Die Genossenschaft „Die Energielandwerker eG“ aus Steinfurt (Nordrhein-Westfalen) bietet für Betreiber verschiedener Energieanlagen Lösungen im Bereich Direktvermarktung/PPA, Stromsteuer, Strombezug, Herkunftsnachweise, Registerpflege, Weiterbetrieb, Abrechnungsprüfung oder Ausschreibungsverfahren an. Wir sprachen mit Geschäftsführer Thomas Voß über aktuelle Chancen und Herausforderungen.
Sie unterstützen Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen bei der Stromvermarktung, u.a. auch bei der Direktlieferung im Rahmen von Power-Purchase-Agreements (PPA). Wie ist die Nachfrage danach?
Voß: Wir sind hier im Münsterland von vielen größeren Unternehmen umgeben, was gerade für Windparks eine Chance bedeuten kann. Wir hatten eine heiße Phase mit sehr vielen Anfragen nach erneuerbarem Strom im Jahr 2022, als die Energiekrise auf ihrem Höhenpunkt war. Neben dem Wunsch der Unternehmen, nachhaltiger zu werden, war die sichere und bezahlbare Energieversorgung damals der Treiber. Mittlerweile sind solche Corporate-PPA, wie die Verträge mit Unternehmen genannt werden, schwierig, die Nachfrage ist deutlich abgekühlt.
Woran liegt das?
Voß: Man muss einfach feststellen, dass bei der aktuellen Strompreisgestaltung Strom aus erneuerbaren Energien nur noch in Ausnahmefällen konkurrenzfähig ist. Das war in der Hochpreisphase bis Anfang 2023 noch anders. Windenergieanlagen können in unserer Region selbst bei guten Windverhältnissen Strom nur für 8 bis 10 ct/kWh produzieren. In dieser Höhe bewegt sich auch die EEG-Vergütung. Unternehmen würden dagegen Verträge unterschreiben, wenn wir den Strom für 5 bis 7 ct anbieten könnten. Das schaffen nur Windenergieanlagen in Norddeutschland.
Aber selbst 10 ct sind doch deutlich günstiger als Strom vom Energieversorger.
Voß: Ja, aber der reine Strompreis ist ja nur eine und schon fast die niedrigste Preiskomponente. Wenn wir, wie üblich, den Strom über das öffentliche Netz vermarkten, fallen Abgaben wie Netzentgelte, Stromsteuer usw. an. Eine Alternative wären Onsite-PPA, bei denen der Strom über eine eigene Stromleitung zum Unternehmen kommt. Dadurch entfallen die üblichen Abgaben, die bei der Nutzung des öffentlichen Stromnetzes entstehen. Das Problem dabei ist, dass man bei einer Direktleitung eine relativ lange Vertragslaufzeit braucht, damit sich die Investition in die Leitung rechnet. Aber Unternehmen sind nicht bereit, sich für 15 Jahre vertraglich zu binden, wenn die Kostenersparnis bei nur wenigen ct/kWh liegt.
Was ist mit Post-EEG-Anlagen, die keine Förderung mehr erhalten?
Voß: Auf den ersten Blick wären sie dafür geeignet, weil sie Strom für teilweise unter 5 ct/kWh produzieren können. Aber sie sind häufig zu klein, als dass sich der Aufwand mit der Vermarktung lohnen würde. Und außerdem werden viele von ihnen inzwischen nach wenigen Jahren repowert und damit durch größere Anlagen ersetzt. Ein Modell, das bei diesen Anlagen relativ häufig vorkommt, sind Festpreisangebote von Stromvermarktern, die den Strom von verschiedenen Anlagen bündeln.
Was sind sonst Ihre Arbeitsschwerpunkte in der Vermarktung?
Voß: Wir stellen immer häufiger fest, dass es für Anlagenbetreiber schwierig ist, den richtigen Vermarktungspartner zu finden. Darum bündeln wir Strommengen und schreiben sie aus. Erst kürzlich haben wir eine Ausschreibung über 450 MW Windstrom gemacht und dazu 22 Angebote von Direktvermarktern erhalten. Diese werten wir aus, prüfen die Verträge und geben den Betreibern Empfehlungen darüber, was wir für sinnvoll halten. Zudem können wir dann nachverhandeln, um bessere Konditionen zu erhalten. Anschließend sind wir auch der Ansprechpartner für die Vermarkter und helfen dem Betreiber dabei, Ausfallzeiten zu vermeiden. Denn diese können teuer werden.
Warum?
Voß: Mit dem EEG 2023 hat der Gesetzgeber harte Strafen eingeführt, die fällig werden, wenn eine Anlage nicht fernsteuerbar ist. Pro kW und Monat sind das 10 €. Da können bei einem Windrad schon mehrere Tausend Euro* im Monat zusammenkommen. Wir unterstützen die Betreiber dabei, dass diese Kosten möglichst nicht anfallen.
Was stellen Sie bei der Prüfung von Stromvermarktungsverträgen fest, gibt es große Unterschiede?
Voß: Auf jeden Fall. Bis zur Energiekrise waren es häufig Standardverträge. Doch das hat sich geändert, weil der Strommarkt komplexer geworden ist und Vermarkter zum Teil hohe Kosten für Ausgleichsenergie zahlen mussten. Darum haben sie sich viele Regelungen einfallen lassen, um das Risiko zu minimieren. Einer verlangt z.B. 0,25 ct/kWh, wenn die Datenqualität aus der Fernsteuerungsbox nicht stimmt. Bei anderen ist ein zertifiziertes IT-Sicherheitskonzept nach ISO 27001 nötig. Dazu kommt, dass aufgrund der vielen neuen gesetzlichen Regelungen fast im Zweimonatstakt neue AGB von den Vermarktern kommen, die auf Fallstricke zu prüfen sind. Das ist deutlich aufwändiger geworden.
Auch preislich gibt es große Unterschiede. In einem Fall liegen die Vermarktungskosten für die gleiche Strommenge bei den unterschiedlichen Vermarktern zwischen 70.000 und 120.000 € pro Jahr. Darum ist die Bündelung von Strommengen und die gemeinsame Ausschreibung aus unserer Sicht sehr sinnvoll, weil man so bei den Vermarktern eine bessere Verhandlungsposition und einen besseren Marktüberblick hat.
Gibt es denn auch qualitative Unterschiede bei den Vermarktern?
Voß: Ja, denn sie haben häufig eine gewisse Spezialisierung. Einige konzentrieren sich vor allem auf steuerbare Anlagen wie im Biogasbereich. Sie bedienen eher die Regelenergiemärkte und den Intradayhandel. Zudem versuchen sie, die Biogasanlagen in der Flexibilität zu optimieren. Bei den volatilen Wind- oder Solaranlagen dagegen ist mehr meteorologisches Fachwissen gefragt. Gerade im Windbereich muss man schnell auf Stillstandzeiten reagieren und die Prognose optimieren. Darum sollte sich jeder Anlagenbetreiber den passenden Vermarkter mit entsprechendem Marktwissen suchen. Das muss nicht unbedingt immer der sein, der vor Ort angesiedelt ist.
Inwieweit beziehen Sie bei der Vermarktung Batteriespeicher ein?
Voß: Der Bereich wird immer wichtiger. Es werden immer mehr Großspeicher an Umspannwerken gebaut. Sie sorgen dafür, dass Stromüberschüsse kurzfristig gespeichert und bedarfsgerecht eingespeist werden können. Gerade bei der Photovoltaik lassen sich damit Lieferungen ausgleichen. Wenn ein Händler am Vortag Strom zu einer bestimmten Stunde vermarktet, kann es sein, dass er morgens nach Sonnenaufgang erst zu wenig und später zu viel Strom hat. Dann müsste er am Intradaymarkt nachhandeln.
Wird der Strom dagegen in einer Batterie gespeichert, lassen sich Schwankungen besser ausgleichen und damit Preisspitzen vermeiden. Mit dem Solarpaket I ist die Beteiligung von Batteriespeichern wesentlich einfacher geworden. Noch muss die Bundesnetzagentur ein Messkonzept und weitere Details vorlegen, aber tendenziell ist es so, dass man dann Teilstrommengen aus Wind- und PV-Anlagen in Zeiten von negativen Strompreisen an der Börse in der Batterie speichert, für den man ansonsten keine Vergütung erhält. Und später lässt er sich wieder ausspeisen und nach EEG vergüten, wenn der Strompreis höher ist.
Gleichzeitig kann dann mit dem Speicher auch an anderen Märkten, zum Beispiel Regelenergiemärkte teilgenommen werden. Das macht so einen Speicher wirtschaftlicher. Auch kann man bald sehr flexibel mehrmals im Jahr zwischen einem reinen ‚Grünstromspeicher‘ zur Speicherung von erneuerbarem Strom oder einem ‚Graustromspeicher‘ wechseln, der Strom aus dem Stromnetz aufnimmt und wieder abgibt. Wenn beispielsweise die Regelenergiepreise hoch sind, ist der Betrieb eines Graustromspeichers möglicherweise interessanter. Bei einer Batterie in Kombination mit einem Windpark ist das vielleicht eher im Sommer der Fall. Der Betreiber würde dabei von den Preisschwankungen profitieren, die die vielen Solarstromanlagen verursachen. Im Winter dagegen lässt sich die Batterie dann unter Umständen besser als Grünstromspeicher zur Speicherung von Windstrom nutzen, für den der Betreiber die EEG-Vergütung erhält.
Welche Trends stellen Sie sonst noch bei der Vermarktung fest?
Voß: Wir erleben, dass der Energiemarkt vielseitiger wird. Sehr viel Potenzial sehen wir aktuell in der Wärmeversorgung und der Kopplung vom Strom- und Wärmebereich. Denn der Wärmebereich ist weniger stark reguliert und lässt dem Betreiber viel mehr Freiheit. Die Chance ist jetzt, bei der kommunalen Wärmeplanung den Fuß in die Tür zu bekommen. Auch werden viele Unternehmen nach Alternativen in der Wärmeversorgung suchen, wenn der CO2-Preis für fossile Energie im Rahmen des neuen EU-CO2-Zertifikatehandels (ETS 2) ab 2027 steigt.
So könnte in ein Wärmenetz neben einer Biomasseanlage auch eine Großwärmepumpe oder ein Pufferspeicher mit Heizstab integriert werden, die sich beide mit Wind- oder Solarstrom betreiben lassen. Damit vermeidet man Stillstandzeiten im Rahmen von Redispatch 2.0 oder negativen Strompreisen und erhöht gleichzeitig die Wertschöpfung.
Gerade in Regionen wie dem Münsterland sehe ich da große Chancen. Also in Regionen, in denen viel Gewerbe und viele Bürger in der Nähe von Windparks angesiedelt sind. Mit kurzen Wärmeleitungen kann man da schnell neue Märkte erschließen. Strategische Partner wie z.B. regionale Stadtwerke könnten hier bei der Wärmeverteilung und -vermarktung helfen.
In einer Region können die einzelnen Erneuerbare-Energien-Anlagen auch gut zusammenarbeiten. So kann ein Windpark sehr kostengünstig Strom für eine Biomethananlage liefern, die damit gleichzeitig den CO2-Fußabdruck senkt und damit die Erlöse über den Verkauf der THG-Quote im Kraftstoffmarkt erhöht.