In Deutschland haben nur wenige Landwirte eine Mehrgefahrenversicherung. Wie sieht das in Österreich aus?

Dr. Weinberger: In Österreich sind 85 % der Ackerflächen gegen das Risiko Hagel versichert und fast 80 % davon sind auch mehrgefahrenversichert. Außerdem sind 55 % der Rinder und 75 % des Schweinebestandes bei uns versichert. Unser Ziel als Versicherer ist es, Landwirten eine verlässliche und rasche Absicherung zu bieten.

Welche Produktpalette bietet die Österreichische Hagelversicherung?

Dr. Weinberger: Neben dem klassischen Hagelschutz umfasst unser Angebot auch Versicherungen gegen Frost, Sturm, Dürre, Überschwemmung und weitere Naturgefahren, aber auch beispielsweise gegen tierische Schädlinge, wie den Rübenrüsselkäfer. Darüber hinaus sind wir Österreichs größter Tierversicherer und bieten Schutz für Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Geflügel und Pferde.

Welche Rolle spielen die staatlichen Zuschüsse?

Dr. Weinberger: Die Risiken Hagel, Frost, Dürre, Sturm, starke oder anhaltende Regenfälle und auch Schädlingsbefall werden von Bund und Ländern mit je 27,5 % bezuschusst – für alle landwirtschaftlichen Kulturen. Gleiches gilt für die Absicherung der Tierproduktion. Damit entfallen aber Entschädigungszahlungen aus dem Katastrophenfonds für versicherbare Risiken. Landwirte haben also einerseits basierend auf einem Versicherungsvertrag einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Auf der anderen Seite führt die Eigenvorsorge der Landwirte dazu, dass der Staat im Schadenfall keine Katastrophenhilfe leisten muss.

Gibt es weitere Erfolgsfaktoren?

Dr. Weinberger: Durch die enge Zusammenarbeit mit Behörden und den Einsatz moderner Technologien gewährleisten wir eine schnelle, effiziente Schadenserhebung. Die Auszahlung kann im Regelfall innerhalb von zwei Tagen nach Abschluss des Schadensfalls erfolgen. Aber auch Innovationen wie die Dürreindex-Versicherung, die wir mittlerweile für fast alle Kulturen anbieten, tragen zur Zufriedenheit bei. Ebenso wichtig sind Versicherungssysteme, die auf Private-Public-Partnership aufbauen.

Wie genau funktioniert das Private-Public-Partnershipmodell?

Dr. Weinberger: Das Private-Public-Partnershipmodell basiert auf einer gesetzlich geregelten Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand, Landwirtschaft und Versicherungswirtschaft. Die Abwicklung der Förderung erfolgt durch uns als Versicherungsunternehmen, d.h. der Landwirt als Versicherungsnehmer erhält die Police abzüglich des Förderanteils. Die betriebsindividuellen Daten mit Anbaudaten gemäß dem jährlichen Mehrfachantrag erhalten wir direkt von der Zahlstelle.

Welche Vorteile bringt der hohe Digitalisierungsgrad für die Landwirte?

Dr. Weinberger: Die versicherten Landwirtinnen und Landwirten können beispielsweise Schäden rasch und einfach online über das Kundenportal oder die Hagel App melden. Und durch die Verwendung von Satellitendaten in Zusammenarbeit mit der European Space Agency (ESA) bieten wir unseren Landwirten regelmäßig aktualisierte Satellitenaufnahmen aller bewirtschafteten Felder an und liefern wertvolle Einblicke in den Pflanzenwuchs. Damit haben die Betriebe eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage, um gezielt Maßnahmen zu setzen. Neben der Feldbeobachtung spielen die Satellitendaten auch in der Schadenserhebung eine zentrale Rolle. Für Ertragsmodellierungen verwenden wir bereits Künstliche Intelligenz.

Was braucht es in Deutschland, um die Mehrgefahrenpolice voran zu bringen?

Dr. Weinberger: Einen politischen Konsens und den Willen, eine bundesweit einheitliche Prämienbezuschussung anzubieten. Eine solche Förderung könnte die finanzielle Belastung der Landwirte reduzieren und Anreiz schaffen, vermehrt Erntepolicen abzuschließen. Dies würde die Resilienz der deutschen Landwirtschaft gegenüber den zunehmenden Wetterextremen stärken. Wir dürfen nicht vergessen: Die bäuerlichen Betriebe sind Klimaopfer Nr. 1, daher brauchen sie ein umfassendes, leistbares Sicherheitsnetz.