Mit dem neuen §13k im Energiewirtschaftsgesetz will der Gesetzgeber verhindern, dass Windräder bei Stromüberschüssen abgeregelt werden müssen. Das soll Kosten für das Redispatch 2.0 reduzieren und gleichzeitig Strom so günstig machen, dass es sich z.B. lohnt, damit zu heizen.
Unter dem Namen „Windduschen“ bietet das Berliner Unternehmen decarbon1ze jetzt eine Dienstleistung an, um diesen Strom für Hausbesitzer und andere Verbraucher verfügbar zu machen. Die Hintergründe erklärte uns Mitgeschäftsführerin Dr. Arwen Colell.
Was bedeutet Windduschen?
Colell: Hintergrund ist die Regelung „Nutzen statt Abregeln“ im Paragraf 13k im Energiewirtschaftsgesetz. Dabei geht es darum, Anlagen zur Produktion von erneuerbaren Energien auszulasten, anstatt die Leistung zu reduzieren. Diese Abregelung kommt gerade in Norddeutschland immer häufiger vor. Wenn wir den Strom mit einem Heizstab im Warmwasserspeicher der Heizung einspeichern, anstatt die Erzeugung abzuregeln, nennen wir das „Windduschen“.
Was sind die Gründe dafür?
Colell: Die Abregelung hängt damit zusammen, dass mit dem wachsenden Zubau der erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen immer öfter der erzeugte Strom vor Ort nicht in der Menge verbraucht werden kann. Windstrom auf See und an Land wird zum Beispiel im eher bevölkerungs- und industrieschwachen Norden erzeugt, während die Verbrauchszentren weiter entfernt liegen. Im Süden dagegen haben wir häufig mittags Spitzen von Solarstrom, die vor Ort auch nicht immer komplett verbraucht werden können. Die Lösung besteht einerseits darin, Energie dahin zu transportieren, wo sie verbraucht wird, aber auch darin den Strom dann, wenn er reichlich anfällt, vor Ort zu nutzen bzw. einzuspeichern.
Welche Lösungen schlagen Sie vor?
Colell: Bisher steht in der Energiewirtschaft der Ausbau des Stromnetzes im Vordergrund, um den Strom in die Verbrauchsregionen zu transportieren. Das ist auch sehr wichtig. Ein anderer Weg, der noch schneller geht, ist zusätzlich den flexiblen Verbrauch in den Regionen stärker zu aktivieren, in denen viel Strom produziert wird.
Was bedeutet flexibler Verbrauch?
Colell: Es gibt viele Einrichtungen, bei denen man den Verbrauch zeitlich verschieben kann wie z.B. Kühlhäuser oder bestimmte thermische Anlagen, für die das nicht so wesentlich ist, wann sie den Strom verbrauchen. Aber auch kleine Verbraucher wie Elektroautos oder Warmwasserspeicher sind hier zu nennen. Und genau hier setzt der neue Paragraf 13k an.
Was heißt das für die Praxis?
Colell: Einfach gesprochen macht er es möglich, dass man Strom, der ansonsten abgeregelt würde, zu besonders günstigen Konditionen nutzen darf. Bislang war das nicht möglich. Obwohl der Strompreis bei viel Wind- und Solarenergieerzeugung an der Strombörse stark sinkt, kam dieser niedrige Preis bisher nicht bei den Endkunden an. Das hat unterschiedliche Gründe.
Einer davon ist die mangelhafte Digitalisierung. Ein anderer ist, dass der Preis für den reinen Strom nur einen geringen Teil des Endverbraucherstrompreises ausmacht.
Das Gros dagegen sind Entgelte und Umlagen wie Steuern oder Netznutzungsentgelte. Und diese sind bisher nicht variabel. Das bedeutet: Auch bei hohem Stromangebot sinkt der Preis nicht so weit, dass es sich lohnen würde, über eine Verbrauchsverschiebung nachzudenken oder in zusätzliche Stromverbraucher zu investieren, die gezielt zugeschaltet werden können.
Mit dem §13k wird der Strom jetzt aber günstiger. Denn zusätzlich zu dem günstigen Strompreis bei hohem Angebot werden Entgelte und Umlagen hier kompensiert. Wichtig zu beachten: Diese Regelung gilt nur für zusätzliche, gezielt zuschaltbare Verbraucher, die ausschließlich diesen andernfalls abgeregelten Strom nutzen.
Was ist die Absicht dahinter?
Colell: Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass Stromverbraucher von günstigen Preisen profitieren, die unabhängig vom Strompreis sowieso Strom genutzt hätten und sich mit der zeitlichen Verschiebung nur preislich optimieren. Der Paragraf zielt dagegen auf den flexiblen und zusätzlich geschaffenen Verbrauch.
Die Übertragungsnetzbetreiber, die die Abregelung anordnen, wenn lokal die Stromproduktion den Verbrauch übersteigt, stellen die Anforderung für flexibel zuschaltbaren, zusätzlichen Verbrauch. Und weil der zusätzliche Verbrauch dazu beiträgt, ein Problem zu lösen – nämlich Abregelung zu vermeiden und das Netz zu entlasten – darf er eben diese sehr günstigen Preiskonditionen in Anspruch nehmen.
Es ist ein Anreiz nicht nur für die bewusste Verbrauchsverschiebung, sondern auch für die Investition in die direkte Elektrifizierung. Das ist besonders spannend im Bereich Wärmeerzeugung, weil hier der Umstieg auf erneuerbare Energien und auf die elektrische Versorgung bislang nicht besonders weit fortgeschritten ist.
Wie läuft das in der Praxis ab? Wie kann ich als Hausbesitzer davon profitieren?
Colell: Für Hausbesitzer ist besonders günstig, dass sie den Speicher, mit dem sie an §13k teilnehmen können, oft bereits besitzen: Den Wasserspeicher. Zunächst müssen Warmwasser-Pufferspeicher, die es in vielen Haushalten gibt, mit einem elektrischen Heizstab, also einer Art Tauchsieder, ausgestattet werden. Das ist technisch sehr einfach, denn es handelt sich um eine Standardkomponente, die in vielen Wasserspeichern unkompliziert nachgerüstet werden kann.
Dieser Heizstab wird dann gezielt eingeschaltet, wenn der Übertragungsnetzbetreiber in der Region Flexibilität anfordert, um Abregelung zu vermeiden, wenn also z.B. viel Wind weht und der Strompreis damit niedrig ist. Der Heizstab hat den gleichen Wirkungsgrad wie eine Öl- oder Gasheizung, nämlich 1:1.
Der ‚normale‘ Strom aus dem Netz wäre für den Betrieb eines Heizstabs zu teuer. Das Heizen mit anderen Brennstoffen wie Öl, Gas oder Holz oder auch mit einer Wärmepumpe wäre günstiger. Wärme aus günstigem Windstrom ist damit jetzt erstmals wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Brennstoffen.
Wie erfahre ich denn, wann der Strompreis niedrig ist und sich das Heizen damit lohnt?
Colell: Hier kommen wir ins Spiel. decarbon1ze tritt für ‚Windduscher‘ als der sogenannte Einsatzverantwortliche auf. Wir handeln im Auftrag des Übertragungsnetzbetreibers, der für die Vermeidung von Engpässen im Stromnetz zuständig ist. Er signalisiert uns, dass ein Engpass droht oder positiv formuliert: dass wir in einer Region mit einer Windfront und damit einem besonders großen – für das Netz aktuell zu großen – Windstromangebot rechnen dürfen. Dann schalten wir als Dienstleister flexible Verbrauchseinrichtungen wie Heizstäbe per Fernzugriff ein. Der Stromverbrauch des Heizstabs wird separat gezählt und über einen eigenen, spezifischen §13k-Stromtarif abgerechnet.
Was macht den Strompreis günstiger? Und wie wird das kompensiert?
Colell: Die Abregelung verursacht aktuell hohe Kosten für die Entschädigung von Anlagenbetreibern und die Beschaffung von Regelenergie. Das ist nicht nur eine wirtschaftliche Belastung, sondern auch ärgerlich: Wir brauchen den erneuerbar erzeugten Strom ja, was man daran sieht, dass gleichzeitig zur Abregelung weiter fossile Kraftstoffe zum Einsatz kommen. Das Ziel ist also, durch den niedrigen §13k-Strompreis einen starken Anreiz dafür zu schaffen, zum Beispiel die Wärmeversorgung zu elektrifizieren.
Klar ist aber auch, dass diese Preissenkung gegenfinanziert werden muss. Das Ziel ist, dass es zu weniger Redispatch-Kosten kommt, wenn Anlagen nicht abgeregelt werden müssen. Die Preissenkung für Nutzen statt Abregeln soll also weniger kosten als Abregelung und Regelleistung. Und vor allem wollen wir natürlich die erneuerbare Erzeugung, die wir bereits haben, auch vollständig auslasten.
Ist das Gesetz schon in Kraft, kann man also jetzt schon davon profitieren?
Colell: Ja, das Gesetz ist in Kraft getreten. Im Oktober 2024 hat eine zweijährige Erprobungsphase für die neuen „Nutzen statt Abregeln“-Prozesse begonnen. Die Grundvoraussetzung zur Teilnahme ist zunächst eine zuschaltbare Last, wie zum Beispiel ein Heizstab im Warmwasserspeicher, deren Stromverbrauch separat viertelstundenscharf erfasst wird. Die Anlage braucht also ein intelligentes Messsystem, was derzeit leider vielerorts noch fehlt, und einen eigenen §13k-Stromliefervertrag.
Der Einsatzverantwortliche, also zum Beispiel wir, stellt sicher, dass die Anlage entsprechend der Anforderung des Netzbetreibers ein- und ausgeschaltet wird und erbringt auch den Nachweis, dass die jeweilige Anlage zur Netzentlastung beigetragen hat, und deshalb den günstigen Strompreis in Anspruch nehmen darf. Wir bündeln kleine Verbraucher wie Heizstäbe zu einer größeren Einheit, einer sogenannten Kleinentlastungsanlagengruppe. Kleinvieh macht auch Mist!
Welche Kosten entstehen den Teilnehmern?
Colell: Ein fernsteuerbarer Heizstab für den Warmwasserspeicher ist Standardhardware. Je nach Modell zahlt man hier einen mittleren dreistelligen Betrag. Dazu kommen die Kosten für den Anschluss und das Messsystem. Der Strompreis für „Nutzen statt Abregeln“ wird durch die gesetzliche Regelung deutlich unter den mittleren Gaspreis pro kWh gesenkt.
In unserem „Windduschen“-Pilotprojekt in Schleswig-Holstein arbeiten wir mit der Energiegenossenschaft Prokon als Lieferant zusammen. Der Preis pro Kilowattstunde liegt hier bei 8 Cent. Die optimale Preisbalance zu finden, ist aber auch ein Ziel der jetzt angelaufenen Erprobungsphase. Für die ersten Windduscher in unserem Pilotprojekt gibt es übrigens den Tauchsieder und das Messsystem geschenkt.
Kann der Hausbesitzer – außer mit einem Tauchsieder – noch weiter davon profitieren?
Colell: Theoretisch ja, z.B. auch mit einem Batteriespeicher. Aber hier müssen immer die Zusätzlichkeitskriterien der Bundesnetzagentur für „Nutzen statt Abregeln“ eingehalten werden. Und diese sind relativ streng. Man müsste also nachweisen, dass der Speicher nur für Überschüsse nach 13k genutzt wird. Man darf nicht kurzfristig wechseln zwischen 13k-Verbrauch und normalem Strombezug aus dem Netz.
Natürlich ist es sinnvoll, jeden zeitlich flexiblen Stromverbraucher möglichst dann zu nutzen, wenn viel erneuerbar erzeugter Strom im Netz ist. Wir müssen viel schneller als bislang neue Flexibilitäten ins Netz kriegen. Ein Elektroauto aber zum Beispiel kann nicht ausschließlich mit dem sonst abgeregelten Strom fahren. Wir brauchen also weitere Möglichkeiten, mit Preisanreizen den Verbrauch flexibler zu machen.
Einen ersten Schritt in diese Richtung geht die neue Regelung nach §14a des Energiewirtschaftsgesetzes. Hier dürfen Elektroautonutzer für die Verbrauchsverschiebung günstigere Netzentgelte in Anspruch nehmen. Wir bei decarbon1ze arbeiten daran, dass jede flexible Speichermöglichkeit – ob im Auto, in der Batterie, oder dem Warmwasserspeicher – so gut und so einfach wie möglich für die Auslastung der erneuerbaren Erzeugung genutzt werden kann.
Inwieweit haben Sie auch mit Windparkbetreibern zu tun? Ändert sich für sie auch etwas?
Colell: Nein, sie speisen den Strom wie gehabt ins Netz ein und verkaufen ihre Produktion. Ändern sollte sich nur, dass die Anlagen weniger häufig abgeregelt werden und damit die Entschädigungszahlungen zurückgehen. Ziel ist es, dass der gesamte Strom produziert, ins Netz eingespeist und dann je nach Menge und Bedarf verteilt wird.
Sind Sie denn jetzt für diese Erprobungsphase ausgebucht? Oder können Interessenten mit Ihnen in Kontakt treten?
Colell: Ja, unbedingt. Sie können sich unter www.windduschen.de anmelden.