Heute, am 24. Februar 2025 sind genau drei Jahre seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vergangen. Noch in der Nacht zum 23. Februar erlebte die Ukraine den laut mehreren Medienberichten bisher massivsten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn, unter anderem in der Region Kiew. Inmitten solcher Turbulenzen setzt der Landwirt Dietrich Treis nahe der Hauptstadt seine Arbeit fort und versucht sein Agrarunternehmen Stück für Stück zurück zur Normalität zu führen. Wir sprachen mit ihm im Januar diesen Jahres.
Verantwortung in Krisenzeiten: Der Betrieb läuft weiter
Dietrich Treis ist deutscher Landwirt und seit 2017 Geschäftsführer des Agrarunternehmens UIFK Agro. Der Betrieb liegt 70 km von Kiew entfernt. Seit 1999 lebte Treis dort mit seiner Frau und den beiden Kindern. Der Beginn des Krieges stellte das Leben der Familie auf den Kopf. Sie flohen nach Passau, während Treis bereits acht Wochen später allein zurückkehrte, um den Betrieb weiterzuführen.
Ich habe die Verantwortung für den Betrieb und die 80 Mitarbeiter übernommen. Das bedeutet, auch in Krisenzeiten zu bleiben.“
„Ich habe die Verantwortung für den Betrieb und die 80 Mitarbeiter übernommen. Das bedeutet, auch in Krisenzeiten zu bleiben“, erklärt Treis. Obwohl er die Belastung durch die langen Autofahrten zwischen Passau und Kiew spürt – eine Strecke, die ihn 20 Stunden ans Steuer zwingt und jedes Mal zwei Tage kostet – steht für ihn fest, dass der Betrieb weiterlaufen muss. „Es dauert Tage, bis ich nach der Fahrt wieder runterkomme. Ich merke dann: In Deutschland bin ich deutlich entspannter. In Kiew besteht vermutlich kein körperliches Risiko, aber die mentale Anspannung ist da.“
Obwohl der Betrieb nicht direkt im Kriegsgebiet liegt, spürt Treis die Auswirkungen täglich. Häufige Stromausfälle, verursacht durch Raketenangriffe, bringen die Energieversorgung immer wieder zum Erliegen. Zwei Generatoren sichern den Betrieb: ein 400 kW-Generator für die Getreidetrocknung und ein 80 kW-Generator für Werkstatt und Büro. „Manchmal fällt der Strom für mehrere Stunden oder sogar Tage aus. Das ist für uns ein großer Kostenfaktor“, berichtet Treis.
Vorrausschauend planen, schnell verkaufen
Auch die Logistik brach 2022 zunächst zusammen. Gesprengte Brücken, die russische Truppen vor Kiew stoppen sollten, unterbrachen Verkaufswege und Lieferketten. Glücklicherweise hatte Treis bereits Ende 2021 alle Betriebsmittel vorab bestellt. „Wir fragten uns, was passiert, wenn wirklich Krieg ausbricht, legten Dieselvorräte bis zur nächsten Ernte an und bestellten das Saatgut frühzeitig. Das hat uns durch die ersten Monate gebracht.“ Auch heute plant er frühzeitig und geht weniger Risiken ein.
Das zeigt sich auch in seiner Vermarktungsstrategie. Treis hat im Januar bereits 70 % der Ernte verkauft – normalerweise wären es zu diesem Zeitpunkt erst ein Drittel. „Wir wissen nie, ob Angriffe auf die Infrastruktur oder neue Hafenblockaden die Ausfuhr stoppen. Deshalb versuchen wir, schnell zu verkaufen.“ Wie die meisten Agrarunternehmen ist auch die UIFK Agro vom Export abhängig.
Arbeitskräftemangel bremst landwirtschaftliche Arbeit
Die größte Herausforderung bleibt die Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Weil die Landwirtschaft von der Regierung als Teil der „kritischen Infrastruktur“ eingestuft wurde, darf Treis die Hälfte seiner wehrpflichtigen Mitarbeiter halten. Andere werden nicht eingezogen, weil sie mehr als drei Kinder haben, für Angehörige sorgen oder selbst Verluste erlitten. Dennoch fehlen Arbeitskräfte. „Engpässe können wir noch kompensieren. Aber wenn der Krieg weiter andauert, müssen wir vermutlich einige Arbeiten einstellen und Flächen brach liegen lassen.“
Obwohl gute Nachrichten von der Front ausbleiben, sind die Mitarbeiter zuverlässig bei der Arbeit. „Sie sehen, dass wir nicht aufgeben. Der Betrieb gibt ihnen einen Anker der Normalität.“ Auch durch strategische Entscheidungen versucht er Hoffnung zu vermitteln. So hat der Betrieb sich um 2.000 ha auf 6.500 ha vergrößert und ein neues Silo gebaut. Bis auf gut 40 ha, die vermint sind, sind alle Flächen nutzbar. Auf der Hälfte wächst Mais, gut ein Viertel ist mit Sonnenblumen bestellt und der Rest mit Weizen, Raps und Roggen. Ein besonderer Moment der Anspannung war für Treis im Sommer 2023, als das Getreideabkommen auf Eis lag. Die Lager waren voll, der Export stockte, und die Anbauplanung stand bald an. Treis reagierte, indem er etwa 10 % weniger anbaute und die Fruchtfolge anpasste. Sein Plan ging auf.
Der Betrieb läuft wieder, aber es fühlt sich nicht normal an.“
Diesel ist seit Juli 2022 wieder verfügbar und mittlerweile sind alle Brücken wieder aufgebaut. Das vergangene Jahr war wirtschaftlich ein gutes und der Export läuft fast auf Vorkriegsniveau. Im Betrieb kehrt ein Stück Normalität zurück, findet Treis. „Zumindest, wenn ich keine Nachrichten lese und wenig nach rechts und links gucke. Der Betrieb läuft wieder, aber es fühlt sich nicht normal an.“