumsverhältnisse. „Bis Familien in der Landwirtschaft bereit sind, auch Eigentum abzugeben, dazu braucht es viel“, sagt Büchler. Hinzu kommen die sozialen Themen, die den Prozess der außerfamiliären Hofübergabe dominieren können.

Schließlich gründeten die beiden selbst. Über Beziehungen konnten sie die 5,5 ha Land pachten, von einem Eigentümer, in dessen Mietwohnung sie auf einem seit den 1960er-Jahren stillgelegten Hof wohnen. „Jeden Tag genießen wir, unser eigener Chef sein zu dürfen“, erzählt Hoffmanns. Als Existenzgründer könnten sie machen, „was zu uns passt“. Sie müssten dabei nicht aufpassen, dass sie das Lebenswerk eines Altlandwirts verändern, fügt sie aus den Erfahrungen mit der außerfamiliären Hofübergabe hinzu.

Jeden Tag genießen wir, unser eigener Chef sein zu dürfen.
Sarah Hoffmanns

Allerdings fehle bei einer Neugründung dann jemand, dem man Fragen zum Standort oder der Bewirtschaftung stellen könne. Auch das Netzwerk vor Ort mit Berufs­kollegen, Nachbarn, Lohnunternehmen und Marktpartnern mussten die beiden sich neu aufbauen. Mittlerweile haben sie gute Verbindungen geknüpft und sich mit viel Eigenleistung eine kleine Maschinenausstattung angelegt.

Bewirtschaftete Fläche ist nicht sicher

Doch das gepachtete Land steht auf der Kippe. Die Eigentümer wollen ihre Fläche verkaufen. Im Gespräch ist die Umwandlung in ein Gewerbegebiet. Büchler und Hoffmanns können nicht mitbieten. Nun versuchen sie, sich die Bewirtschaftung ihrer Äcker über die Kulturland Genossenschaft zu sichern. Privatleute können dafür 500 € Anteile zeichnen. Mit dem Investment will die Genossenschaft den Boden kaufen und ihn an das Paar zur Bewirtschaftung weitergeben.

Für die 5,5 ha Land sind 660  000 € angesetzt. Bisher sind rund 700 Anteile vergeben. Die beiden Gründer zeigen sich von der Unterstützung aus der Bevölkerung beeindruckt.

Das Vorhaben wackelt aber noch aus einem andern Grund. Der Landkauf über die Genossenschaftsanteile von Privatleuten verstößt gegen den Grundsatz „Ackerland in Bauernhand“ aus dem Grundstückverkehrsgesetz. Die Landwirtschaftskammer will dem Kauf daher keinen Zuschlag geben. Dagegen wollen Büchler und Hoffmanns Widerspruch einlegen. „Mit den gezeichneten Anteilen beteiligen wir un­sere Kunden an dem, was wir für sie in der ­Region machen“, argumentieren sie.

Existenz­gründung funktioniert nur mit Innovationen und speziellen Nischen.
David Büchler

Noch betreiben die beiden ihr landwirtschaftliches Unternehmen im Nebenerwerb. Hauptberuflich und in Teilzeit arbeiten beide in der Ökoberatung bei der Landwirtschaftskammer in Münster. „Der Plan ist, das einmal im Vollerwerb zu machen“, erzählen die Eltern von zwei kleinen Kindern.

Viel Fläche haben sie für ihren Betrieb nicht im Blick. Zielmarke sind bis zu 20 ha. Es geht ihnen um Diversifizierung und eine hohe Wertschöpfung vor Ort. Die haben sie mit ihrer Direktvermarktung samt Lieferservice per Lastenrad, einer Event-Gastronomie, Blühpatenschaften und Erlebnisangeboten auf ihren Äckern bereits auf­gebaut.

Die Vermarktung stand bei Büchler und Hoffmanns schon vor dem Anbau. Seit 2018 betreiben sie eine Eventgastronomie. Hauptgeschäft ist der Verkauf von frisch gemachten Pommes mit veganen Soßen auf Großveranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt. „Das gibt uns Liquidität und ist bisher der Betriebszweig, der Geld rein bringt“, erzählt Büchler.

Die zuvor zugekauften Biokartoffeln wollen sie zunehmend aus eigenem Anbau bestreiten. „Existenzgründung funktioniert nur mit Innovationen und speziellen Nischen“, sagt Büchler. Kein Existenzgründer fange mit einem klassischen Produktionszweig an.

Ohne Fläche kein Kredit

So wie Büchler und Hoffmanns einen landwirtschaftlichen Betrieb gründen ohne Hof oder Flächen aus der Familie, ist in der Landwirtschaft noch immer eine Seltenheit. In kaum einer anderen Branche sind die Einstiegsbarrieren für Existenzgründer größer. Grund ist die hohe Kapitalintensität, die in der Landwirtschaft durchschnittlich 790  000 € pro Arbeitsplatz beträgt.

In der Agrarförderung kommt Existenzgründung kaum vor. Die zuletzt 2023 erhöhte Junglandwirteförderung basiert auf Fläche. Sie ist das Produktionsmittel, das die Existenzgründer am Anfang nicht haben. Ohne Fläche gibt es zudem oft keinen Kredit bei der Bank für das Startkapital.

Diese Bundesländer schreiten voran

Sechs Bundesländer bieten eine Existenzgründungsprämie zur Unterstützung von Neueinsteigern in die Landwirtschaft an. Dazu gehören Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Vorreiter ist Sachsen-Anhalt, das die Prämie 2017 einführte und sich davon eine vielfältigere Agrarstruktur und ein Mittel gegen Landflucht verspricht. Einen Schub zur Verbreitung haben neue Fördermöglichkeiten in der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) ab 2023 ausgelöst.

Die Prämie variiert je nach Bundesland zwischen 45  000 und 100  000 € verteilt über drei bis fünf Jahre. Die Förderung ist unabhängig von der Hektarzahl und wird als Zuschuss ausgezahlt. Sie schließt neben Neugründungen meist auch außerfamiliäre und klassische Hofübergaben ein.

Voraussetzung sind die erstmalige eigenverantwortliche Führung eines landwirtschaftlichen Unternehmens, ein Alter von höchstens 40 Jahren und eine landwirtschaftliche Qualifikation. Vorgelegt werden muss ein Geschäftsplan über mehrere Jahre sowie ein bestimmter Arbeitszeitbedarf und Umsatzerlös aus der Landwirtschaft. Bei kooperativen Unter­nehmenskonzepten müssen die Antragsteller die wirksame Kontrolle über das Unternehmen nachweisen.

Nordrhein-Westfalen tut sich mit der Existenzgründungsprämie schwer. Zwar hat die Landesregierung aus CDU und Grünen 2022 in ihren Koalitionsvertrag geschrieben: „Neueinsteigerinnen und -einsteiger in die Landwirtschaft wollen wir unterstützen.“ Doch eine Existenzgründungsprämie ist bisher nicht geplant. Der Maßnahmenkatalog bis 2027 sehe kein Förderprogramm zur Existenzgründung vor, teilt das Landwirtschaftsministerium aus Düsseldorf dem Wochenblatt mit.

Dabei machen sich seit 2021 alle landwirtschaftlichen Jugendverbände in Westfalen für eine Existenzgründungsbeihilfe stark. Sie fordern, 1  % der Landesagrarförderung aus der GAP dafür zu nutzen. Das würde 11 Mio. € ausmachen. Bei einer Prämie von 70  000 € könnten damit etwa 150 Neugründungen in NRW über mehrere Jahre unterstützt werden.

Punkte bei der AFP-Förderung

Einen ersten Schritt zur Anerkennung von Existenzgründungen gibt es. In der Neufassung des Agrarinvestitionsförderprogramms (AFP) von März 2024 erhalten Neugründer und Junglandwirte im Auswahlverfahren vier zusätzliche Punkte und einen um bis zu 10 % höheren Fördersatz (bis maximal 20  000 €).

„Mit der Berücksichtigung von Existenzgründern in den neuen AFP-Auswahlkriterien erkennt das Ministerium immerhin den hohen Förderungsbedarf von landwirtschaftlichen Existenzgründungen an“, sagt Johannes Bühlmeyer, Junglandwirt und Vorsitzender des Rings der Landjugend. Das Ministerium müsse den Weg weitergehen und gezielt Punkte anpacken, die einer Existenzgründung im Weg stehen.

Noch lässt das Landwirtschaftsministerium offen, ob es sich für eine Existenzgründungsprämie in der nächsten Förderperiode ab 2028 einsetzt. Vorher will es einen Dialog über Maßnahmen und Schwerpunkte mit den betroffenen Verbänden führen, teilt es dem Wochenblatt mit.

Wertschätzung für den Weg in die Existenzgründung

Für Büchler und Hoffmanns würde eine Existenzgründungsprämie neben dem Finanziellen auch Wertschätzung bedeuten. Dass sie willkommen sind als Existenzgründer. „Das Interesse aus der Landwirtschaft uns Existenzgründern gegenüber geht fast gegen null“, sagt Büchler. Er merke aber, dass seine Kunden diesen Weg gut fänden. Vor allem aus dieser Rückmeldung schöpften sie aktuell Kraft für die Weiterentwicklung ihres Traums vom eigenen Hof.

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