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topplus Wechsel im Bioenergieverband

Mortler: „Wir brauchen bei der Bioenergie weniger Regelungswut“

Die ehemalige EU-Parlamentarierin Marlene Mortler ist neue Vorsitzende des Bundesverbandes Bioenergie. Im top agrar-Interview gibt sie eine Standortbestimmung der Branche.

Lesezeit: 7 Minuten

Marlene Mortler (69) ist langjährige ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete aus Bayern, die in dieser Funktion agrarpolitische Sprecherin der CSU war. Von 2019 bis 2024 saß sie als deutsches Mitglied im Europäischen Parlament. Ende 2024 ist sie zur neuen Vorsitzenden des Bundesverbandes Bioenergie gewählt worden. Wir haben mit ihr - auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl - über die aktuelle Lage und die Herausforderungen von Biogas, Holz und Biokraftstoffen gesprochen.

Wie nehmen Sie gerade die politische Stimmung bezüglich Bioenergie wahr?

Mortler: Die letzten fünf Jahre habe ich mich als Europapolitikerin viel mit dem Green Deal beschäftigt. Die Bioenergie in ihrer ganzen Breite ist ein Paradebeispiel für eine Lösung von vielen Herausforderungen im Bereich Green Deal. Aber zahlreiche Politiker auf europäischer und nationaler Ebene wollen die Klimaneutralität mit anderen Technologien als mit Holz, Biogas oder Biokraftstoffen erreichen, Bioenergie gilt als ‚schmutzig‘. Dabei wird verkannt, dass die Bioenergiebranche äußerst innovativ und modern ist. Bei den Vertretern der Branche, also den Firmen und Anlagenbetreibern, ist die Stimmung geprägt von einer tiefen Verunsicherung. Dazu haben in den letzten Wochen und Monaten nicht nur Gesetze in Europa, sondern auch und vor allem in Berlin beigetragen. Ich denke da an den Entwurf zum Bundeswaldgesetz, aber auch die Diskussion zur nationalen Biomassestrategie mit all ihren Folgen. Dazu kommt die unsichere Zukunft für Tausende von Biogasanlagen. Doch ähnlich, wie bei der Gaskrise 2022, fangen die Menschen jetzt angesichts der längeren Dunkelflauten im November und Dezember 2024 an, darüber nachzudenken, ob wir nicht doch mehr Bioenergie als gesicherte Leistung benötigen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe, warum die Bioenergie so in Misskredit geraten ist und deren Klimaschutzwirkung hinter populistischen Floskeln wie „Maiswüste“, „Agrokraftstoffe“ oder „Holz klimaschädlicher als Kohle“ zurückbleibt?

Mortler: Dafür gibt es verschiedene Gründe. So ist das Thema Energieerzeugung komplex. Wenn man in Medien immer wieder verheerende Bilder beispielsweise vom Frankenwald zeigt, in denen Flächen von Trockenheit, Sturm und Borkenkäfer betroffen sind, dann fällt es schwer zu vermitteln, warum wir trotzdem Holz als Energieträger benötigen. Denn da schwingen viele Emotionen mit. Unterstützt wird das durch die Kampfbegriffe der Nichtregierungsorganisationen (NGO), die Sie genannt haben. Wenn dann noch Menschen interviewt werden, die sich an Bäume ketten, ist schnell behauptet, dass Waldbauern nur an ihren Profit denken würden. Dass aber ein gut gepflegter Wirtschaftswald die Grundlage für Zuwachs, Waldgesundheit, Biodiversität und Klimaschutz ist, dringt nicht durch. Natürlich gibt es wie überall auch in der Bioenergiebranche wenige schwarze Schafe. Aber man darf eine Politik nicht auf diese Wenigen ausrichten. Damit bestrafe ich die, die jeden Tag nach bestem Wissen und Gewissen ihre Arbeit machen und für sichere und verlässliche erneuerbare Energie sorgen.

Einige Kampfbegriffe der NGO wie „Agrotreibstoffe“ haben es ja inzwischen auch in das Bundesumweltministerium geschafft. Auch der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes, der Holz als erneuerbaren Brennstoff diskreditiert, ist nach Ansicht Ihres Verbandes mehr ideologie- als faktenbasiert. Zeigt das den großen Einfluss der NGO auf die Umwelt- und Klimaschutzpolitik?

Mortler: Auf jeden Fall. Eine kleine Gruppe von Aktivisten bestimmt die öffentliche Wahrnehmung, stellt Fakten auf den Kopf und beeinflusst Ministerien und Gesetzgebung. Schnell werden dabei Biokraftstoffe aus heimischen Raps mit Palmölplantagen in Indonesien oder die hiesige Waldbewirtschaftung mit Urwaldrodungen am Amazonas gleichgesetzt. Auch die Politik setzt leider immer weniger auf Fakten als auf Emotionen – nicht nur in den USA nach der erneuten Wahl von Donald Trump.

Wie kann man hier gegensteuern? Muss ein Verband wie der Ihre auch mehr auf Emotionen setzen?

Mortler: Eine wichtige Maßnahme ist es, die Verbraucher vor Ort aufzuklären und Erfolgsgeschichten aufzuzeigen. So haben sich im Bereich der Nahwärmenetze in vielen Orten sehr gute Dinge entwickelt. Hier kann man dem Verbraucher, der nicht aus der Land- oder Forstwirtschaft kommt, die Vorteile der heimischen Energieproduktion sehr einfach näher bringen. Er spürt die Wärme am eigenen Leib, die geringeren Energiekosten im Geldbeutel und entwickelt ein Gefühl für die sichere Versorgung.

Sie haben die Verunsicherung angesprochen. Wie bewerten Sie in dem Zusammenhang die Ankündigung einiger Unionsvertreter, im Falle des Wahlsiegs Vorschriften wie das Gebäude-Energie-Gesetz wieder abzuschaffen?

Mortler: Das ist sehr bedenklich. Nachbesserung ja, Abschaffung nein! Gerade erst haben sich Verbraucher, aber auch die Heizungsbranche von den Folgen der missglückten Kommunikation um das Gesetz erholt, da kann man es doch nicht wieder abschaffen wollen. Wir brauchen dringend mehr Vertrauen und Verlässlichkeit in politische Regelungen. Diese Ankündigung wäre das Gegenteil. Im Übrigen: wenn wir wirklich bis 2045 klimaneutral werden wollen, können wir uns solche Rückschritte nicht leisten. Abgesehen davon halte ich als ehemalige Politikerin Anreize immer für den besseren Weg als einen Zwang. Außerdem brauchen wir neben Technologieoffenheit auch verlässliche Übergangszeiten und nicht eine Änderung über Nacht wie bei der Diskussion um das Vebrenneraus oder die Abschaffung des Umweltbonus bei Elektrofahrzeugen.

Wird sich ab Februar 2025 etwas ändern und wenn ja, in welche Richtung?

Mortler: Schwer zu sagen. Die Erwartungshaltung ist sehr hoch, dass sich mit der Bundestagswahl etwas ändert, aber das war sie auch vor der letzten Wahl. Wir müssen permanent darauf drängen, dass wir mehr Kontinuität, dafür weniger Regulierungswut bekommen. Außerdem müssen wir Versäumnisse wie den Skandal um die Betrügereien bei den THG-Quoten im Biokraftstoffbereich aufarbeiten und endlich wirkungsvolle Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung etablieren. Ganz wichtig ist aber allen voran ein klares Bekenntnis zur Bioenergie als zentraler Baustein der Energiewende.

Wo sehen Sie momentan die größten Baustellen bei den Rahmenbedingungen?

Mortler: Wir brauchen endlich verlässliche Rahmenbedingungen für die 9.500 Biogasanlagen, damit diese nach Ende des EEG-Vergütungszeitraums weiter Strom und Wärme produzieren können. Wir fordern eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens auf 1.800 MW pro Jahr und einen deutlich höheren Flexzuschlag, um die höheren Kosten für die Anlagenbetreiber zu kompensieren. Bei Biokraftstoffen müssen wir den Betrug der importierten, angeblich fortschrittlichen Biokraftstoffe und der UER-Projekte aufarbeiten und Regelungen einführen, damit so etwas in Zukunft verhindert wird. Zudem steht im Verkehrsbereich die Umsetzung der RED III und damit die Änderung der Treibhausgasminderungsquote an: Unseren Berechnungen nach müsste die Quote auf mindestens 37 % in 2030 angehoben werden. Insgesamt brauchen wir bei allen Bioenergieformen wie Biogas, Holz und Biokraftstoffen eine seriöse, faktenorientierte Politik.

Sie waren lange Jahre EU-Politikerin. Oft versteckt sich der deutsche Gesetzgeber bei bestimmten unbequemen Vorhaben hinter der EU, die damit als Bremser dargestellt wird. Wie groß schätzen Sie den Einfluss der EU auf die Bioenergie in Deutschland ein?

Mortler: Berlin oder Brüssel: Wer wo bremst, lässt sich nicht pauschal sagen, sondern das kommt meist auf das jeweilige Thema an. Oft haben wir von Deutschland aus nach Österreich geblickt, wo bei der Bioenergie vieles sehr pragmatisch angegangen wird. Das zeigt, dass auch innerhalb der EU ein gewisser Spielraum besteht. Bevor man plump mit dem Finger auf ‚die in Brüssel oder Berlin‘ weist, sollte man genau analysieren, wo bestimmte Gesetzgebungsvorhaben haken und wie man das Problem löst. Das habe ich u.a. bei der Umsetzung der REDIII erlebt, bei der Holz in den ersten Entwürfen nicht mehr als erneuerbare Energie galt. Das konnten wir aber mit guten Verhandlungen ändern.

Welchen Einfluss kann Ihr Verband jetzt auf diese ganze Entwicklung nehmen?

Mortler: Hier gibt es viele Möglichkeiten, z.B. die beratende Funktion mit Faktenchecks und übersichtlichen Handouts. Neben der Vernetzung mit anderen Akteuren bleiben Seminare und Kongresse wichtig, aber auch das Aufzeigen von erfolgreichen Projekten. Zudem denken wir über Kampagnen nach, wie sie auch andere NGO machen. Wir haben im Verband viele erfolgreiche Akteure, die mit Leidenschaft und Ehrgeiz dabei sind. Diese Emotionen muss man auch nach außen tragen.

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