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Kommunale Wärmeplanung: Es geht nicht nur um Wärmenetze

In vielen Kommunen laufen aktuell Wärmeplanungen. Auch Betreiber von Biogas-, Solar- oder Windenergieanlagen sollten sich jetzt einbringen, rät Franziska Probst vom Unternehmen Enwelo.

Lesezeit: 7 Minuten

Die „Kommunale Wärmeplanung“ ist eine Pflichtaufgabe in deutschen Städten und Gemeinden. Dabei geht es darum, den aktuellen Stand der Wärmeversorgung zu analysieren und Wege aufzuzeigen, wie eine klimafreundliche Versorgung in Zukunft aussehen kann.

Ein Irrglaube ist es, dass es dabei nur um Wärmenetze geht. Es gibt viele Möglichkeiten zur Wärmeversorgung von Straßen, Dörfern oder Stadtteilen. Neben der Abwärme von Industrieunternehmen sollte auch der Einsatz von Überschussstrom aus Windparks, Solar- oder Biogasanlagen einbezogen werden, rät Franziska Probst vom Unternehmen Enwelo aus Hollich (Nordrhein-Westfalen), das u.a. Kommunen bei der Wärmeplanung unterstützt.

Franziska Probst hat ihre Masterarbeit bei Enwelo über die Akzeptanzfaktoren von Energieprojekten geschrieben und ist jetzt als Ingenieurin im Bereich Energiekonzepte und Wärmeplanungen tätig.

Ihr Unternehmen plant und betreut seit längerem Bürgerwindparks. Jetzt ist die „Kommunale Wärmeplanung“ ein weiteres Geschäftsfeld. Welche Dienstleistungen bieten Sie an?

Probst: Wir unterstützen Kommunen bei der vorgeschrieben Kommunalen Wärmeplanung, helfen aber auch bei der Gründung von möglichen Gesellschaften, bei der Umsetzung von Bürgerbeteiligungskonzepten, der technischen Planung und Finanzierung. Wichtig zu betonen ist, dass wir die Projekte nicht für uns machen, sondern den Akteuren vor Ort helfen, sie umzusetzen. Wir leisten also Hilfe zur Selbsthilfe.

Sie sprechen also von der Gründung einer Gesellschaft zur Umsetzung von Energieprojekten. Warum halten Sie es für so wichtig, die Bürger vor Ort in diese Projekte einzubinden?

Probst: Wir glauben, dass der große Transformationsprozess der Energiewende nur gelingt, wenn wir die Menschen daran beteiligen. Denn wir können noch so gute Konzepte vorbereiten, die Umsetzung liegt bei den Menschen vor Ort. Daher bedeutet die Beteiligung vor Ort nicht nur die finanzielle Beteiligung an Projekten, sondern auch die Beteiligung am Planungsprozess. Wichtig ist hier zu sehen: Es gibt unglaublich viele Arten der Beteiligung, sie muss nur zu den Akteuren vor Ort passen und das ist unsere Aufgabe, hierbei das Richtige zu finden. Und hier können die guten Erfahrungen helfen, die wir mit Bürgerwindparks gemacht haben.

Welche Erfahrungen sind das?

Probst: Wir haben festgestellt, dass die Beteiligten einen anderen Blick für die Energieversorgung entwickeln. Sie nehmen vieles nicht als gegeben hin, sondern werden aktiv und denken auch über Wärmepumpen oder die Elektromobilität nach. Genauso kommt bei Windparkbetreibern das Thema Wärmeversorgung ins Gespräch.

Windräder erzeugen ja bislang Strom. Wie passt das zur Wärmeversorgung?

Probst: Wir halten es für einen großen Fehler, bei der Wärmeversorgung heute nicht auch den Strom mit einzubeziehen. Das versuchen wir den Kommunen immer wieder zu vermitteln.

Es geht nicht mehr nur darum, Strom aus einem Park ins Netz einzuspeisen, sondern wir müssen die Situation der Stromnetze, Batteriespeicher, Wasserstoffproduktion, Elektromobilität und eben die Wärme mit einbeziehen. Denn Strom aus Wind- und Solaranlagen ist heute so günstig, dass es sich lohnt, ihn zu Heizzwecken einzusetzen, vor allem in Zeiten, in denen zu viel Strom im Netz ist und Anlagen abgeregelt werden müssten.

Selbst Biogasanlagen, die keine EEG-Förderung mehr erhalten, könnten in Zeiten, in denen Strom nicht, dafür aber viel Wärme gebraucht wird, mit dem BHKW-Strom Wärme erzeugen. Das hängt dann immer von den jeweiligen Preisen für Strom und Wärme ab.

Mit welcher Technik lässt sich denn mit Strom am besten heizen?

Probst: Vor allem kommen dafür Wärmepumpen in Betracht, die mit günstigem Strom aus Wind- oder Solarparks betrieben werden. Aber auch Heizstäbe in Pufferspeichern können interessant sein, weil sie sehr kurzfristig bei Stromüberschüssen angesteuert werden können und verhältnismäßig geringe Investitionskosten haben.

Wenn Sie von Wärme sprechen: Geht es dabei immer nur um Nahwärmenetze?

Probst: Nein, auch das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Ein Wärmenetz kann sinnvoll sein – muss es aber nicht. Wir kennen Fälle, bei denen Kommunen Neubaugebiete mit einem Anschlusszwang umgesetzt haben und 30 ct/kWh an Wärmekosten verlangen. Da ziehen die Bürger jetzt teilweise wieder aus, weil sie sich die Wärme nicht leisten können. Sowohl der viel zu hohe Wärmepreis, aber auch der Anschlusszwang sind Fehler.

Auch ist eine Großwärmepumpe, die an ein Wärmenetz angeschlossen ist, nicht per se günstiger als viele kleine Wärmepumpen. Wir raten dazu nur, wenn sie mit günstigem erneuerbarem Strom betrieben werden kann. Ein Nahwärmenetz würden wir nur bei sehr guten Voraussetzungen empfehlen, wenn entsprechende Hebel das Nahwärmenetz sinnhaft und vor allem wirtschaftlich machen.

Welche wären das?

Probst: Was ein Nahwärmenetz begünstigt, ist beispielsweise die Abwärme von Industriebetrieben, die teilweise sogar kostenlos anfällt. Ebenso helfen kann es, wenn es eine Biogasanlage vor Ort gibt, deren Abwärme man einplanen kann. Oder wenn es einen Großverbraucher gibt, der von Anfang an eine große Menge an Wärme abnimmt, wie ein Schwimmbad, eine Wäscherei oder andere Betriebe.

Auch eine anstehende Straßensanierung hilft, weil man dann gleich die Wärmeleitungen kostengünstig mit verlegen kann. Das gleiche betrifft ein Neubaugebiet, bei dem man von Anfang an Leitungen legen kann, bevor die Häuser gebaut sind. Neben einem klassischen Nahwärmenetz könnte hier aber auch eine kalte Nahwärme infrage kommen.

Welchen Vorteil hat das und wie funktioniert es?

Probst: Wärmenetze haben immer Verluste, abhängig von der Trassenlänge. Ist das Wasser in der Leitung nicht so warm, sinken auch die Verluste. Ein gutes Beispiel ist kalte Nahwärme. Dabei fließt in dem Netz Wasser mit einer Temperatur von maximal 20 °C. In den Häusern sind jeweils Wärmepumpen verbaut, die diese Wärme auf ein Niveau heben, das zum Heizen verwendet werden kann. Für die Haushalte wird es am Ende günstiger, wenn sie nur von 20°C aus aufheizen müssen. Das ist sowohl für Neubauten interessant, deren Wärmebedarf sehr gering ist, als auch für Altbauten.  

Wie bewegt man die Bürger dazu, sich an einem Wärmenetz zu beteiligen?

Probst: Ich habe mich im Rahmen meiner Masterarbeit sehr intensiv mit der Bürgerbeteiligung bei Energieprojekten beschäftigt. Bei Wärmeprojekten ist eine große Beteiligung sehr wichtig. Denn während der Bau eines Windparks nicht von der Bürgerbeteiligung abhängig ist, kann ein Nahwärmenetz nur entstehen, wenn sich möglichst viele anschließen. Und das bedeutet, wir brauchen in der Wärmeversorgung positive und aktive Bürger.

Wichtig für eine hohe Akzeptanz ist, dass die Leute von Anfang mitgenommen werden. Es gibt Befürworter, die z.B. aus Klimaschutzgründen sofort mitmachen. Andere sind eher skeptisch oder sogar kritisch. Für alle gilt es, eine richtige Strategie zu entwickeln. Während die Befürworter vielleicht eher technische Infos benötigen, brauchen die Skeptiker z.B. Infos über die Vorteile eines Netzanschlusses. Das muss bei Infoveranstaltungen berücksichtigt werden.

Schon bei einer Machbarkeitsanalyse schauen wir, wie die Einstellung der Bevölkerung ist. Das erfahren wir in Veranstaltungen, aber auch über Gespräche mit kommunalen Vertretern vor Ort.

Auf Infoveranstaltungen melden sich aber nicht alle Bürger zu Wort.

Probst: Genau, darum haben wir verschiedene Kommunikationswege: Wir legen z.B. Bierdeckel und Postkarten aus, auf denen man Fragen bzw. Meinungen notieren kann. Auch haben wir eine Telefonhotline eingerichtet und informieren auch auf der Internetseite der jeweiligen Kommune über das geplante Projekt.

Wie gehen Sie grundsätzlich in der Kommunalen Wärmeplanung vor?

Probst: Nach einer Analyse werten wir die Ergebnisse aus, z.B. die Baualtersklassen der Häuser, die Eigentümerstrukturen, die vorhandene Infrastruktur und mögliche Abwärmequellen. Dann ermitteln wir, was noch geplant ist: Sanierung, Neubaugebiete, Industrieansiedlung oder der Bau von Wind- bzw. Solarparks.

Zur konkreten Ausgestaltung bilden wir vor Ort ein Expertengremium, das sich regelmäßig trifft. Das können Bürger mit besonderen Interessen und Fähigkeiten oder Firmenvertreter sein. Sie wissen meist am besten, was vorhanden ist, wen man noch einbeziehen kann und wie es bei angrenzenden Kommunen aussieht. Dann kommt die Bedarfsanalyse: Mit welcher Wärmeversorgung lassen sich Quartiere und Ortsteile am besten versorgen? Alle weiteren Schritte muss man dann auf die jeweilige Kommune anpassen wie z.B. die Gründung einer Genossenschaft, den Bau einer Heizzentrale usw.

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