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topplus Risiko für Landwirte

Darum lässt ausgerechnet das EEG Agri-PV von Landwirten scheitern

Sechs Landwirte aus Ostwestfalen wollten je eine hofnahe Agri-PV-Anlage bauen. Doch ein Paragraph im EEG macht die Pläne bei ihnen und bei Hunderten anderer Berufskollegen zunichte.

Lesezeit: 6 Minuten

Eine kleine Agri-Photovoltaikanlage als zweites Standbein: Das können sich derzeit viele Landwirte vorstellen. „Die Privilegierung im Baugesetzbuch bei Anlagen bis 2,5 ha und die höhere Vergütung von 9,5 ct/kWh machen das Thema für uns interessant“, berichtet Dennis Jakobsmeier aus Delbrück (Nordrhein-Westfalen). Für den Nebenerwerbslandwirt wäre die Kombination von Stromerzeugung und Ackerbau auf einer Fläche ideal, um einen Zusatzerlös zu erwirtschaften.

Vorteile aus Sicht der Landwirte

Auch fünf weitere Berufskollegen in der näheren Umgebung waren von der Idee begeistert. Wo sie die Vorteile sehen:

  • Anders, als ein Stallbau oder andere Investitionen, bietet die Agri-PV die Chance auf ein zweites Standbein, das nicht wesentlich mehr Arbeitszeit benötigt und bei dem sich die vorhandene Maschinenausstattung weiter nutzen lässt – vor allem bei Trackersystemen, wie sie Jakobsmeier und seine Kollegen planen. „Wir haben die Modulreihen auf 12 m Breite geplant, damit wir mit unseren Maschinen mit 3 oder 6 m Arbeitsbreite darin gut rangieren können“, sagt er.

  • Dem Betrieb geht nur wenig der zu bewirtschaftenden Fläche verloren, der Ackerstatus bleibt erhalten und steuerrechtlich gibt es weniger Fallstricke.

  • In Regionen ohne Autobahn oder Bahntrasse ist die privilegierte Agri-PV die einzige Möglichkeit, eine Freiflächenanlage ohne Bauleitplanung zu realisieren.

  • Gerade kleinere Flächen, für die es kein Flurbereinigungsverfahren gab, könnten die Landwirte so sehr lukrativ nutzen.

  • Die Kombination mit einer Biogasanlage ist ideal, da Trafo und Netzanschluss gemeinsam genutzt werden können. Außerdem kann die Agri-PV-Anlage Strom für die Biogasanlage liefern.

Die sechs Landwirte haben daraufhin seit Dezember 2023 gemeinsam geplant und jeweils einen Bauantrag gestellt. Drei von ihnen haben sogar schon eine Baugenehmigung. „Es lief alles glatt, wir hatten auch die Zusage der Bank für die Finanzierung und Aufträge für Trafo, Übergabestation und Solaranlage vergeben“, schildert Jakobsmeier.

§24 macht Pläne zunichte

Doch dann die Ernüchterung: Der Anlagenhersteller berichtete von einem Passus im Erneuerbare-Energien-Gesetz (§ 24 EEG), wonach zwei Landwirte nur dann für ihre Anlagen in der gleichen Gemeinde jeweils eine eigene, gesetzlich festgelegte Vergütung für den Strom erhalten, wenn die Anlagen mehr als 2 km voneinander entfernt gebaut werden oder zwischen der Inbetriebnahme mindestens 24 Monate liegen. „Mein Nachbar, der mit mir zusammen geplant hat, liegt aber Luftlinie nur 600 m von meinem Betrieb entfernt“, berichtet Jakobsmeier.

Die Landwirte hatten den Paragraphen im EEG auch gelesen, wurden aber vor einigen Monaten noch von vielen Akteuren beruhigt: „Das gilt nur für die großen Freiflächenanlagen, die eine Bauleitplanung benötigen und unter die Ausschreibungspflicht fallen“, hieß es.

Doch das war falsch. Wenn jetzt Beide die Anlagen innerhalb der 24 Kalendermonate in Betrieb nehmen würden, könnten nach aktueller Gesetzeslage die Leistung der beiden Anlagen zusammengefasst werden. Ab 1 MW Leistung muss der Betreiber aber an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen und ein Gebot für die Vergütung abgeben.

Nur die günstigsten Gebote erhalten einen Zuschlag. „Da wir da mit normalen Freiflächenanlagen konkurrieren müssen und das Höchstgebot zwischen 5 und 6 ct/kWh liegt, kommt das für uns überhaupt nicht infrage“, sagt er. Denn wegen der höheren Investitionskosten von 800.000 bis 1 Mio. € für eine Anlage von knapp 1 MW ist eine Vergütung von 9,5 ct/kWh für die Wirtschaftlichkeit unumgänglich. „Außerdem brauchen wir bei dieser Summe Planungssicherheit, damit wir nicht erst bauen und hinterher vor einer Investitionsruine stehen“, lautet sein Credo.

Darum haben die sechs Landwirte ihre Pläne sofort gestoppt. Erstmal werden nur drei von ihnen bauen, die keine Nachbarn im Umkreis von 2 km haben. Zum Glück konnten die anderen die Anzahlung an die beauftrage Firma zurückbekommen und auch die Kreditvergabe wieder stornieren. Trotzdem bleiben sie auf Kosten für die Genehmigung in Höhe von 5.000 bis 10.000 € sowie weiteren 10.000 € für die Bank sitzen.

Die Alternativen

„Mit Blick auf das EEG haben die Landwirte jetzt mehrere Möglichkeiten, wenn nur aufgrund der Zusammenfassung die 1-MW-Grenze überschritten wird“, schlägt Rechtsanwalt Jens Vollprecht von der Kanzlei Becker, Büttner, Held aus Berlin vor:

  • Bei benachbarten Landwirten könnte einer jetzt seine Anlage in Betrieb nehmen, während der andere 24 Kalendermonate wartet.  

  • Oder es finden sich Flächen, die weiter als 2 km voneinander entfernt sind oder in einer anderen Gemeinde liegen. Im letzten Fall könnten die 2 km auch unterschritten werden.

  • Man kann auch daran denken, eine Bürgerenergiegesellschaft im Sinne des EEG zu gründen – dann läge die Ausschreibungsgrenze bei 6 MW.

  • Zudem könnte man ohne finanzielle Förderung nach dem EEG planen und eine „vor-Ort-Belieferung“ anstreben. Die Idee dahinter: Wenn das Netz für die allgemeine Versorgung nicht in Anspruch genommen wird, spart man sich u.a. die Netzentgelte und könnte unter Umständen ein höheres Entgelt von dem Stromabnehmer verlangen als über das EEG.

Mehrere Nachteile

Doch diese Pläne haben im Hinblick auf die gesetzlich bestimmte Vergütung und die damit verbundene Planungssicherheit mehrere Pferdefüße. „In der Wartezeit von 24 Monaten oder bei der Verlagerung auf andere Flächen könnten andere Betreiber von Freiflächenanlagen den Plan durchkreuzen und auch eine Anlage bauen“, sagt Vollprecht.

Die Tür zu den „9,5 ct/kWh“ öffnet sich zudem erst, so Vollprecht weiter, wenn die Europäische Kommission die Genehmigung erteilt hat. Bis dahin gilt noch die Fassung des EEG „vor“ dem Solarpaket I, die nur für ausschreibungspflichtige Anlagen einen Technologie-Bonus vorsieht. Auch da muss man also aufpassen.

Zudem könnte die Rentabilität in zwei Jahren komplett anders aussehen: „Wir wissen nicht, wie sich in zwei Jahren die Anlagenpreise entwickeln und wie stark die Vergütung absinkt“, erklärt Jakobsmeier.

Darum haben sich die Landwirte jetzt an zahlreiche Bundestagsabgeordnete, an das Bundeswirtschaftsministerium und an die Clearingstelle-EEG gewendet, um den Passus im EEG zu ändern. Jakobsmeier ist überzeugt: „Ohne eine Änderung werden viele Landwirte auf den Bau einer Anlage verzichten. Das macht diese an sich sehr attraktive Regelung zu einem Rohrkrepierer.“

Dabei wäre die Regelung aus seiner Sicht gerade bei der privilegierten Agri-PV gar nicht nötig und widerspricht den Zielen des Solarpaketes 1: „Kein Landwirt würde auf die Idee kommen, jetzt 40 Anlagen unter 1 MW zu bauen, um die Ausschreibung zu umgehen. Man wird ja eine Privilegierung anstreben und daher in der Regel nicht größer als 2,5 ha bauen!“

 

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