Dieser Artikel erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Bei den Hühnern sind es die Hennen, die über das Geschlecht des Nachwuchses entscheiden. Während Hähne zwei Z-Chromosomen besitzen, sind es bei den Hennen ein W- und ein Z-Chromosom. Wissenschaftler des israelischen Volcani Institutes haben genetisch modifizierte Elterntierhennen geschaffen, die über das normale W-Chromosom sowie über ein verändertes Z-Chromosom verfügen. Auf dem Z-Chromosom wurde ein sogenanntes Letalgen eingebaut. Dieses war bereits aus Mäusen bekannt.
Schieren am dritten Tag
Das Letalgen führt dazu, dass männliche Embryonen ihre Entwicklung einstellen. Aber nur dann, wenn das Letalgen aktiviert wird. Dies geschieht, indem die befruchteten, aber noch unbebrüteten Eier mit blauem Licht bestrahlt werden. Nach drei Tagen Bebrütung sind dann die lebenden weiblichen Embryonen von den sich nicht weiter entwickelten männlichen Embryonen zu unterscheiden.
Der Genetiker Dr. Yuval Cinnamon hat bislang 600 Eier mit gentechnisch veränderten Embryonen bebrütet. Davon schlüpften nur 301 Hennen. Cinnamon stellte seine Ergebnisse kürzlich auf dem European Poultry Genetics Kongress in Hannover vor. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass jemals ein Hahn schlüpfe, antwortete Cinnamon: „Statistisch wären dazu etwa 30.000 Eier nötig. Aber das Prinzip funktioniert.“
Angewendet wird der genetische Eingriff bei Großelterntieren. Diese müssen reinerbig für das Letalgen sein. Weil dieses Gen nur über den Lichtimpuls aktiviert wird, können ohne Beleuchtung auch die Hähne ganz normal schlüpfen und aufwachsen.
Henne nicht modifiziert
Durch die Kreuzung einer genetisch modifizierten Elterntierhenne mit einem „normalen“ Hahn tragen alle männlichen Tiere der nächsten Generation das zusätzliche Letalgen auf einem ihrer Z-Chromosomen. Diese männlichen Embryonen könnten somit durch das Einwirken von blauem Licht in ihrer Entwicklung gestoppt werden. Die weiblichen Küken und späteren Legehennen hingegen weisen keine genetische Veränderung auf.
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Wie läuft der Eingriff ab?
Die genetische Manipulation findet an Keimzellen statt. Dafür kommt die CRISPR/Cas-Methode (Genschere) zum Einsatz. Gene können damit entfernt, eingefügt oder ausgeschaltet werden. Bei diesem Prozedere werden einem zwei Tage lang bebrüteten Embryo Blutzellen entnommen und die daraus gewonnenen Keimzellen kultiviert. Nachdem das Letalgen auf dem männlichen Z-Chromosom eingebaut wurde, müssen die so veränderten Keimzellen vermehrt werden.
Anschließend erfolgt die Übertragung auf wiederum zwei Tage lang bebrütete Embryonen. Bei Weitem nicht alle daraus schlüpfenden Tiere tragen die gewünschte Modifikation in sich. Deshalb müssen zahlreiche Embryonen verändert werden, bis letztendlich einer davon Träger des Letalgens ist.
Kurz kommentiert
Vielversprechend – aber macht der Verbraucher mit?
Inzwischen ist die Geschlechtsbestimmung im Ei bis zum 12. Bruttag erlaubt. Damit ist die ethische Diskussion um das Kükentöten aber nicht zu Ende. Denn noch immer müssen Bruteier mit lebenden männlichen Embryonen entsorgt werden.
Bioverbände lehnen die Geschlechtsbestimmung im Ei ab. Auch wenn mit aufwendigen wissenschaftlichen Tests bewiesen wurde, dass bei Hühnerembryonen eine Verarbeitung von Reizen im Gehirn und damit eventuell auch die Wahrnehmung von Schmerzen frühestens ab dem 13. Bruttag zu vermuten ist, drängt der Handel schon jetzt darauf, die Geschlechtsbestimmung so früh wie möglich nach Vorne zu ziehen.
Da könnte diese smarte Methode aus Israel punkten. Sie hat einige Vorteile: Die Eier bleiben intakt, das ist für die weitere Entwicklung und den Schlupf der weiblichen Embryonen vorteilhaft. Zudem gibt es nur einen sehr geringen technischen Aufwand für den erforderlichen Lichtimpuls.
Kosten für Analysen entstehen nicht. Ein Nachteil ist jedoch, dass alle Eier für wenige Tage in den Brutschrank eingelegt werden müssen. Nach drei Tagen können die abgestorbenen männlichen Eier aussortiert werden. Es muss also kein Leben mehr getötet werden.
Bedeutend schwieriger und langwieriger wird es werden, eine ganze Zuchtlinie mit mehreren Hundert Tieren aufzubauen, die alle reinerbig für das Letalgen sind. Dafür wäre es außerdem erforderlich, sowohl die Zucht- und Elterntierfarm sowie die Brüterei als gentechnische Anlage der niedrigsten Sicherheitsstufe entsprechend der Gentechnik-Sicherheitsverordnung anzumelden. Eine GVO-Zulassung der Tafeleier gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 wäre nicht erforderlich.
Weil die Legehennen der Produktionsstufe frei von genetischen Veränderungen sind, würden hier nach aktueller Einschätzung der EU keine Einschränkungen gelten. Ob der sensible Verbraucher den genetischen Eingriff in die Lebensmittelkette allerdings akzeptiert, das muss sich dann herausstellen.