Die Bundesregierung will mit dem Entwurf eines Gesetzes „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2413 in den Bereichen Windenergie an Land und Solarenergie sowie für Energiespeicheranlagen am selben Standort“ die europäische Energierichtlinie (RED III) in deutsches Recht überführen. Zudem Gesetzesentwurf gab es am 16. Oktober im Bundestag eine Anhörung mehrerer Sachverständiger.
„Mittlerweile ist ein weiterer, echter Missstand bekannt geworden, der erhebliche Nachteile für die Landwirtschaft hätte“, erklärt Axel Pustet vom Agri-PV-Unternehmen axess solar aus Sinzig (Bayern).
Nachteil für Landwirte
Er kritisiert den § 24 Abs. 2 im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Danach darf ein Landwirt pro Gemeinde innerhalb von 24 Kalendermonaten und in einem Abstand von 2 km nur eine Agri-PV-Anlage in Betrieb nehmen, wenn eine Zusammenfassung mit anderen Anlagen verhindert werden soll. Eine Zusammenfassung in diesem Radius kann nur ausgeschlossen werden, wenn die zweite Anlage erst nach 24 Kalendermonaten in Betrieb genommen wird. Diese Regelung existiert schon im jetzt gültigen EEG 2023, soll aber mit einer weiteren Ergänzung bestätigt werden. „Wenn so lange mit der Umsetzung des Projektes gewartet werden muss, hat das zumindest einen enormen wirtschaftlichen Nachteil, bzw. wesentlich wahrscheinlicher ist, dass das Projekt nicht mehr rentabel ist“, sagt Pustet.
Wie relevant das Thema ist, zeigen allein die geplanten Projekte von axess solar: „Wir haben mittlerweile mehr als 70 Bauanträge direkt für Landwirte gestellt aufgrund des §35 BauGB. In mehreren Fällen befinden sich die Anlagen innerhalb 2 km und in einer Gemeinde“, erklärt er.
Darum hofft er darauf, dass der Gesetzgeber das Problem erkennt und diesen Missstand mit dem Gesetz zur Umsetzung der RED III korrigiert.
Hintergrund des Gesetzestextes
Im „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2413 in den Bereichen Windenergie an Land und Solarenergie sowie für Energiespeicheranlagen am selben Standort“ ist die Gesetzesänderung in Nummer 7 enthalten: Dem § 24 Absatz 2 wird folgender Satz angefügt: „Abweichend von Satz 1 gelten nicht als eine Anlage eine Freiflächenanlage, die im Außenbereich nach § 35 Absatz 1 des Baugesetzbuchs errichtet wurde, und eine Freiflächenanlage, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 30 Absatz 1 des Baugesetzbuchs oder in einem Solarenergiegebiet nach § 249b des Baugesetzbuchs oder in einem Vorranggebiet für Solarenergie in einem Raumordnungsplan, auf welches § 249b Absatz 5 des Baugesetzbuchs anzuwenden ist, errichtet wurde.“
Was der kaum zu verstehende Paragraph genau bedeutet und warum er eingefügt werden soll, ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen:
„Der neue § 24 Absatz 2 Satz 3 EEG 2023 dient der Sicherstellung der Vergütungsfähigkeit von Anlagen, um den Vertrauensschutz von Anlagenbetreibern zu sichern. Aufgrund der in § 35 Absatz 1 Nummer 8 und 9 BauGB sowie durch § 249b BauGB aufgenommenen baurechtlichen Privilegierungstatbestände für bestimmte Freiflächensolaranlagen kann der Fall eintreten, dass baurechtlich nicht privilegierte Anlagen während des Bebauungsplanverfahrens von privilegierten Anlagen „überholt“ werden und zum Inbetriebnahmezeitpunkt keine Zahlungsberechtigung nach § 38a EEG 2023 mehr erhalten könnten, weil sie durch die sogenannte Anlagenzusammenfassung nach § 24 Absatz 2 EEG 2023 als Anlage über der maximalen Größe von 50 Megawatt installierter Leistung anzusehen sind. Da der Anlagenbetreiber der nicht privilegierten Anlage zum Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung von der später mit der Projektierung beginnenden privilegierten Anlage in der Regel keine Kenntnisse hat, erscheint sein Vertrauen in seine Investition ausreichend schutzwürdig, um eine Ausnahme von der grundsätzlich weiterhin erforderlichen Anlagenzusammenfassung zu rechtfertigen. Die neue Regelung schließt daher eine Zusammenfassung von privilegierten Freiflächenanlagen mit nicht privilegierten Freiflächenanlagen aus. Mit der Neuregelung dürfte kein wesentliches Missbrauchsrisiko einhergehen. Die Umgehung der gesetzlichen Schwellenwerte dürfte weitgehend verhindert bleiben, da Projekte in der Regel nicht nur teilweise in privilegierten Bereichen liegen werden.“
Keine Auswirkung auf Baurecht, aber auf Zahlung nach EEG
„Im Klartext bedeutet das, dass die Leistung von privilegierten Anlagen und nicht privilegierten Anlagen nicht nach § 24 Abs. 2 EEG zusammengefasst wird“, sagt Rechtsanwalt Jens Vollprecht von der Kanzlei Becker, Büttner, Held aus Berlin. Das Ganze hat aber, so Vollprecht weiter, keine Auswirkungen auf das Baurecht, sondern ausschließlich auf das EEG: Aufgrund einer Zusammenfassung kann es z.B. passieren, dass eine Anlage erfolgreich an einer Ausschreibung teilnehmen muss, um eine finanzielle Förderung nach dem EEG beanspruchen zu können, oder keine finanzielle Förderung bekommt, weil sie zu groß ist.
Derzeit werden privilegierte Agri-PV-Anlagen und nicht privilegierte klassische Solarparks von der Leistung zusammengefasst, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt werden. „Wird der Vorschlag umgesetzt, würde diese Zusammenfassung nicht erfolgen. Da eine Zusammenfassung aus den geschilderten Gründen mit größeren Herausforderungen verbunden sein kann, ist das – verglichen mit der derzeitigen Rechtslage – zunächst einmal positiv“, erklärt Vollprecht.
Das von Axel Pustet beschriebene Problem der Anlagenzusammenfassung bleibt jedoch auch bei der Umsetzung des Vorschlags bestehen: Wenn zwei Landwirte beispielsweise innerhalb von 24 aufeinanderfolgenden Kalendermonaten eine privilegierte Agri-PV-Anlage mit jeweils 1 MW Leistung in einem Abstand von 2 km in einer Gemeinde in Betrieb nehmen, werden die Agri-PV-Anlagen „verklammert“, also im Sinne des EEG als eine Anlage angesehen. Derjenige Landwirt mit der jüngeren Anlage muss dann an einem Ausschreibungsverfahren zur Ermittlung der Vergütungshöhe teilnehmen. Denn diese Anlage wird aufgrund der Zusammenfassung über die 1-MW-Grenze „geschoben“.
Die Antwort des BMWK
Auf diese Regelung angesprochen teilt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums mit: "Die von Ihnen angeführte Regelung dient dem Landschaftsschutz. Mit der Zwei-Jahre-Regel soll nach Möglichkeit vermieden werden, dass in der Landschaft verteilt nacheinander sehr viele kleine Anlagen gebaut werden."
Wenn zwei oder mehrere Agri-PV-Anlagen im 2-km-Radius und innerhalb von 24 Monaten ans Netz gehen, muss die letzte Anlage, mit der die 1-MW-Grenze erstmals überschritten wird, zu den Konditionen größerer Anlagen an der regulären Ausschreibung der Bundesnetzagentur teilnehmen.
"Das Argument des Landschaftsschutzes ist hier nicht relevant, es wäre gesetzlich möglich, mehrere z.B. 4 MW-Anlagen mit geringeren Abständen zu bauen, solange die Grenze von 50 MW nicht erreicht ist. Warum sollte das bei mehreren 1MW-Anlagen ein Problem darstellen?", hält Axel Pustet dagegen.
Er nennt ein konkretes Beispiel: "Ein Landwirt hat im privilegierten Verfahren (§35 BauGB, Absatz 1, Ziffer 9) eine Anlage beantragt, sein Freund und Nachbar in 700 m Entfernung, außer Sichtweite ebenfalls. Wer schneller die Inbetriebnahme meldet, kann bauen, der andere muss zwei Jahre warten (mit deutlich sinkenden Vergütungen). Das Privileg kann also nur 1 Landwirt wahrnehmen, das kann nicht der Sinn der Privilegierung von 2,5ha - Projekten sein!" Es bedarf seiner Meinung daher dringend der Anpassung des Gesetzes.
Landvolk: Viele Anforderungen an Agri-PV
Landesweit sind Projektierer unterwegs und locken Landbesitzer mit hohen Pachtsummen sowie Renditen durch die Installation einer PV-Anlage auf dem Acker. „Da kann so mancher Landwirt schwach werden. Wir als Landesbauernverband sehen es aber als unsere Pflicht darauf hinzuweisen, dass guter Ackerboden vorrangig der Erzeugung von Lebensmitteln dient. Aber auch der Energiehunger will gestillt werden, und Agri-PV ist eine gute Möglichkeit, landwirtschaftliche Bodenertragsnutzung mit der Solarstromerzeugung zu kombinieren und die Flächenkonkurrenz im Sinne von „entweder oder“ zu vermeiden“, sagt Harald Wedemeyer, Rechtsanwalt und Experte für Erneuerbare Energien beim Landvolk Niedersachsen.
Aber es gibt trotzdem viele Fallstricke, die eine jahrzehntelange Verpachtung der Fläche für eine Agri-PV-Anlage mit sich bringt, auf die der Landesbauernverband seine Mitglieder hinweisen und aufklären muss.
Vorteile der Agri-PV
Ein großer Vorteil von Agri-PV ist laut Wedemeyer, dass sich durch die Bewirtschaftung der Flächen keine schützenswerte Fauna und Flora entwickeln kann, die eine spätere Rückkehr in die landwirtschaftliche Nutzung naturschutzrechtlich unmöglich macht, weil – im Gegensatz zur normalen PV-Anlage auf der Fläche – keine gesetzlich gesehen zu schützende Biotope entstanden sind.
Weiterhin bestünden bei Agri-PV keine erbschafts- und schenkungssteuerrechtlichen Probleme wie bei PV-Freiflächenanlagen. „Wirtschaftlich interessant sind insbesondere die Tracker- und Zaunanlagen. Diese Agri-PV-Anlagen sind in der Lage, den Strom systemdienlicher an den Markt zu bringen“, sagt der Experte für Erneuerbare Energien. Er verweist zwar auf die bei einer Realisierung von Agri-PV-Projekten komplexen und anspruchsvollen Anforderungen, aber: „Mit etwas Umsicht und Sorgfalt sind diese durchaus zu bewältigen. Es ist kein Hexenwerk“, hebt Wedemeyer hervor.
Angefangen beim im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) geregelten Förderrecht, über das Genehmigungsrecht bis hin zu den Anforderungen an die Agrartechnik, die bei landwirtschaftlichen Arbeiten zwischen den Modulen eingesetzt wird, gilt es, einiges zu beachten. Ist die beabsichtigte Anlage ausschreibungspflichtig oder wird eine Festvergütung gezahlt? Wird die Agri-PV-Anlage ausschließlich auf Acker-, Dauerkultur- und Grünlandflächen genutzt oder soll auch Tierhaltung möglich sein? Diese sowie Fragen zu Haftung und Versicherung müssen im Vorfeld geklärt sein, um das Feld erfolgreich mit Agri-PV zu beackern.
Tagung zur Agri-PV
Gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen lädt das Landvolk am 25. November ab 9.30 Uhr zur ganztägigen Fachveranstaltung „Agri-PV“ ein. Anmeldung und Infos unter https://landvolk.net/termine/informationstagung-zu-agri-pv/