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Familie bangt um Biogasanlage: Super Konzept – unsichere Zukunft

Für die Biogasanlage von Georg Große Ausber aus NRW läuft Ende 2024 der 20jährige EEG-Förderzeitraum aus. Vom Ergebnis der Ausschreibung für die Anschlussvergütung im September hängt seine Zukunft ab.

Lesezeit: 6 Minuten

Wie Georg Große Ausber aus Sassenberg im Kreis Warendorf (Nordrhein-Westfalen) geht es gerade vielen Biogasanlagenbetreibern: Für seine Biogasanlage läuft Ende 2024 der 20-jährige EEG-Förderzeitraum aus. Zum wiederholten Mal hat er an der Ausschreibung für die Anschlussvergütung teilgenommen. „Bekomme ich bei der Ausschreibung im September wieder keinen Zuschlag, muss ich unsere Anlage Anfang 2025 runterfahren“, sagt er.

Zukunftsfähiges Konzept

Dabei ist das Konzept seiner Biogasanlage so, wie politisch gewollt: Als Substrate setzt Große Ausber neben Gülle und Mist auch Silomais und Zuckerrüben sowie Wildblumen und Durchwachsende Silphie ein. Nach und nach ist die Anlage gewachsen. Heute liegt die installierte Leistung bei 1.285 kW (elektrisch). Die Stromproduktion erfolgt bedarfsgerecht. Im Jahresdurchschnitt erzeugen die Motoren eine Leistung von 500 kW.

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Vorbildlich ist das Wärmekonzept: „Die bei der Verstromung anfallende Wärme können wir ganzjährig vollständig nutzen“, sagt der Landwirt. Mit einem Teil der Wärme trocknet er Getreide, Mais- und Hackschnitzel. Ein anderer Teil heizt die eigenen Wohnhäuser, ein Nachbarhaus sowie Schweineställe.

Hauptabnehmer für die Wärme ist seit rund elf Jahren aber die nahgelegene Fleischwarenfabrik Stockmeyer. Die Firma benötigt die Wärme ganzjährig, um warmes Wasser und Dampf für die Fleischverarbeitung herzustellen. „Vergangenes Jahr haben wir rund 2,366 Mio. kWh Wärme an Stockmeyer geliefert. Fällt unsere Wärme weg, muss sie über Erdgas ersetzt werden. Allein dadurch entsteht ein zusätzlicher CO2-Ausstoß von weit über 200 t im Jahr. Das ist unnötig und in Zeiten, in denen die Politik die Wärmewende als ein wichtiges Ziel ausgibt, völlig unverständlich“, sagt der Landwirt.

Da auch der ins öffentliche Netz eingespeiste Biogasstrom (fossil) ersetzt werden muss, steigt auch hier der CO2-Ausstoß. Eine weitere Quelle sind Mist und Gülle, die unvergoren ebenfalls mehr Treibhausgase emittieren. 

Zuschlag verfehlt

Bei der Ausschreibung im April hatte Große Ausber 18 ct/kWh geboten und damit einen Zuschlag verfehlt. Bei einem Höchstgebotswert von 19,83 ct/kWh lag der durchschnittliche mengengewichtete Zuschlag außerhalb der Südregionen bei 17,80 ct/kWh (in der Runde zuvor 18,8 ct/kWh). Gebote aus den Südregionen wurden entsprechend der Südquotenregelung bevorzugt bezuschlagt. Insgesamt lag das niedrigste Gebot mit Zuschlag bei 14,16 ct/kWh, das höchste bei 18,48 ct/kWh. Bei einer ausgeschriebenen Menge von 240 MW und einer Gebotsmenge von 742 MW war die Ausschreibung mehr als dreifach überzeichnet.

Mit der Oktoberausschreibung erhöht sich der Druck leicht: Trotz der im April liegengebliebenen Gebotsmenge sank das Ausschreibungsvolumen entsprechend der EEG-Regeln auf 233 MW. Für Bieter aus NRW und den restlichen Nordregionen positiv: Mit dem Solarpaket 1 sind die Regelungen der Südquote ausgesetzt.

Die richtige Strategie

Davon, einfach weniger zu bieten und so relativ sicher einen Zuschlag zu erhalten, rät Biogasberater Roland Schulze Lefert, Landwirtschaftskammer NRW, deutlich ab. „Es hilft nichts, einen Zuschlag zu bekommen, wenn die Vergütung letztendlich nicht die Vollkosten der Stromproduktion deckt“, sagt er und erklärt die Zusammenhänge:

  • Zunächst müssen die Investitionskosten aufsummiert werden, die anfallen um die Biogasanlage fit für die zweite Vergütungsperiode zu machen. Bei der Anlage Große Ausber sind das zum Beispiel Gas- und Wärmespeicher, Generalüberholung einzelner BHKW und Behälter sowie die Nachrüstungen von SCR-Katalysatoren an den BHKW. Davon werden die Einnahmen aus dem Flexibilitätszuschlag (65 € pro installiertem kW und Jahr) abgezogen und so der Festkostenanteil für den Gebotspreis ermittelt. Die Kosten unterscheiden sich von Anlage zu Anlage, entsprechend liegt dieser Anteil in der Regel irgendwo zwischen 0 und 2,5 ct/kWh Strom.

  • Hinzu kommt der Anteil für variable Kosten der Biogasstromerzeugung. Nach Ergebnissen der Betriebszweigauswertung (BZA) Biogas summierten sich die variablen Kosten in den Jahren 2019 bis 2022 auf durchschnittlich 17,06 ct/kWh. Die anlagenindividuellen Kosten lassen sich leicht aus der Buchführung ermitteln.

  • Zur reinen Kostenabsicherung benötigen die Betreiber also einen Strompreis von etwa 17 bis 19,5 ct/kWh. Damit erzielen sie noch keinen Gewinn und es ist noch kein Puffer für zukünftige Kostensteigerungen bei Substraten, Wartung oder Reparaturen enthalten.

  • Den Wärmeverkauf oder Mehreinnahmen am Strommarkt als Stütze für ein nicht vollkostendeckendes Gebot einzurechnen, sieht Schulze Lefert, auch bei Anlagen wie der von Familie Große Ausber mit Flexibilisierung und einem sehr guten Wärmekonzept als hoch risikoreich an. Die Abhängigkeit vom Wärmekunden oder der Entwicklung der Strommärkte ist extrem groß. Wenn der Wärmekunde dann, aus welchen Gründen auch immer, den Vertrag kündigt oder der Strommarkt kippt, ist die Anlagenexistenz sofort gefährdet.

  • Nicht zu unterschätzen ist auch die lokale Konkurrenz. Ein Strompreis weit unterhalb des Höchstzuschlags in der jeweiligen Ausschreibungsrunde ist schnell ein erheblicher Nachteil beim Wettbewerb um Substrate oder Arbeitskräfte

  • Die Stilllegung einer funktionstüchtigen Biogasanlage ist für Betreiber ein Schreckszenario und erweist der Energiewende einen Bärendienst. „Sie eröffnet den Betroffenen aber auch neue Chancen. Denn sie setzt Arbeitszeit, Umlaufkapital und Anbaufläche für neue Aktivitäten frei“, sagt Schulze Lefert. Was am Ende besser ist, ist natürlich offen.  

„Ausschreibung funktioniert bei Biogas nicht“

„Das Ausschreibungssystem im Marktprämienmodell funktioniert gut bei Technologien wie Windenergie oder Photovoltaik. Denn hier sind 90 oder 95 % der Kosten Festkosten“, sagt Schulze Lefert. So können Betreiber vor Teilnahme am Ausschreibungsverfahren kalkulieren, welche Vergütung sie benötigen, um gewinnbringend wirtschaften zu können.

Im Bereich Biomasse ist das jedoch anders. Hier machen die variablen Kosten den weitaus größten Kostenblock aus. Bei gleichzeitig fester Vergütung ist es nicht möglich, Inflationsrisiken zu managen. Bei anderen Betriebszweigen, etwa dem Anbau von Raps oder Getreide, ist die Situation ähnlich und doch komplett anders: „Hier haben Betriebsleiter die Möglichkeit, fortlaufend der Marktsituation angepasste Preise abzusichern, für das Erntegut, aber auch für Betriebsmittel wie Dünger“, sagt der Berater. Das funktioniert im Bereich Stromvergütung aufgrund des bestehenden Marktprämienmodells jedoch nicht.

Hier gibt es nur eine Chance, die Inflationsrisiken zu senken: Und zwar – egal, ob bei Weiterbetrieb oder Neuanlage – einen möglichst hohen Zuschlag in der Ausschreibung zu erhalten.

Höherer Zuschlag nötig

„Eine Erhöhung der Ausschreibungsmenge würde beim aktuellem Höchstgebotswert von 19,83 ct/kWh für Bestandsanlagen vielen Betreibern helfen“, sagt Schulze Lefert. Der Stein der Weisen sei das jedoch nicht, da niemand weiß, wie sich die Inflation entwickelt. „Nötig wäre ein Umbau der EEG-Vergütung und des Ausschreibungssystems, das den Betreibern durch klare Absicherung der Festkosten im Flexibilitätszuschlag sowie mit einer festen Prämie pro kWh mehr Handlungsspielraum gibt, aktiv ihr Risiko in die Hand zu nehmen und ihren Strom an einem fairen Markt mit allen denkbaren Absicherungsmöglichkeiten zu vermarkten.“

Im Sommer hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein Biomassepaket angekündigt, dass die Biomasseförderung reformieren und der Rolle von Biogas im Energiesystem als flexibler Stromlieferant und Wärmeerzeuger Rechnung tragen soll. Was genau kommen soll, ist allerdings noch offen.

Für Familie Große Ausber stehen nun bange Wochen bevor. Das Ausschreibungsergebnis wird frühestens Mitte November erwartet.

Ergebnisse aus dem TRANSBIO-Projekt

Die Sonderveröffentlichung „Auswertung von Post-EEG-Projekten. Schlussfolgerungen für die Biogas-Praxis“ des KTBL präsentiert den aktuellen Stand der Biogasnutzung in Deutschland, liefert Ergebnisse einer zu Jahresbeginn durchgeführten Befragung zum Weiterbetrieb von Biogasanlagen, stellt die derzeit wichtigsten Geschäftsfelder zum Anlagenweiterbetrieb vor und liefert eine Zusammenfassung der oben beschriebenen Meta-Analyse von Post-EEG-Studien. Die Schrift wurde vom KTBL, unter Beteiligung des Deutsches Biomasseforschungszentrums und des Instituts für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme erarbeitet.

Alle Informationen zum Projekt TRANSBIO, die Sonderveröffentlichung des KTBL sowie weitere Projektveröffentlichungen sind im Fachportal „Zukunft Biogas“ unter www.zukunftbiogas.de zu finden.

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